Amtel übernimmt weiteren Reifenhersteller
Der russische Reifenhersteller Amtel-Vredestein scheint mit der Übernahme der Moscow Tyre Plant (MTP) ein günstiges Schnäppchen gemacht zu haben, kann er doch vom Investment der Continental AG in das im Dezember 2004 fehlgeschlagene Jointventure mit der MTP profitieren. Die Deutschen haben innerhalb von zwei Jahren etwa 40 Millionen Dollar in die Modernisierung der Anlage gesteckt, die mitten in der Moskauer Stadt liegt. Die älteren, nicht modernisierten Teile der Fabrik gehen zurück an die Stadt Moskau, während Amtel im verbleibenden Teil der Anlage Reifen der Marken Vredestein und Amtel für den heimischen Markt fertigen will. Über den Kaufpreis wurde zunächst nichts bekannt. Amtel teilt allerdings mit, dass man hauptsächlich die Schulden der Moscow Tyre Plant übernehmen werde.
Während es der Continental AG wegen zahlloser Unwägbarkeiten über zwei Jahre nicht gelungen war, den eigenen Zeitplan für das Jointventure mit der Moscow Tyre Plant einzuhalten, betont Amtel nun sogar in einer Presseveröffentlichung, dass die „Geschwindigkeit der Übernahme“ nur eine „vorläufige Bewertung“ möglich gemacht habe, dass man aber dennoch genug wisse, um von der „Realisierbarkeit des Investments“ überzeugt zu sein. Eine „präzisere Planung wird noch notwenig sein“, heißt es weiter. Dennoch weiß man bereits jetzt, dass „keine weiteren beachtlichen Investitionen neben der Übernahme“ notwendig sein werden.
Und die Übernahme dürfte Amtel keine Barmittel kosten, hat man sich doch anscheinend dazu verpflichtet, die Schulden der Moscow Tyre Plant zu bedienen, deren Höhe allerdings nicht bekannt ist. Amtel rechnet aber damit, dass der Schuldendienst durch eine völlige Auslastung der modernisierten Kapazitäten möglich sei: Die zusätzlichen Absätze seien „mehr als ausreichend um die Schulden zu bedienen“. Die Moscow Tyre Plant hat zuletzt lediglich 30 Prozent der eigenen Produktionskapazitäten genutzt und hauptsächlich Reifen der russischen und somit unprofitablen Budget-Marke „Taganka“ gefertigt. Amtel gibt die maximale Produktionskapazität der Anlage mit 2,2 bis 2,75 Millionen Reifen (hauptsächlich Pkw-/Llkw-Reifen) an. Die Marke Taganka kann weiter gefertigt werden, die Rechte fallen also Amtel zu, nur scheint dahinter ein dickes Fragezeichen zu stehen. Der Konzern benötigt Produktionskapazitäten für den heimischen Markt, auf dem Premiumreifen und Reifen aus dem mittleren Segment nachgefragt werden, er benötigt keine weitere Budget-Marke, hat er diese doch selber noch im Portfolio. Es ist allgemein bekannt, dass Budget-Reifen in Russland kaum mit Gewinn zu verkaufen sind und das deren Absätze seit Jahren auf dem wachsenden Markt stagniert.
Effizienzsteigerungen werden sich in der bisher unprofitablen Anlage in Moskau wohl auch dadurch erzielen lassen, dass die Mischerei – unter Hinweis auf Umweltbedenken – geschlossen wird. Künftig sollen die Mischungen aus dem modernen und gerade im Ausbau befindlichen Amtel-Werk in Voronezh kommen. Verringerungen bei den Rohstoffkosten durch die Einkaufsmacht des vergrößerten Konzerns werden ebenfalls einen Teil zu den Effizienzsteigerungen beitragen. Amtel denkt ebenfalls darüber nach, die bisherigen Büroräume in der Moskauer Innenstadt zu verlassen und bei der Moscow Tyre Plant einzuziehen. Dass es im Management des übernommenen Unternehmens zu personellen Veränderungen kommen wird, gilt als beschlossen. Auch durch die managementseitige Übernahme der Moscow Tyre Plant, die im Übrigen noch kartellrechtlich abgesegnet werden muss, werden Kosten eingespart. Sollte Amtel-Vredestein also in der Lage sein, seine Pläne in die Tat umzusetzen, dürfte sich die Übernahme der Fabrik in Moskau quasi selber finanzieren, ist man beim neuen Eigentümer überzeugt. Amtel weist im Übrigen auch darauf hin, dass einige der in Moskau installierten (Continental-)Anlagen auch in den beiden anderen Amtel-Fabriken genutzt werden könnten, um dort „Investmentkosten zu verringern“ und gleichzeitig „notwendige Investitionen in die Moscow Tyre Plant auszugleichen“.
Nachdem Amtel in der jüngsten Vergangenheit seine beiden defizitären Reifenfabriken in Krasnoyarsk und in Belaya Tserkov (Ukraine) abgestoßen hat, verfügt das Unternehmen nun wieder über drei Produktionsstätten in Russland, eben in Voronezh, Kirov und in jetzt Moskau. Im vergangenen Jahr hat Amtel-Vredestein 15,1 Millionen Reifen verkauft; knapp 90 Prozent davon waren Pkw- und Llkw-Reifen.
Inklusive der neuen Fabrik in Moskau könnte Amtel also künftig bis zu 18 Millionen Reifen pro Jahr fertigen. Wie Amtel-Vredesteins CEO Alexei Gurin betont, werde die Moscow Tyre Plant, wenn sie mit voller Kapazität arbeitet, einen Jahresumsatz in Höhe von 66 bis 82 Millionen Dollar zum Konzernumsatz (2005: 671 Mio. Dollar) beisteuern.
Die Formalitäten des Übernahmeprozesses sollen bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Operative Kontrolle wird Amtel-Vredestein bereits zum 1. August erlangen.
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