Wennemer gegen „regional begrenzte Gewissensfrage“
Einem Interview der Zeitung Die Welt zufolge dürfe die Gewissensfrage, die sich Vorstände internationaler Konzerne bei der Personalplanung stellten, „nicht regional begrenzt“ sein. Der Vorstandsvorsitzende der Continental AG sagte weiter, es reiche daher nicht aus, wenn das Unternehmen bei Entscheidungen wie jetzt zur Schließung der Pkw-Reifenproduktion im Stammwerk „die 30.000 deutschen Beschäftigten oder die 320 Mitarbeiter in Stöcken hinter sich hat“. Was der Chef des Konzerns mit den weltweit 80.000 Mitarbeitern derzeit in Deutschland erlebe, sei daher „der Sturm im Wasserglas“. International interessiere das Thema Stöcken niemanden, so Wennemer weiter in dem Interview.
Der Vorstandsvorsitzende rechtfertigt die Entscheidung der Konzernführung zur Schließung der Pkw-Produktion in Hannover-Stöcken nach wie vor. Fakt sei: „Das Thema ist politisch aufgebauscht. Auch wenn ich mich wiederhole: Dieser Aufschrei der Entrüstung ist das Ergebnis einer lokalen Moral.“ Wennemer macht eine „gewerkschaftspolitisch geschürte Angst“ sowie eine über Jahre fehlerhafte Standortpolitik in Deutschland dafür verantwortlich, dass jetzt versucht werde, „Buhmänner aufzubauen, um sich am Ende des Tages von der Globalisierung abzukapseln. Das ist ein Trugschluss. Deutschland kann sich als Exportweltmeister nicht von der Globalisierung abkapseln.“
Wennemer gestand in dem Interview aber gleichzeitig ein, „ob wir notwendige Themen nicht offensiver angehen müssen“, fügte aber hinzu, das politische Klima in Deutschland lasse die Umsetzung notwendiger Reformen nicht schnell genug zu. Durch die anhaltende Kritik versuche die Politik nun „Sündenböcke für eigene Fehler“ zu suchen.
Darüber hinaus sieht der Conti-Vorstandsvorsitzende die Zukunft lohnintensiver Produktionen in Deutschland skeptisch, heißt es in Die Welt weiter: „Deutschland muss sich wieder auf seine Stärken besinnen. Unsere Wettbewerbsvorteile liegen in Innovationen, in Tätigkeiten, die viel Akribie erfordern, die sicherheitsrelevant sind, wie etwa bei der Continental zum Beispiel bei der Entwicklung von Reifen und Bremssystemen. Fatalerweise haben wir andere Gebiete, die uns auf den Leib geschneidert sind, bereits weitgehend kampflos abgegeben: Die Kernkraftkompetenz an die Franzosen, die Gentechnik an die Amerikaner und Asiaten. Auch bei der Ausbildung müssen wir uns ins Zeug legen. Vor allem aber müssen wir wieder viel mehr arbeiten.“ Für Fertigungsprozesse mit geringem Lohnanteil sehe Manfred Wennemer keinen Grund, warum diese ins Ausland verlagert werden sollten.
Der Vorstandsvorsitzende plane gleichzeitig die konzernweite Einführung der 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. Wennemer sagte, „unsere Mitarbeiter verdienen gutes Geld, deshalb können wir auch genauso viel arbeiten wie der Rest der Welt.“ Auch beim Thema Urlaub sieht er in den nächsten drei bis vier Jahren deutlichen Spielraum: „Dann muss man prüfen, ob die Rahmenbedingungen insgesamt besser geworden sind. Sind sie es nicht, muss man womöglich weiter an der Arbeitszeit als der wichtigsten Schraube drehen, die die Sozialpartner direkt selber beeinflussen können. Das muss nicht zu einer 42-Stunden-Woche führen. Es kann auch bedeuten, nicht mehr sechs Wochen Urlaub zu haben. Es könnten eventuell auch fünf oder vier Wochen reichen. Wenn wir im globalen Wettbewerb bestehen wollen, müssen wir vergleichbare Regeln haben.“ Wennemer zufolge sei Deutschland nicht das Land der Seligen, in dem niemand arbeiten muss und es dennoch allen gut geht.
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