Uniwheels errichtet vollstufiges Räderwerk in Polen
Die Uniwheels Production (Poland) Sp. z.o.o. entstand in den letzten fünf Jahren in Stalowa Wola, etwa siebzig Kilometer entfernt zur ukrainischen Grenze. Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von etwa 37 Millionen Euro wurde eine der gewiss modernsten Produktionsstätten für gegossene Pkw-Aluminiumfelgen in Europa errichtet. Mit der vor kurzem in Betrieb genommenen Vergütungsanlage ist die Fabrik vollstufig und als völlig neu konzipierte Anlage in jedem Bereich – von Schmelze und Gießerei über Bearbeitung und die auch in Bezug auf Umweltaspekte modernste derzeit im Markt verfügbare Lackieranlage (Lieferant Eisenmann) bis zur Verpackung – auf eine Jahreskapazität von 1,3 Millionen Einheiten ausgelegt.
Gesellschafter der United Wheels-Gruppe sind die Cousins Ralf und Michael („Mike“) Schmid. Ersterer ist für den kaufmännischen Part des Unternehmens zuständig und lenkt als Präsident des Verwaltungsrates die Firma Uniwheels aus dem schweizerischen Hünenberg. Dort wurde vor einigen Monaten die „Uniwheels Management (Switzerland) GmbH“ gegründet, die die Dinge verrichtet, die nicht mit den eigentlichen Kernaufgaben des jeweiligen Unternehmensbereiches zusammenhängen. So obliegt dem neuen Marketingleiter Harald Jacksties, in der Reifenbranche durch mehrjährige Tätigkeit für Yokohama in Deutschland und zuletzt in der Schweiz bekannt, das Marketing für die ganze Gruppe. Und dazu gehören die drei Felgenmarken Rial, Alutec und Anzio sowie das Komplettradgeschäft der Wheels24.
Wobei keineswegs gemeint ist, Synergien in der Hinsicht zu ziehen, dass einzelne Bereiche der genannten Marken zugunsten einer anderen zurücktreten sollen, sondern dass sie in ihren Eigenheiten gestärkt werden sollen. Eine Hauptaufgabe von Jacksties wird es sein, die Individualitäten dieser Marken herauszuarbeiten und ihnen Eigenständigkeiten zu geben. Uniwheels verfolgt eine klare Mehr-Marken-Strategie.
Ralf Schmid weist auf sein Prinzip hin, die Marken im Wettbewerb durchaus gegeneinander agieren zu lassen, womit dann vielleicht auch einmal gehören kann, gewisse Kannibalisierungen in Kauf zu nehmen. Diese dürften aber immer geringer werden, je schärfer das Profil der Marken wird und sie sich voneinander abgrenzen. Rial wird beispielsweise den motorsportlichen Bereich abdecken, auch eine Reminiszenz an die unvergessene Formel-1-Geschichte der Marke aus den Jahren 1988/89 und zugleich geradezu eine Einladung, hieran anzuknüpfen. Rial trifft im so genannten Highend-Bereich allerdings auch auf (Schwester) Alutec – die Marke, die Trends des Marktes aufgreifen („trendig sein“), „Lifestyle“ vermitteln und zur Alternative bei der Tuningklientel werden soll. Die noch recht junge Marke Anzio – vermarktet als Kompletträder (überwiegend mit den Reifenmarken Pirelli, Kumho und Pneumant bestückt) oder als Einzelfelgen – wurde als „Hausmarke“ für Wheels24 kreiert und findet überwiegend im preissensitiven Teil des Marktes ihre Positionierung. Eine Formulierung „Premium“ taugt laut Jacksties allerdings nicht so recht zu einer Abstufung der Marken untereinander, weil sie nicht dem Vollsortimenteranspruch gerecht wird, der für Rial und Alutec schon gilt und für Anzio aufgebaut wird. Jede der drei Marken wird über Designs verfügen, die auf Premiumautos verbaut werden können. Wobei Schmid für Wheels24/Anzio – ca. 20.000 Kompletträder in 2005 vermarktet – auch aufgrund der unverändert hohen Wachstumsraten das größte Potenzial sieht.
Aus Polen nach Europa
Als Verantwortlicher für den produktionstechnischen Bereich verbringt Michael Schmid knapp neunzig Prozent seiner Arbeitszeit in Stalowa Wola. Obwohl das Werk „jetzt steht“, bereits im letzten Jahr einen Output von mehr als 1,1 Millionen Einheiten hatte und für 2006 mehr als 1,2 Millionen Felgen projektiert werden, dürfte dieser zeitliche Aufwand in der nächsten Zeit kaum geringer werden. Denn im letzten Jahr ließ die Gruppe auch bei einem türkischen Hersteller (Döktas) und zwei weiteren in direkter polnischer Nachbarschaft (ATS und Federal Mogul, seit einigen Wochen Teil der RH-Gruppe) in größerem Umfang Räder herstellen. Kapazitätserweiterung ist also bereits ein Thema, noch bevor das neue Werk überhaupt alle Ressourcen ausgeschöpft hat. Wie es bei einer neuen Fabrik auch sein sollte, gibt es an keiner Stelle der Räderwerdung einen gravierenden Engpass bzw. einen „Flaschenhals“. Wobei offensichtlich der Spagat zwischen optimierter Auslastung (wird im Allgemeinen durch hohe Losgrößen erreicht) und einem hohen Maß an Flexibilität, die reine Erstausrüstungsfabriken eben nicht gewährleisten können, gelungen scheint: Vor kleineren Chargen haben die Produktionsverantwortlichen um Michael Schmid keine Bange. Dennoch wird bereits heute akribisch gefahndet, wo mit mehr oder weniger Aufwand die Kapazität noch über die angepeilten 1,3 Millionen Räder jährlich gehievt, der Prozess also noch weiter optimiert werden kann. Beispielsweise ist im Bereich der Lackiererei noch Raum verfügbar, hat Uniwheels ein großes Nachbargrundstück für sich reservieren können und wird auch nach Möglichkeiten gesucht, die Taktzeiten gegebenenfalls noch zu verkürzen.
Allerdings: Der Branchenvergleich mit derzeit 15 Gießautomaten (davon einer eigentlich nur zur Bemusterung) zeigt, dass in der Gießerei – nach europäisch führendem Standard ausschließlich Niederdruckverfahren – Uniwheels schon am oberen Limit angekommen ist. Auch wird in vier Schichten an sieben Tagen in der Woche in den meisten Abteilungen gearbeitet. Lediglich im Hochsommer wird die Fertigung für kurze Zeit zu Wartungsarbeiten eingestellt. Bis auf den Werkzeugbau (aber auch darüber wird nachgedacht) ist Uniwheels ein völlig autarker Anbieter.
Hatte Ralf Schmid früher eine starke Internationalisierung betrieben, so beschränkt sich heute das außereuropäische Exportgeschäft weitgehend auf Japan und Nordamerika, aber auch dort nur solange gewährleistet ist, dass man Geld verdiene. Rial ist zu einem europäischen Spezialisten des Ersatzmarktes für Aluminiumgussfelgen geworden. Hergestellt werden außer den Eigenmarken in gewissem Umfang auch Felgen für die Zubehörschienen von Automobilherstellern (Votex und japanische Automarken), wobei Schmid dies keineswegs als eine „Vorstufe“ zur Erstausrüstung verstehen will, denn das ist nicht das Uniwheels-Metier. An ein Aufgeben dieses Bereiches denkt er allerdings auch nicht, gewährleistet doch beispielsweise die Votex-Geschäftsbeziehung, immer auf dem neuesten Stand hinsichtlich der anspruchsvollen Erstausrüstungsanforderungen zu bleiben. Denn Uniwheels ist zwar kein Erstausrüster, legt aber Wert darauf, nach Erstausrüstungsbedingungen zu produzieren. Und hilft übrigens dem gegenüber der Straße angesiedelten großen Erstausrüster ATS auch einmal aus, wenn es bei dem „kneift“, was dann allerdings keine Einbahnstraße ist. „Eine Hand wäscht die andere, ganz unbürokratisch“, sagt Joachim Jersch, der Technische Direktor. Und sein kaufmännischer Kollege Ryszard Piotr Gongor freut sich, dass ein italienischer Erstausrüster (Toora), der ebenfalls Räder in der Region fertigt, die Auslastung der Lackieranlage gewährleistet. Eines hat Uniwheels mit den bedeutenden Erstausrüstern gemein: Über die Qualität muss man nicht lange reden, die ist selbstverständlich.
Faktor Zeit als Unternehmensprinzip
Im Raum Stalowa Wola ist in den letzten Jahren ein Zentrum der europäischen Aluminiumgussfelgenindustrie entstanden. An qualifizierten Arbeitskräften ist im Prinzip kein Mangel, auch wenn die Fluktuation geringer sein könnte. Die wirtschaftlichen Boomregionen Polens sind woanders (z. B. Posen, Stettin), dennoch trägt die gute Beziehung, die Uniwheels zur Bevölkerung, lokalen Sportvereinen (auch mal als Sponsor) usw. hat, dazu bei, dass der Schweizer Arbeitgeber mit deutschen Wurzeln in der Region geschätzt ist und einen guten Ruf hat – das gilt nämlich nicht unbedingt für alle ausländischen Unternehmen, die in der Region angesiedelt sind. Dass die Aufstockung des Personals von jetzt 336 Personen in dem Werk auf 350 in den nächsten Wochen kein Problem sein wird, da ist man sich gewiss.
Für Ralf Schmid ist der Standort im Südosten Polens nicht nur wegen erstens genügend und zweitens gut ausgebildeter und arbeitswilliger Menschen ideal, auch das für westliche Standards recht bescheidene Lohnniveau ist nicht das Hauptkriterium. Vielmehr spielt der Faktor Zeit in seinen Überlegungen immer wieder eine dominante Rolle. Das beginnt beim dahingehend optimierten Fabriklayout, reicht über die schnellstmögliche Anreise aus der fernen Schweiz und beinhaltet auch die Nähe zu den mit ständig 200.000 bis 300.000 Rädern bevorrateten Logistikzentren (überwiegend in Fußgönheim im vormaligen „Mekka der europäischen Alufelgenbranche“, der Region Mannheim), aber vor allem den Zeitvorsprung, den Uniwheels vor Fernostanbietern hat. In ca. 48 Stunden sind in Stalowa Wola gefertigte Alus nach Deutschland transportiert. Eine ausgefeilte Logistik sorgt für den schnellstmöglichen Weitertransport zu den Kunden, womit im Falle der Uniwheels-Marken überwiegend Großhändler gemeint sind. Uniwheels fühlt sich dem Autoteile- und speziell dem Felgengroßhandel verbunden wie kaum ein anderer Anbieter.
Die „United Wheels-Gruppe“ hat gut siebzig Millionen Euro Umsatz in 2005 (konsolidiert) verbucht. Die grobe Aufteilung laut Schmid: Etwa 50 Prozent entfallen auf die „Keimzelle“ der Gruppe Rial, ein Viertel auf Alutec, das verbliebene Viertel teilen sich Anzio, Wheels24, die Fremdkunden (also vor allem Votex) und einige andere kleinere Aktivitäten. Aktuell werden etwa 435 Mitarbeiter in der gesamten Organisation beschäftigt. Mit den geschaffenen Strukturen und vor allem dank des neuen Werkes ist Uniwheels im europäischen Ersatzgeschäft zu einer festen Größe geworden. Dies verführt Schmid und sein Team allerdings nicht, auf dem Erreichten verharren zu wollen. Neue Wege sollen beschritten werden, völlig neue Geschäftsideen werden geboren und sollen realisiert werden. Aus der Masse der Teilnehmer des Ersatzmarktes hebt sich Uniwheels bereits jetzt hervor, der Begriff wird allerdings für Endverbraucher im Hintergrund bleiben, die Leuchttürme werden die Namen Rial, Alutec und Anzio tragen.
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