Flagge zeigen – Yokohama-Produktpräsentation auf dem Hockenheimring
Man habe sich lange nicht mehr dem Fachhandel gezeigt, sagt Christian Stein, Vizepräsident für Verkauf und Marketing bei der Yokohama Reifen GmbH, und begründet damit eine recht aufwändige Produktpräsentation im Mai auf dem Hockenheimring mit mehr als hundert treuen Yokohama-Händlern. Einerseits mag dies in seiner Verantwortung gar nicht liegen, denn er selbst ist erst seit einigen Monaten dabei. Andererseits ist geradezu auffällig, dass man auf der Yokohama-Veranstaltung kaum diejenigen Reifenhändler trifft, deren Gesichter von Veranstaltungen anderer Reifenhersteller bestens vertraut sind. Die Erklärung liefert in gewisser Weise ein nach dem Anteil Yokohamas in seinem Geschäft befragter Händler: „99 Komma X Prozent.“ Weder in den Kooperationen noch in den bedeutenden Handelsketten ist die Marke nennenswert vertreten, dafür hat sie einige ganz treue Partner.
Als Veranstaltungsmotto hatte man „Yokohama neu entdecken“ gewählt – und das passt ja auch bestens zum aktuellen Anzeigenmotiv eines unter weißem Tuch weitgehend verborgenen Sportautos. Allerdings suggeriert der Untertitel „Zurück zu alter Stärke“ auch, dass das Unternehmen in den letzten Jahren auch einige unschöne Flecken auf dem Gewand zu verzeichnen hatte – im Wesentlichen fand dies Ausdruck in Form von Testergebnissen einigen Automobilzeitschriften, die wenig erfreulich waren. Man sei halt ehrlich und stehe auch zu Fehlern der Vergangenheit, meint denn darauf angesprochen Marketingleiter Rolf Kurz. Wichtig: Jetzt seien enorm viele Projekte angestoßen, herrsche im Unternehmen Aufbruchstimmung und vor allem: Jetzt stimmen die Produkte.
Dass ein ganz frischer Wind im Konzern herrscht, mag jener Meldung entnommen werden, die wenige Tage nach der Veranstaltung über den Ticker des Online-Dienstes der NEUE REIFENZEITUNG hinausging: „Der japanische Konzern und Reifenhersteller The Yokohama Rubber Co. Ltd. hat unter dem Titel „Grand Design 100“ einen 12-Jahres-Plan vorgestellt. Der beinhaltet ein Wachstum auf einen Umsatz von eine Trillion Yen (entsprechend ca. sieben Milliarden Euro), was mehr als einer Verdoppelung zum vergangenen Geschäftsjahr entsprechen würde. Das Gewinnziel wurde auf 100 Billionen Yen (also ca. 700 Millionen Euro) gesteckt, also zehn Prozent vom Umsatz.“
Der Konzern hat also viel vor, auch in Europa: Im Rahmen der Händlerpräsentation wurde nämlich bekannt, dass der japanische Reifenhersteller plant, in Europa im Jahre 2008 ein Werk für Pkw-Reifen zu errichten, vermutlich auch, um die diversen in Europa initiierten Erstausrüstungsprojekte mit Reifen aus Europa-Fertigung zu festigen. Einen genauen Standort wie auch detailliertere Angaben zum Umfang des Investitionsprojektes nannte das Management von Yokohama Reifen nicht.
Aber klar ist: Auch für Yokohama ist Deutschland ein Schlüsselmarkt, schon wegen der hier vertretenen Automobilhersteller, besonders die der Premiumklasse. Und damit ist nicht nur eine Fortsetzung der OE-Erfolge bei Porsche und bei der Volkswagen-Marke Bentley gemeint und auch nicht die enge Kooperation mit der Firma Brabus, die sich ja weniger als Veredler, sondern eher als Fahrzeughersteller versteht: Yokohama will sein produktseitiges Aushängeschild mit dem Familiennamen Advan („Sport“ für Pkw und „S.T.“ für SUVs) auf den hochwertigsten Fahrzeugen diverser renommierter Automobilmarken Europas sehen und wird dabei schon kurzfristig „Ross und Reiter“ nennen können, versprechen Stein und Kurz unisono. Die Flaggschiffe der Autohersteller sollen als Bereifungen die Flaggschiffe des Reifenherstellers erhalten.
Getunte und sportliche Hochleistungsfahrzeuge sind eine Yokohama-Domäne, dort misst man sich mit den renommierten Marken und sieht sich – auch preislich – auf Augenhöhe. Bezogen auf Reifen der Standardklasse, „womit bei uns alles unterhalb von Speedindex W gemeint ist“ (so Stein), allerdings findet sich die Marke im Wettbewerb mit Zweit- und Drittmarken großer Konzerne wieder und eher an der Unterkante des Mittelpreissegmentes – wenn überhaupt. Es gibt wohl kaum eine Marke im deutschen Reifenersatzmarkt, bei der die preisliche Spreizung zwischen den Höchleistungsreifen und den Bereifungen für Volumenfahrzeuge dermaßen ausgeprägt ist. Eine Feststellung, der denn auch weder von Stein noch von Kurz ernsthaft widersprochen wird.
Dabei, so Produktmanager Andreas Giese und der Leiter Technik und Tuning Wolfgang Schiwietz, hat man auch unterhalb der Advan-Familie durchaus die Hausaufgaben gemacht, der entsprechende Familienname lautet hier „drive“: Wobei der noch recht frisch im Markt positionierte „S.drive“ als sportlicher Reifen mit (demnächst) bis zu 20 Zoll, bis 35er Serie und bis zu Geschwindigkeitsbuchstabe „Y“ für 300 km/h Höchstgeschwindigkeit durchaus in die Sphären hineinreicht, die der Advan Sport für sich reklamiert. Eher ist die Positionierung am unteren Spektrum (185/55 R14V) aussagekräftig, verdeutlicht sie doch, dass auch Kompaktwagen und sportliche Roadster abgedeckt werden einer zwar an Fahrzeugveredlung interessierten, aber nicht so zahlungskräftigen Klientel. Dem „C.drive“ obliegt es, die rechte Mischung aus Sport und Komfort zu finden. Der ebenfalls noch recht jung im Programm Yokohamas geführte „A.drive“ ist – so Giese – „unser Brot-und-Butter-Reifen“. Er ist aber auch Ausdruck dafür, dass das japanische Unternehmen bemüht ist, aus der Tradition des Nischenanbieters (in Form von ausgefallenen Größen) auszubrechen oder – besser gesagt – darüber hinaus auch mit einer breiten Range sich dem Wettbewerb auf voller Breite zu stellen.
Auf der Veranstaltung am Hockenheimring wurde auch deutlich, was Yokohama nicht oder kaum ist: An dem aktuell lukrativen Markt für Baumaschinen kann die Yokohama Reifen GmbH nicht partizipieren, weil im fernen Japan die Kapazitäten für EM-Reifen nicht ausreichen. Und die angereisten Händler machten auch keinen Hehl daraus, dass sie sich mehr der Pkw- denn der Lkw-Reifenmarke Yokohama verschrieben haben. Der zur Händlertagung abgesteckte Offroad-Parcours erinnerte immerhin daran, dass Yokohama in der Nische Offroad (Förster etc.) zwar geradezu ein Geheimtipp und das Unternehmen durch die Geolandar-Palette eigentlich gut aufgestellt ist, aber eben auch etwas „im Verborgenen“ wirkt.
Yokohama ist zuallerst eine Pkw-Reifenmarke und hier speziell eine für die Tuningklientel. Wobei auf der Produktpräsentation natürlich die Vorzeige-Partnerschaft mit Brabus beschworen wurde und das Bottroper Unternehmen mit einer zwei Tonnen schweren S-Klasse der edelsten und leistungsfähigsten Art vertreten war und den Reifenhändlern demonstrierte, dass Luxus und ein hohes Maß an Sportlichkeit kein Widerspruch sein muss. Ein Renn-Leon aus der von Yokohama ausgerüsteten Rennserie Seat Supercopa mit professioneller Rennfahrerin, Drifttaxi Nissan 350 Z bzw. das Weltrekordfahrzeug im Driften (ca. 800 Mal im Kreis auf Yokohama!), diverse Porsche-Modelle … – Yokohama hatte schon einiges aufgeboten, um für Fahrspaß zu sorgen, aber auch zu dokumentieren, wofür das Unternehmen steht: „Dynamik, Sportlichkeit, Emotionen“ betont der Moderator auf der Veranstaltung und Rolf Kurz ergänzt: „Wir wollen auch der sympathische Reifenhersteller sein.“ Für den Bereich Tuning möchte Christian Stein für jede in Frage kommende Automarke einen entsprechenden Veredler vorweisen. Neben Brabus waren auf der Veranstaltung auch Novidem (vor allem Nissan) und Giacuzzo (vor allem Renault) vor Ort, Porsche-Veredler Gemballa ist traditionell der Marke Yokohama verbunden – dennoch, einige Lücken sind noch zu schließen.
Nicht nur bei der Tuningklientel, auch im deutschen Reifenfachhandel. Zwar hat die Bereinigung bei „großen Großhändlern“ in den letzten Jahren bedeutet, dass mancher störende Einfluss beseitigt wurde, andererseits hat das auch Volumen gekostet. Wer – wie die Ansage aus der Konzernzentrale zu verstehen ist – große Ziele hat, der wird sich auf Dauer nicht mit einer zwar sehr treuen, aber insgesamt eher kleinen Händlerschaft bescheiden können. Mit einer größeren Verankerung in der Erstausrüstung und dem sportlichen Engagement wird das Defizit der Marke – die eingeschränkte Bekanntheit – bereits bekämpft und so dafür gesorgt, dass sich langsam so etwas wie ein Nachlauf einstellt. Erste Erfolge sind sichtbar: Rund ein Viertel aller Teilnehmer beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring vertraut beispielsweise auf Yokohama – vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar. Auf vdem Hockenheimring wird Außenwerbung wie nie zuvor betrieben. Mit den Derivaten der AutoBild wird eine intensive Kooperation gepflegt. Auf der Tuning World Bodensee ist Yokohama der Platzhirsch; und wenn sich alle Reifenhersteller von der Automechanika zurückziehen, dann geht Yokohama gerade hin.
Doch noch kommen viel zu selten Verbraucher in die Verkaufsstellen und fragen gezielt nach Yokohama-Reifen. Der Weg für Stein, Kurz und ihren umtriebigen Geschäftsführer und Präsidenten Taka Hamaya ist noch lang, aber sie haben sich aufgemacht. Tuningmarke, Motorsportmarke, die sympathische Marke – Yokohama ist dabei, einen eigenständigen und unverwechselbaren Platz im Markt zu finden. Wer „99 Komma X“, pardon „Y“, verkauft, der schafft es auf schier unglaubliche Weise, erfolgreich „gegen den Markt“ zu arbeiten. Wie soll das erst werden, wenn „mit dem Markt“ verkauft wird?
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