Der A1 Grand Prix
Vor gut einem Jahr wurde bekannt, dass die US-Reifenmarke Cooper auf den 25 Wettbewerbsfahrzeugen der neuen Rennserie „A1 Grand Prix“ verbaut wird. Die außer in Nordamerika wenig beim Verbraucher bekannte Marke hatte mit der Rennsportbehörde Fédération Internationale de l’Automobile (FIA), dem weltweit bei den größten Rennserien verantwortlichen Motorsportverband mit Sitz in Paris (Verwaltung in Genf), Ende September 2004 einen Exklusivvertrag über die Ausrüstung der Fahrzeuge für drei Saisons geschlossen, von denen die erste seit einigen Wochen läuft. Ob sich dieser „Grand Prix of Nations“ (Weltmeisterschaft der Nationen, für Deutschland am Start Timo Scheider, gemanagt von Schumacher-Manager Willi Weber) langfristig etablieren kann, mag derzeit noch ungewiss sein, dass die teilnehmenden Partner an den Erfolg glauben, wird dadurch belegt, dass sie sich überhaupt auf dieses Investment eingelassen haben. Die NEUE REIFENZEITUNG sprach nach den beiden Auftaktrennen mit dem Marketing- und Motorsportdirektor von Cooper-Avon Julian Baldwin über die Beteiligung seines Unternehmens generell und der Auswahl der Marke Cooper als Wettbewerbsreifen im Besonderen.
Aus der Marketingperspektive betrachtet, könnte – ist Baldwin überzeugt – die neue Rennserie für Coopers globale Ambitionen gar nicht besser sein. Denn das Unternehmen Cooper konzentriert sich erst seit dem letzten Jahr fast vollständig auf den Reifenbereich nach dem Verkauf anderer Unternehmensteile und ist bis dato zwar eine sehr respektierte, aber weitgehend nur in Nordamerika im Ersatzgeschäft bekannte Reifenmarke. Mit einer Beteiligung an einem koreanischen Reifenhersteller (Kumho) sowie mehreren Jointventures mit taiwanesischen/chinesischen Partnern bzw. Beteiligungen (Kenda, Hangzhou Zhongce, Shandong Chengshan) hat sich Cooper aufgemacht, eine gewichtige Rolle auf dem Weltmarkt einzunehmen. „Cooper ist die Weltmarke“, sagt auch Baldwin. Und damit war die Entscheidung gefallen, dass die zweite Marke Avon nicht als A1-Bereifung in Frage kommen würde, obwohl dieser im Jahre 1997 von Cooper übernommene britische Reifenhersteller eine lange Rennsporttradition hat (vor allem Formel 3000, F3, Formel Ford) und vor Jahrzehnten sogar Formel-1-Teams ausgerüstet hatte (March). Und Avon hat nach wie vor eine erfahrene und respektierte Rennsportabteilung und produziert die Rennreifen auch im britischen Werk Melksham (Wiltshire).
Dort werden auch die Reifen mit der Aufschrift „Cooper A1 Grand Prix“ hergestellt, die im A1 Grand Prix auf allen Fahrzeugen montiert werden. Die Marke Avon (obwohl inzwischen auch in Nordamerika eingeführt) wird als „britisch-europäische Marke“ verstanden, die gleichwohl ihre Rennsporttradition fortsetzen soll in diversen Serien wie der Formel 3000.
Nach Einschätzung von Julian Baldwin liege die Technologie der jetzt von Cooper für die A1 GP zur Verfügung gestellten Reifen „nicht weit von der Formel 1“ entfernt, sei aber ein signifikanter Schritt nach vorne in Bezug auf die Technologien bisheriger Formel-3000-Reifen und die anspruchsvollste Entwicklungsaufgabe für Reifen in der Unternehmensgeschichte gewesen. Wobei man die Formel 1 nicht als Wettbewerb zur A1 verstehe, gleichwohl werden immer wieder Vergleiche herangezogen. Für den Motorsportchef von Cooper ist in diesem Zusammenhang der Einsatz in der A1 der sinnvollere, weil man nicht so viel Geld investieren müsse (sowohl bei Bridgestone als auch bei Michelin spricht man von Jahresbudgets in der Höhe von jeweils ca. hundert Millionen US-Dollar) und trotzdem viel herausziehen könne: das Verhältnis von eingesetztem Kapital und dem Nutzen sei einfach besser.
Auch in der Hinsicht, dass man einen wesentlich besseren Transfer von der Rennstrecke zu den Straßenreifen habe, verweist Baldwin auf die Nässereifen, mit denen man beim Racing die Lücke zwischen den Zeiten für Trockenreifen (Slicks sind hier erlaubt) und den profilierten Laufflächen bei Regen verringern konnte. Und die hierbei gewonnenen Erkenntnisse hat Cooper auch in die Entwicklung von Straßenreifen einfließen lassen. Bei diesen Reifen seien die Transfermöglichkeiten – Baldwin nennt dies einen „Dialog“ – von der Rennstrecke zu Straßenreifen wesentlich größer als zum Beispiel in der Formel 1. So habe eine Entwicklungsprämisse nicht darin gesehen, unbedingt die „schnellsten Reifen“ zu kreieren, sondern insgesamt Reifen mit der höchsten Performance, womit denn auch andere Kriterien gemeint sind wie Grip oder Haltbarkeit.
Mit der Reifengröße und der Anzahl der zur Verfügung gestellten Reifen im A1 Grand Prix hat sich der Exklusivausrüster innerhalb des Reglements zu bewegen. Das bedeutet, dass die Reifengröße 370/660 R13 zum Einsatz kommt und für jedes der 25 Fahrzeuge fünf Reifensätze mit Slick- und zwei Reifensätze mit Rillenprofil für nasse Fahrbahnbeläge zur Verfügung gestellt werden. Alle teilnehmenden Teams erhalten identische Reifenmischungen an die Hand. Im Vorfeld der Rennserie hatte es übrigens ausgiebige Reifentests in Snetterton/Großbritannien, Jerez/Spanien und Italien auf einem Zytek-motorisierten Lola mit den Piloten Ralph Firman und Stephen Watson gegeben, bis sich die passende Bereifung herauskristallisiert hatte. Aufgrund der vorliegenden Erfahrungen und der zur Verfügung stehenden Daten hatte man damals Reifensätze bis zu 16 Zoll getestet, bis man das richtige Paket für die 550-PS-Fahrzeuge gefunden hatte. An die Strecke bringt Cooper etwa tausend Reifen pro Wochenende, die für die beiden jeweils stattfindenden Rennen (Sprint und Hauptrennen) ausreichen. An Personal sind sechs Monteure und drei Techniker im Einsatz, das ist – verglichen mit einigen anderen Rennserien – durchaus übersichtlich.
Zu Coopers globaler Strategie passt es vorzüglich, dass zum Beispiel China (Finale in Shanghai am 2. April 2006 in der laufenden Saison) ein Austragungsort ist, denn gerade in diesem Wachstumsmarkt gibt Cooper besonders viel Gas und strebt eine führende Position im Markt an. Und auch Julian Baldwin bestätigt, dass das Unternehmen stark auf die sich entwickelnden Märkte fokussiert ist. (Europa gilt hingegen eher als „gesättigter Markt.) Genannt seien ferner Südafrika, Brasilien und Mexiko, alles Märkte, in denen die A1 eine Visitenkarte abgibt und die Entwicklungspotential für die Marktbearbeitung verheißen. Insgesamt finden in dieser Auftaktsaison „zwischen den F1-Terminen von 2005 und 2006“ 24 Rennen an zwölf Terminen auf zwölf Strecken statt.
Wieviel Cooper für dieses Engagement bezahlt, ist nicht bekannt. Dass es einen hohen Stellenwert für das Unternehmen hat, bewies der Cooper-Präsident Tom Dattilo mit seiner Anwesenheit beim Saisonauftakt. Wenigstens genauso aussagefähig ist die Tatsache, dass auch andere Reifenhersteller sich für ein Engagement inzwischen interessieren und die Entwicklung des A1 GP sorgsam beäugen (man spricht beispielsweise von Pirelli). Julian Baldwin weist auch darauf hin, dass sich sein Unternehmen weniger als „Reifenlieferant der Serie“ versteht, sondern eher als ein „Partner, der Lösungen liefert“. Und übrigens wird das auch von den Veranstaltern gewürdigt. So musste man nicht lange nach dem rechten Ort suchen, auf dem der A1 Grand Prix dem amerikanischen Publikum vorgestellt und schmackhaft gemacht wurde: auf dem Cooper-Messestand anlässlich der SEMA Show in Las Vegas vor einem Jahr.
Die ersten Rennen waren bezogen auf die Besucherfrequenz durchaus vielversprechend. In Brands Hatch kamen 76.000, auf den Lausitzring immerhin 34.000 Motorsportfans, und beispielsweise das ZDF trug dazu bei, dass die neue Rennserie in den Köpfen der Verbraucher langsam verankert wird. Wobei für Cooper noch darauf hinzuweisen ist, dass das Unternehmen sein Logo immerhin auf jeder Seitenwand aller vier Reifen von jedem der 25 Fahrzeuge platziert. Das sollte dafür sorgen, dass den Verbrauchern und hier speziell den motorsportinteressierten ins Bewusstsein dringt, dass es sich bei Cooper um eine Reifenmarke handelt. Und genau das ist ein Ziel im Motorsport: Markenbekanntheit erst einmal zu erlangen, dann zu verbessern und schließlich das Engagement zum Aufpolieren des Image zu nutzen.
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