Die Yokohama Reifen GmbH erhält ein Gesicht
Dass der japanische Reifenhersteller Yokohama – der seinen Konzernsitz übrigens nicht in der großen Hafenstadt gleichen Namens, sondern in der Landeshauptstadt Tokyo hat – sich international seit wenigen Jahren sehr ambitioniert zeigt und diverse Projekte gleichzeitig anpackt, kann an vielen Plätzen der Welt beobachtet werden. Früher eher als konservativ, zurückhaltend und sehr stark auf den Heimatmarkt fokussiert, macht sich Yokohama auf, im globalen Wettbewerb nicht nur auf andere Reifenhersteller – so vor allem aus Korea – zu „reagieren“, sondern selbst initiativ zu werden.
Sichtbar wurde dies zuletzt an einem 12-Jahres-Plan, über den The Yokohama Rubber Co., Ltd., um auch einmal den kompletten Konzernnamen zu nennen, vor einigen Monaten Einzelheiten verraten hat: Die Produktionskapazität soll bereits bis zum Frühjahr 2009 um knapp ein Viertel erhöht werden (auf dann mehr als 56 Millionen Reifen jährlich), der Umsatz auf sieben Milliarden Euro und der Gewinn auf zehn Prozent vom Umsatz bis 2017 steigen. In jenem Jahr endet jener 12-Jahres-Plan, der „Grand Design 100“ heißt und zum dann hundertjährigen Firmenjubiläum bewertet werden kann.
Im Heimatland selbst, aber vor allem in den weiteren südostasiatischen Staaten – China, Vietnam, Thailand und auf den Philippinen – wird teils in bestehende Anlagen kräftig erweitert, teils auch völlig neu gebaut. Innerhalb des Konzerns – der auch in von der Branche weit entfernten Sparten wie Freizeitprodukten, Seebojen, Flugzeugmodulen und vielem mehr unterwegs ist – soll der Reifenbereich, der heute etwa drei Viertel zum Umsatz beiträgt, ausgebaut werden.
In den Vereinigten Staaten hat Yokohama ein eigenes Werk für Pkw- und LLkw-Reifen und ist der zweitgrößte von drei Partnern an einer Jointventure-Fabrik für Lkw-Reifen (hinter Continental-General, vor Toyo). Dass Yokohama in Nordamerika und auch in Europa weitere Fertigungskapazitäten haben wird, ist für Christian Stein, Vizepräsident Verkauf und Marketing bei der deutschen Vertriebsdependance Yokohama Reifen (Düsseldorf), und Rolf Kurz, Leiter Marketing & PR, ausgemachte Sache. Wann und wo genau und in welcher Reihenfolge, da mögen sich beide nicht festlegen. Solche Informationen verkündet die ferne Konzernzentrale ebenso wie detaillierte Zahlen zu Umsatz oder Gewinn der deutschen Tochter traditionell nicht genannt werden.
Yokohama Reifen kommt
aus eigener Kraft voran
Wann und an welchem Ort in Europa ein Yokohama-Werk aus dem Boden gestampft werden wird, ist ja auch von vielen Faktoren abhängig. So schaffen die zunehmenden Erstausrüstungsbemühungen Yokohamas Sachzwänge. Nach Porsche 911 und Bentley Continental konnte gerade erst ein weiterer Erfolg beim Bemühen verzeichnet werden, auf Premiumfahrzeugen in der Erstausrüstung verbaut zu werden: Die Audi AG hat für ihr neuestes Spitzenmodell S8 den Advan Sport in der Dimension 265/35 ZR20 99Y XL freigegeben. Es ist das erste Audi-Modell, für das Yokohama einen Erstausrüstungsauftrag erhält, der S8 wird weltweit vermarktet. Weitere Fahrzeugmarken werden folgen, nicht nur aus dem ganz elitären Premiumsegment, sondern auch direkt darunter. Dann werden in Folge die Erstausrüstungsvolumina so groß sein, die Fahrzeughersteller um „Just-in-time“-Belieferungen nachsuchen und sich im Ersatzgeschäft ein Nachlauf einstellt, der ein Werk, das dann auch gleich ein dazugehöriges Distributionszentrum beherbergen dürfte, nach sich zieht. Das ist die Zukunftsmusik, die Stein und Kurz zwar gerne hören, in deren Melodie sie aber längst noch nicht einstimmen können, denn das ist – wie gesagt – Konzernsache.
Bis dahin wird die laut Stein und Kurz völlig unproblematische Kundenbelieferung vom Zentrallager Dortmund (man teilt sich die Räumlichkeiten dort mit Toyo) weiterhin allen Bedürfnissen gerecht, schließlich arbeitet man mit den (Reifen-)Logistikprofis der Firma Fiege zusammen. Ansonsten hat Yokohama das Containergeschäft in den letzten Jahren weiter optimiert und konnte jüngst das M+S-Geschäft für die anstehende Saison „über den Erwartungen“ abschließen.
Motorsport spielt
eine Schlüsselrolle
Innerhalb der FIA gibt es drei gewichtige Weltmeisterschaftsrennserien: Neben der Formel 1, die in 2007 exklusiv von Bridgestone ausgerüstet wird, und der Rallye-WM, die in 2007 exklusiv von BFGoodrich ausgerüstet wird, ist dies die WTCC (World Touring Car Championship bzw. Tourenwagen-WM), für die Yokohama Mitte Juli die Bestätigung erhalten hat, auch im nächsten Jahr 2007 exklusiver Reifenausrüster zu bleiben. Im Gegensatz zur Formel 1, für die ein bis 2010 gültiger Exklusivvertrag (an Bridgestone) vergeben wurde, entscheidet die FIA bei der WTCC jedenfalls derzeit noch von Jahr zu Jahr neu.
Und so wie es für den Yokohama-Konzern ein hochrangiges internationales motorsportliches Betätigungsfeld gibt, darf für Stein und Kurz die nationale Rennserie Seat Leon Supercopa auf gar keinen Fall unerwähnt bleiben, schließlich sei dies ein äußerst erfolgreiches Engagement und belege, dass Motorsport für das Unternehmen kein reines Marketinginstrument und schon gar nicht Selbstzweck sei, sondern die in dieser Serie gesammelten Erfahrungen in die Serienproduktion von Straßenreifen einfließen.
Motorsport ist für Yokohama vor allem seriennah. Dass die in Frage kommenden Motorsportkunden dies verinnerlicht haben, wird durch die Tatsache bewiesen, dass Yokohama beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring nicht mehr ein, zwei „Alibi-Teams“ ausgerüstet hat, sondern die Reifen auf rund 40 der 240 teilnehmenden Autos montiert waren: Damit ist der Titelsponsor des diesjährigen nationalen Saisonhöhepunkts für seriennahen Motorsport der zweitgrößte Ausrüster gewesen (hinter Dunlop). Hinzuweisen ist auch auf spezielle Nischenveranstaltungen wie den „Yokohama FHR paragon Cup“ oder die Rallye „Berlin – Breslau“, die vor allem durch Begeisterung der Teilnehmer am Automobilsport – wie er auch mit schmalerem Geldbeutel betrieben werden kann – geprägt sind.
Jetzt hat das Marketing von Yokohama Reifen die Aufgabe, den nächsten Schritt zu gehen: Die Motorsportfreaks sind zwar Meinungsmacher und transportieren dadurch schon die Botschaft vom guten Yokohama-Reifen weiter an Otto Normalverbraucher, aber die Düsseldorfer Vertriebsfirma intensiviert auch ihre Werbebemühungen, sofern es die Grenzen des Budgets einer im Vergleich relativ kleinen Organisation (die Yokohama Reifen GmbH hat derzeit ein Team von 40 Mitarbeitern, davon 15 im Vertrieb) zulassen.
Deutsches Geschäftsmodell
wird weiterentwickelt
Weil die ganz weitreichenden strategischen Entscheidungen im so fernen Japan fallen und darauf ohnehin kein Einfluss genommen werden kann, wird alles daran gesetzt, auf der nationalen Ebene so gut wie möglich voranzukommen. Je erfolgreicher man dabei ist, desto näher mögen auch die Entscheidungen rücken, die so ganz direkten Einfluss auf die deutsche Dependance, die vom japanischen Präsidenten Taka Hamaya geleitet wird, haben werden. So hat man beispielsweise die Kooperation mit der europäischen Zentrale Yokohamas, die zwar mit ihren ca. zwei Dutzend Mitarbeitern im gleichen Gebäude in Düsseldorf residiert, mit der aber bei der Zusammenarbeit ein Optimierungsbedarf bestand, deutlich verbessert. Da hatten sich Mechanismen eingeschlichen, die kontraproduktiv waren. Diplom-Kaufmann Kurz bestätigt auf direkte Nachfrage selbstkritisch: „Ja, da musste aufgeräumt werden und wurde kräftig aufgeräumt.“ Einzelheiten nennt er nicht, nur der Hinweis: Taka Hamaya kennt beide Seiten, war erst Marketingverantwortlicher der Europa-Organisation und leitet heute die Geschäfte in Deutschland mit den dazugehörigen Tochtergesellschaften in Dänemark, der Schweiz und Österreich, obendrein zeichnet er verantwortlich für Belgien und Russland. Bei soviel zusammengefasster Verantwortung ist es nicht möglich, dass einzelne Glieder der Organisation ihre separaten Wege gehen. Kurz nennt dies so: „Wir haben gelernt, uns die Bälle sehr zielgenau zuzuspielen.“
Yokohama will wachsen (siehe oben), dazu benötigt man Wachstumsmärkte, und Europa wurde als ein solcher definiert. Wenn analog zur Muttergesellschaft auch die Yokohama Reifen GmbH – wie in den letzten ein, zwei Jahren geschehen – ein Projekt nach dem anderen initiiert, dann muss sie das selbst finanzieren. Aufmerksamkeitsstarke Messebeteiligungen – so der im Herbst anstehende Auftritt auf der Automechanika, die in den letzten Jahren von den Reifenherstellern gemieden wurde und darum einen gewissen „Mut“ von Yokohama verlangte – gehören dazu. Kurz: „In aller Bescheidenheit kann man doch wohl sagen, dass wir zum Erfolg der Tuning World Bodensee beträchtlich beigetragen haben.“ Und wenn Yokohama mit der Teilnahme an der Automechanika wieder einen Trend auslöst und die vor Jahren von der Automechanika geschiedenen Reifenhersteller (Continental, Goodyear und Michelin waren ja mal mit Ständen vertreten) dazu bewegen könnte, über eine Rückkehr wenigstens nachzudenken, dann wäre das der Beleg dafür, dass die Entscheidung richtig war. Stein: „Wir wissen natürlich, dass die Automechanika weniger die Endverbraucher erreicht, aber das leistet unsere wichtigste Messe „Reifen“ ja auch nicht. Wir erhoffen uns gute Kontakte zu Entscheidungsträgern aus Fachhandel und Industrie und sehen die gute Verankerung der Tuningbranche in der Messe, die für unsere Positionierung im UHP-Segment sehr wichtig ist. Unsere Teilnahme an der Automechanika mag für manche ein Experiment sein, aber für mich ist es ein sehr vielversprechendes.“
Und tatsächlich ist schon aufgrund des Produktprogrammes die Tuningklientel für Yokohama von großer Bedeutung. Im Segment der UHP-Reifen sieht sich Yokohama in etwa auf dem gleichen Level wie eine Bridgestone, Dunlop, Goodyear, Michelin oder Pirelli. Und das setzt sich fort im Reifenfachhandel, wo Yokohama eher selektiv vertreten ist. Das heißt: An einem lokalen Markt kann man sich mit Reifen dieser Marke recht störungsfrei von preisaggressiven Wettbewerbern positionieren. Stein räumt ein, dass man sich diesen Status in den letzten Jahren auch unter Aufgabe einiger langjähriger Geschäftskontakte und damit von Absatzverlusten schwer und manchmal auch mit einem weinenden Auge erarbeitet hat. Denn Yokohama hatte entschieden, den Absatzkanal (überregionaler) Großhandel in seiner Bedeutung gewissermaßen abzustufen und dies damit begründet, dass so mancher dieser Kunden nicht die Qualität garantieren konnte, die Yokohama bei der Vermarktung erwartete.
Volumenverluste tun immer weh, immerhin konnten sie durch treue Kunden im traditionellen Einzelhandel (die als Wiederverkäufer die Großhandelsfunktion wenigstens teilweise fortsetzen) wenigstens teilweise kompensiert werden. Darüber hinaus könnte Yokohama – so gerne und so gut man auch mit vielen qualifizierten und völlig unabhängigen Einzelhändlern im deutschen Ersatzmarkt zusammenarbeitet –, auch für „Großkunden“ ein interessanter Partner sein, womit wohl ein Szenario gemeint ist, bei einer der Ketten oder Kooperationen zu einem Kernlieferanten aufzusteigen.
Der Yokohama-Vizepräsident bringt an dieser Stelle ins Spiel, dass Yokohama ein wirklicher Vollsortimenter und auch darum für Händler von Interesse ist, wenn er auch einräumt, dass es in dem ein oder anderen Segment Schwächen gibt, diese jedoch nicht bei der Dichte des Programmes: Im Pkw-UHP- und im Offroad-Segment mischt man ganz weit vorne mit. Bei Pkw-Standardreifen findet sich die in den letzten Jahren deutlich verbesserte Qualität des weitgehend erneuerten Sortiments (noch) nicht in der Preispositionierung wieder. Bei Lkw-Reifen (Stein: „Da kann man mit der Marke Yokohama als Händler Geld verdienen.“) soll der Ausbau der Produktionskapazität in Fernost die Möglichkeit eröffnen, aktiver als in der Vergangenheit zu werden. Bei EM-Reifen – dem derzeitigen weltweiten Kapazitätsengpass aller in diesem Segment vertretenen Hersteller schlechthin – kommen mittlerweile die Fahrzeughersteller direkt auf Yokohama zu und haben schon die Unternehmensentscheidung damit positiv beeinflusst, in neue Fertigungsanlagen für EM-Reifen zu investieren.
Rolf Kurz hat über den seit einigen Monaten amtierenden Yokohama-Vizepräsidenten Christian Stein gesagt, der solle „das Gesicht der Marke“ im deutschen Reifenersatzmarkt sein. Damit meint er, dass Stein im deutschen Reifenhandel über ein hohes Maß an Bekanntheit verfügt und in dem Ruf steht, besonders reifenfachhandelstreu zu sein. Dass dies auch immer eine Prämisse seines Handelns war, bestätigt Stein auch, aber er wolle auch ehrlich sagen, dass es Entwicklungen geben könne, ja aus seiner Sicht sogar geben werde, bei denen Händler diese Fachhandelstreue einfordern werden, sie sich aber nicht mehr in dieser Absolutheit aufrecht erhalten lässt. Gemeint ist: Das Geschäft mit Autohäusern läuft noch fast völlig an Yokohama vorbei. Sobald sich die erwarteten Erstausrüstungserfolge einstellen, werden die Automobilhersteller ihre Begehrlichkeiten artikulieren und wird auch eine Yokohama Reifen nicht umhin können, beispielsweise einen „Key Accounter Autohaus“ zu benennen oder einzustellen. Mit Erfolgen im Markt verändert sich ein Unternehmen, dieser Veränderungsprozess hat bei Yokohama schon eingesetzt.
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