„Der Name ist neu – die Tradition ist geblieben“
Am 8. September feierte die Harburg-Freudenberger Maschinenbau GmbH ihr 150-jähriges Bestehen am Standort Hamburg-Harburg. Neben langjährigen Kunden und Zulieferern waren Begleiter aus der langen und wechselnden Geschichte des Werkes und der Konzerne sowie Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Handel und Wissenschaft eingeladen. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust war ebenso mit dabei wie sein Wirtschaftssenator Gunnar Uldall oder Uwe Lüders, Vorstandsvorsitzender des Lübecker Mischkonzerns Possehl, zu dem die Harburg-Freudenberger Maschinenbau GmbH, die mit weltweit rund 1.050 Mitarbeitern im zurückliegenden Geschäftsjahr 2003/2004 einen Umsatz von 150 Millionen Euro erzielen konnte, seit März diesen Jahres gehört.
Für das Geschäftsjahr 2004/2005 erwartet Frank Horch, Vorsitzender der Geschäftsführung, sogar noch eine weitere Verbesserung. „In diesem Jahr konnten wir Auftragseingänge im Wert von über 170 Millionen Euro verzeichnen, und auch was Umsatz und Gewinn angeht, haben wir noch einmal zugelegt. Wenn wir Ende September unsere Bilanz vorlegen, werden dies die besten Zahlen unserer Firmengeschichte sein“, so Horch bei der Begrüßung der zahlreichen Jubiläumsgäste in der für die Feier festlich dekorierten Produktionshalle 5 am Standort Harburg. Besonders hob Horch zudem hervor, dass man heute fast 20 Prozent mehr Mitarbeiter beschäftige als 1999. „Eine in Deutschland nicht allgemeine Entwicklung“, wie er betonte. Zumal das Unternehmen – insbesondere was die jüngere Vergangenheit betrifft – nicht gerade von besonders ruhigen Jahren sprechen kann.
Denn die Zeit vor der Übernahme des zuvor unter dem Namen ThyssenKrupp Elastomertechnik firmierenden Unternehmens durch die Possehl-Gruppe war Horchs Worten zufolge durchaus problematisch. „Angst, Unsicherheit und mangelnde Zukunftsperspektiven sind für das operative Geschäft von großem Nachteil“, so der Vorsitzende der Geschäftsführung in einem Interview. Insofern sei man froh, dass nach der Suche eines „Best Owner“ für das Unternehmen durch die ehemalige Konzernmutter Thyssen Krupp die Wahl auf Possehl gefallen und die Traditionsfirma nicht „Heuschrecken“ in die Hände gefallen sei. „Ich möchte mich dafür bedanken, dass man sich bei Possehl für das Unternehmen und seine Standorte entschieden hat“, sagte Horch.
Die durch den Verkauf notwendig gewordene Umfirmierung dürfte die Harburger nicht weiter gestört haben, ist man an diesen Vorgang doch schon mehr oder weniger gewohnt. In seiner 150-jährigen Geschichte trug das Unternehmen schließlich nicht weniger als zehn unterschiedliche Firmenbezeichnungen. Dabei legt man Wert auf die Feststellung, dass seit der Gründung des Werkes im Jahre 1855 durch German Julius Koeber auch aufseiten des Lieferangebotes der Maschinenbauer stets mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung Schritt gehalten habe. Unter dem Namen Koebers Eisenhütte produzierte das Werk im Hamburger Stadtteil Harburg ganz am Anfang nämlich Walzwerke und Gussstahl, doch schon bald fertigte es das erste Gummiwalzwerk und spezialisierte sich 1890 auf Maschinen für die Verarbeitung von Ölsaaten und Gummi. Bereits 1908 erhielt die Firma eine erste Auszeichnung für eine schwenkbare Öldrehpresse.
Das Warenzeichen HEB (Harburger Eisen- und Bronzewerke) entstand 1910 durch den Zusammenschluss der drei Betriebe Koebers Eisen- und Bronzewerke, Harburger Eisenwerke AG und der Maschinenfabrik Eddelbüttel. In den 50er-Jahren schließlich hat der Krupp-Konzern seinen Anteil an dem Hamburger Unternehmen auf 100 Prozent aufgestockt. Als 1998 die beiden Stahlunternehmen Thyssen und Krupp fusionierten, hatte das auch Einfluss auf den Namen des Harburger Werkes, das zuletzt als ThyssenKrupp Elastomertechnik GmbH bekannt war. Im Frühjahr 2005 übernahm dann der Lübecker Mischkonzern Possehl den Maschinenbauer. Seither firmiert das Unternehmen unter dem Namen Harburg-Freudenberger Maschinenbau GmbH.
Mit der neuen Bezeichnung wird auf die beiden Hauptstandorte in Harburg und Freudenberg angespielt – jedoch gehören unter dieses Dach darüber hinaus noch die beiden weiteren Produktionsstandorte in Belisce (Kroatien) sowie Topeka (USA). Das heute bearbeitete Geschäftsfeld deckt die Produktion, Installation und Wartung von Maschinen und Anlagen für die gummiverarbeitende Industrie ab. Zum Produktportfolio gehören dabei insbesondere Gummimischanlagen, Extruder, Reifenaufbaumaschinen und Reifenheizpressen. „Damit sind wir weltweit der einzige Anbieter, der mit seinen Maschinen sämtlichen Bereiche der Reifenfertigung abdecken kann“, hob Horch nicht ohne Stolz hervor. Zum weiteren Produktspektrum der Harburg-Freudenberger Maschinenbau GmbH gehören des Weiteren noch Maschinen und Apparate zur Herstellung und Veredelung von Speiseölen sowie Schneckenpressen zur Entwässerung von Kautschuk.
Das Harburger Werk hat in seiner 150-jährigen Geschichte großen Einfluss auf die Herstellung von Reifen und technischen Gummiwaren sowie von Speiseölen und Fetten pflanzlichen und tierischen Ursprungs ausgeübt. Zu den Meilensteinen aus dem Bereich der Kautschuktechnik gehören unter anderem beispielsweise die Vorstellung der ersten hydraulischen Pkw-Reifenheizpresse auf der Hannover Messe (1972) bzw. der ersten einstufigen Reifenaufbaumaschine „Typ P1+2“ auf der Messe „K“ in Düsseldorf (1984), die Markteinführung der Säulenreifenheizpresse anlässlich der Tire Technology Expo in Hamburg (1999) oder die Markteinführung der ersten Bodenreifenaufbaumaschine „PLT 3-23 plus“ im vergangenen Jahr. „Wir verstehen uns als Partner und Impulsgeber für die Gummi und Ölsaaten verarbeitende Industrie“, so der Vorsitzende der Geschäftsführung.
Bezogen auf den freien Markt für Maschinen und Ausrüstungen zur Reifenfertigung – einige Reifenhersteller entwickeln und bauen nach wie vor eigene Maschinen (siehe Tabelle) – reklamiert Harburg-Freudenberger seinen Worten zufolge heute alles in allem einen Marktanteil von 25 Prozent für sich. Besonders Stolz ist man in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung im Bereich der Reifenheizpressen. „Mittlerweile haben wir einen Auftragseingang von in diesem Geschäftsjahr rund 50 Millionen Euro und einen Marktanteil von sogar fast 30 Prozent, obwohl wir da 1994 bei null angefangen haben“, erklärte Horch. „Unsere stabilen und produktionssicheren Maschinen sind dabei ein wichtiger Erfolgfaktor. Unsere sehr engagierte und gute Mannschaft an Mitarbeitern aber ein mindestens ebenso wichtiger“, ergänzte er.
Um die positive Entwicklung der zurückliegenden Jahre auch in der Zukunft fortschreiben zu können, werden alle Mitarbeiter an den Standorten Hamburg-Harburg (430) und Freudenberg (220) in ein so genanntes Ergebnissicherungsprogramm 2010 eingebunden. Gemeinsam sollen dabei Ideen entwickelt werden, die helfen, langfristig im Wettbewerb bestehen zu können. „In diesem Rahmen wollen wir Optimierungspotenziale in allen Bereichen ausloten. Das Ganze basiert auf der einfachen Erkenntnis, dass es in guten Zeiten halt mehr zu verteilen gibt und in schlechten Zeiten weniger. Ziel dieses Ergebnissicherungsprogramms ist es, gewissermaßen für jedes der beiden Szenarien eine Strategie bzw. einen Plan zu erarbeiten und bereitzuhalten, um auf die jeweiligen Bedingungen entsprechend vorbereitet zu sein“, führte Horch aus.
Gemeint sind damit Themen wie flexible Arbeitszeiten, optimierte Maschinenlaufzeiten, Lebensarbeitszeitkonten usw. Wie Betriebsratchef Hartmut Menn bestätigt, zieht hier die gesamte Belegschaft an einem Strang, denn sie sei aktiv in die Entscheidungsprozesse des Unternehmens mit eingebunden. „Wer hier arbeitet, tut dies gerne“, wusste Horch wohl auch nicht zuletzt deshalb zu berichten, und Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall ließ in seinen Grußworten keinen Zweifel darüber aufkommen, dass dies sicherlich mit ein Verdienst Horchs selbst sei. „Wenn Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung eingebunden sind, ergibt sich immer ein besonderes Vertrauensverhältnis wie hier im Werk Harburg“, so Uldall, der Horch auch dafür dankte, dass er „für Phoenix-Mitarbeiter die Tür geöffnet“ habe.
Und für Uwe Lüders, Vorstandsvorsitzender des neuen Mutterkonzerns, ist nicht nur dies ein Zeichen dafür, dass sich die Harburger – wie die Possehl-Gruppe nach eigenem Selbstverständnis übrigens auch – einem „hanseatischen Wertesystem“ verbunden fühlen. „Vielleicht passen wir deshalb so gut zusammen“, vermutete Lüders. Wobei natürlich nicht gemeint sein kann, dass die Anfang März diesen Jahres, aber mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Oktober 2004 abgewickelte Übernahme nur aus reiner Nächstenliebe vonstatten gegangen ist. Von diesem Schritt verspricht sich die Possehl-Gruppe nämlich nicht nur Wachstum an sich, sondern eigenen Angaben zufolge vor allem auch eine deutliche Steigerung ihrer Ertragskraft.
Aber auch das kann ja nur im Sinne der Mitarbeiter bei Harburg-Freudenberger sein. Die haben das 150-jährige Bestehen „ihres“ Werkes in Harburg übrigens zusammen mit ihren Angehörigen am 9. September in Form einer großen Jubiläumsparty gefeiert. Durch das Programm beider Tage führte die bei dem privaten TV-Sender Hamburg Eins moderierende Anna Heesch.
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