Bleiverbot: Umsetzung abgeschlossen?
Zum 1. Juli dieses Jahres ist es amtlich: Bleihaltige Auswuchtgewichte dürfen an Pkw und Llkw nicht mehr verbaut werden. Nachdem ursprünglich viel über die möglichen negativen Auswirkungen der so genannten „Altautorücknahmeverordnung“ diskutiert worden ist, scheint sich die Reifenbranche mittlerweile mit der neuen Situation arrangiert zu haben. Auch die Hersteller und Zulieferer haben längst die notwendigen Konsequenzen aus den neuen Rahmenbedingungen gezogen. Die Frage ist derzeit nur: Worauf ist während der „heißen Phase“ der Umstellung zu achten?
Von besonderer Bedeutung in der jetzigen Zeit der Materialumstellung ist natürlich die Lagerhaltung. Im Reifenfachhandel, bei den Zulieferern wie auch bei den Herstellern bleihaltiger Auswuchtgewichte macht man sich Gedanken darüber, wie mit etwaigen Restbeständen umzugehen. Im schlimmsten Fall kann ein zu hoher Lagerbestand dazu führen, dass Blei- und bleihaltige Auswuchtgewichte für Pkw und Llkw bis 3,5 Tonnen Gesamtlast nur noch einen Schrottwert haben – von um die 350 Euro pro Tonne ist die Rede, die am Ende noch vom Warenwert übrigbleiben.
Beim Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk in Bonn ist man unterdessen überzeugt davon, dass die laufende Materialumstellung kaum jemand auf dem falschen Fuß erwischt: „Die Branche hat sich vom Grundsatz her umgestellt“, erklärt der neue BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. Seitdem vor knapp zwei Jahren Bleiauswuchtgewichte bei Pkw und Llkw nicht mehr in der Erstausrüstung verbaut werden durften, hat der BRV immer wieder öffentlich den Reifenfachhandel darauf hingewiesen, dass Handlungsbedarf besteht. Wer also bis heute sein Warenbestandsmanagement nicht auf den neuen, ab dem 1. Juli 2005 geltenden, gesetzlichen Rahmen eingestellt hat, wird mittlerweile kaum mehr Möglichkeiten haben, noch zu reagieren.
Insgesamt lassen sich noch drei (legale) Möglichkeiten erkennen, um das Problem etwaiger Restbestände im Reifenfachhandel zu lösen. Zunächst natürlich das Verbauen der Auswuchtgewichte. Noch bis zum 30. Juni des Jahres kann der Reifenfachhandel entsprechende Gewichte zum Wuchten benutzen. Es ist anzunehmen, dass gerade während der Frühjahrssaison ein Großteil der noch vorrätigen Blei- und bleihaltigen Gewichte verbaut worden sind. Die zweite Möglichkeit stellt die Rückgabe an den Lieferanten dar. In Deutschland gehört Stahlgruber zu den größten Großhändlern von Auswuchtgewichten aus verschiedenen Materialien. Das Problem: Seit dem 1. Oktober 2004 nimmt das Unternehmen Bleiauswuchtgewichte „nur noch bei berechtigten technischen Reklamationen“ zurück; ab Januar 2005 fällt allerdings selbst diese Ausnahmeregelung weg: „Keine Rückgabe der betroffenen ‚bleihaltigen‘ Gewichte zum Großhandel und bei den Herstellern mehr möglich“, heißt es dazu prägnant aus dem Hause Stahlgruber. Genauso sieht man das bei Dionys Hofmann, dem weltweit größten Hersteller von Auswuchtgewichten. „Bleiauswuchtgewichte werden nur noch zum Bleischrottwert zurückgenommen“, sagt Helmut Ringwald. Der Verkaufs- und Marketingleiter bei Dionys Hofmann ist sich allerdings sicher, dass „Gewichtetypen aus Blei, die beim Reifenfachhandel noch vorrätig sind, zumeist ungängige Typen sind, die nach dem 1. Juli auch in Drittstaaten nicht mehr verkaufbar sind. Die gängigen Gewichte haben die Reifenhändler selbst aufgebraucht.“
Folglich bleibt also in der Regel noch die dritte legale Möglichkeit, sich überschüssiger Bleiauswuchtgewichte zu entledigen: die Entsorgung. Erster Ansprechpartner, wenn eine Entsorgung notwendig wird, könnte der Großhändler sein, der die Auswuchtgewichte verkauft hat, meint BRV-Geschäftsführer Drechsler. Aber auch die lokalen Entsorgungsbetriebe und Umweltämter der Städte und Landkreise sind Ansprechpartner, die bei der Beseitigung überschüssiger Bleiauswuchtgewichte behilflich sein können.
Der Bundesverband Reifenhandel warnt im Übrigen ausdrücklich davor, abseits dieser drei legalen Möglichkeiten zu agieren: „Es drohen empfindliche Strafen“, betont Hans-Jürgen Drechsler. Man dürfe das ab dem 1. Juli geltende Verbot der Verwendung von Blei- oder bleihaltigen Auswuchtgewichten für Pkw- oder Llkw-Räder nicht „auf die leichte Schulter nehmen“. Wer ab dem 1. Juli solche Gewichte in Verkehr bringt, auf welchem Wege auch immer, mache sich strafbar, erläutert der BRV, und dies gelte nicht nur in Deutschland, sondern eben in der gesamten Europäischen Union mit ihren jetzt 25 Mitgliedsstaaten. Dazu sei ab Juli 2005 mit verstärkten Kontrollen durch die Landesumwelt- und Gewerbeaufsichtsämter zu rechnen, warnt der Verband weiter. Welche Strafen bei entsprechenden Umweltvergehen verhängt werden, sei noch nicht sicher, sagt der BRV-Geschäftsführer, es sei aber mit empfindlichen Geldstrafen zu rechnen.
Natürlich gilt ebenfalls die Warnung des BRV weiter, vor dem Hintergrund steigender Dienstleistungspreise etwa auf das Wuchten zu verzichten: „Sicherheit hat Vorrang“, hieß es bereits vor zwei Jahren dazu aus der Verbandszentrale in Bonn.
Als vierte, allerdings nur kaum praktizierbare Möglichkeit, überschüssige Bleiauswuchtgewichte nicht teuer entsorgen zu müssen, ist die Benutzung beim Auswuchten von Motorrädern und Lkw. Dies sei allerdings eine „rein theoretische“ Möglichkeit, so Drechsler, und hänge von der Verwendbarkeit der Pkw- und Llkw-Gewichte ab.
Etwas ganz ‚Praktisches‘ hingegen sind die Preissteigerungen, die sich durch die Verwendung anderer Materialien ergeben, in der Regel Zink. Im aktuellen Preispanel des BRV (veröffentlicht in: Trends & Facts 2/2005) wird pro Rad mit durchschnitlichen Mehrkosten von 2,02 Euro ohne Mehrwertsteuer gerechnet, wenn Zink als Ersatz für Blei verwandt wird. Inwiefern sich die Preisunterschiede in Zukunft verändern, bleibt abzuwarten. Anfang 2004 jedenfalls hatte der BRV noch einen durchschnittlichen Aufpreis von 1,93 Euro pro Rad errechnet, was immerhin knapp fünf Prozent mehr sind. Vom reinen Materialwert einmal abgesehen, entstehen noch auf anderem Gebiet weitere Kosten für den Reifenhandel, da „zusätzlicher Gesprächsbedarf mit dem Kunden da“ ist, so Drechsler. Auch dem Endverbraucher müsse schließlich erst einmal vermittelt werden, warum er jetzt acht Euro mehr bezahlen soll. Um es dem Reifenhandel etwas leichter zu machen, die Übergangsphase zu gestalten, hat der BRV gemeinsam mit den Unternehmen Stahlgruber und Dionys Hofmann ein Plakat entwerfen lassen, das ab Juni auch für den Reifenhandel verfügbar ist. Die Aufklärungskampagne steht unter dem Motto „Bleifrei muss sein“ und wirbt für die Verwendung alternativer Auswuchtgewichte. Plakate werden beim BRV erhältlich sein.
Dass der Reifenhandel die entstehenden Mehrkosten bei der Verwendung von Zinkauswuchtgewichten (oder anderer Materialien) an den Endverbraucher weitergeben muss, scheint für den BRV eine Selbstverständlichkeit. Die zusätzlichen Material-, Beratungs- und auch Arbeitskosten stellten eine „signifikante Reduzierung des Rohertrags im Dienstleistungsbereich“ dar, erklärt Geschäftsführer Drechsler. Schließlich sei es gerade dieser Bereich, in dem der Reifenfachhandel „noch halbwegs vernünftige Erträge“ erziele, so die Anspielung auf die unter Druck geratenen Reifenpreise.
Ob und wann auch Lkw und Motorräder von einem Verbot von Blei- und bleihaltigen Auswuchtgewichten betroffen sein werden, scheint derzeit im Dunkeln zu liegen. „Uns sind keinerlei Aktivitäten in Brüssel bekannt.“ Insbesondere beim Auswuchten von Lkw-Reifen dürfte es allerdings schwierig werden, auf alternative Metalle auszuweichen. Blei ist und bleibt das Gewicht mit dem höchsten spezifischen Gewicht, das zum Auswuchten gebräuchlich ist. Während ein Kubikzentimeter Zink 7,14 Gramm wiegt, kommt Zinn da schon auf 7,29 Gramm. Das giftige Schwermetall Blei allerdings wiegt 11,34 Gramm, also 58,8 Prozent mehr als Zink. Die Folge: Auswuchtgewichte werden deutlich größer. Inwieweit also Auswuchtgewichte aus Zink bei Lkw-Rädern angewandt werden können, ist also immer auch eine Frage der Praktikabilität. Der BRV jedenfalls bezweifelt, ob die generelle Verbannung des Bleis „technisch möglich ist“.
Auch die Hersteller von Auswuchtgewichten haben sich bereits seit längerem auf die neue Rechtslage eingestellt. „Die Umstellung hat reibungslos funktioniert und hat bereits im Juli 2003 mit dem Golf V begonnen“, erklärt Helmut Ringwald. Der Verkaufs- und Marketingleiter bei Dionys Hofmann betont weiter, dass insbesondere der hohe Erstausrüstungsanteil des Unternehmens aus Albstadt von etwa 86 Prozent bei den deutschen Automobilherstellern (weltweite Produktion) den Ausschlag für eine Materialumstellung ohne nennenswerte Probleme gegeben hätte: „Wir waren deshalb auch der erste Hersteller, der ein komplettes Programm aus Zink-Gewichten.“ Dionys Hofmann stellt pro Jahr etwa 450 Millionen Auswuchtgewichte her und setzt damit um die 50 Millionen Euro um. Vor zwei Jahren, als die Umstellung auf Zink gerade begann (Dionys Hofmann stellt nur auf Zink um), waren weit über 90 Prozent der Produktion noch Bleiauswuchtgewichte (420 Mio.), die verbleibenden 30 Millionen waren aus Zink. Die komplette Produktion bei Dionys Hofmann wird gerade umgestellt, so dass pro Jahr nur noch 30 Millionen Bleiauswuchtgewichte übrig bleiben.
„Die Kosten für die Umstellung können mit circa zehn Millionen Euro beziffert werden. Hierzu gehört ein weit gehender Austausch des Maschinenparks sowie neuer Fertigungswerkzeuge. Ein weiterer Kostenfaktor wird die Verschrottung von Millionen von Teilen sein, die im Reifenhandel nicht absetzbar sind“, so Helmut Ringwald. Bei diesen Teilen handele es sich vorwiegend um Auswuchtgewichte für die Erstausrüstung. Von den rund zehn Millionen Teilen, die Dionys Hofmann zurzeit (Mai 2005) noch auf Lager hat, werde „ein Teil vor dem 30. Juni 2005 noch innerhalb der EU abgesetzt“. Insgesamt, so rechnet man beim Hersteller in Albstadt, sind beim Reifen- und beim Fachgroßhandel „innerhalb der EU noch mindestens 50 Millionen Gewichte aus Blei im Umlauf“, so Ringwald im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG.
Obwohl der weltweit größte Hersteller von Auswuchtgewichten höhere Kosten durch die Materialumstellung hat, werden auch höhere Umsätze erwartet, da die Mehrkosten – auch die höheren Materialkosten – an die Kunden im Handel weitergegeben werden. „Bei gleichem Absatz an Zinkgewichten wie bisher in Blei ergibt sich etwa eine Verdoppelung des Umsatzes“, erläutert der Verkaufs- und Marketingleiter. Gleichzeitig habe man aber im „Einkauf auch eine Verdoppelung des Rohmaterials, wesentlich geringere Fertigungsgeschwindigkeiten und zusätzlich eine generelle Kunststoffbeschichtung der Teile wegen der sonst schnell einsetzenden Weißkorrosion bei Zinkgewichten“. Ob sich durch die Materialumstellung auch etwas am Absatz ändert, beantwortet Ringwald eindeutig: „Nein, das glaube ich nicht.“
Jedes Jahr werden auf dem europäischen Ersatzmarkt etwa 400 Millionen Auswuchtgewichte verbaut, 90 Millionen davon allein in Deutschland. In die europäische Erstausrüstung gehen jedes Jahr noch einmal etwa 200 Millionen Gewichte, so dass in gesamt Europa pro Jahr rund 600 Millionen Gewichte verbaut werden, schätzt man beim Weltmarktführer Dionys Hofmann. Der Weltmarkt wird auf etwa 1,4 Milliarden Einheiten jährlich geschätzt.
Neben Zink als Alternativmaterial rechnen Marktbeobachter damit, dass auch (Edel-)Stahl in den kommenden Jahren eine gewisse Marktposition erlangen wird. So setzt etwa der deutsche Hersteller Jansen & Buscher nun ausschließlich auf Auswuchtgewichte aus Edelstahl (Chrom-Nickel). Das Unternehmen mit Sitz in Krefeld ist seit 16 Jahren auf diesem Markt tätig und stellt ansonsten Profile für die Blei- und Kunstverglasung her. Uwe Bettchen sieht im Wesentlichen zwei große Vorteile bei Stahlauswuchtgewichten. Einerseits hat Stahl ein höheres spezifisches Gewicht (Wichte) als Zink, wodurch sich etwa zehn bis 15 Prozent an der Wuchtstrecke sparen lassen, erläutert der Geschäftsführer des deutschen Herstellers. Andererseits ruft er die Kosten in Erinnerung, die durch die notwenige aber aufwendige Kunststoffbeschichtung von Zink-Gewichten entstehen – Edelstahl hingegen sei korrosionsbeständig.
Die Jansen & Buscher GmbH & Co. KG stellt keine Bleiauswuchtgewichte mehr her, da es keine Gewichte für das Auswuchten von Lkw-Rädern oder Motorradrädern im Programm führt (dort ist Blei noch erlaubt). Die Stahlauswuchtgewicht werden auf der Rolle oder im Riegel geliefert und sind zum Ankleben; dies habe sich bereits früher bei der Hersteller der Bleiauswuchtgewichte bewährt, so Bettchen. Das Alternativprodukt aus Krefeld sei TÜV-geprüft, erklärt der Geschäftsführer, und „dreht sich wie wild am Markt“.
Während das Unternehmen früher nach eigener Aussage etwa 300 bis 320 Tonnen Blei als Auswuchtgewichte hergestellt und europaweit vertrieben hat, seien dies jetzt bereits 550 bis 600 Tonnen Edelstahl, die als etwa 90.000 Rollen auf den Markt gebracht werden. Uwe Bettchen ist der Meinung, dass sich der Markt für Edelstahlauswuchtgewichte in den kommenden drei Jahren erhöhen wird. Folglich ist man bei Jansen & Buscher auch überzeugt davon, in drei Jahren 1.200 Tonnen verkaufen zu können. Dies könnte in drei Jahren einem Marktanteil allein in Deutschland von sechs bis acht Prozent entsprechen. Insbesondere ist man in Krefeld beim Hersteller zuversichtlich, dieses Ziel erreichen zu können, da es derzeit keine Wettbewerber in Europa gibt, die Edelstahlauswuchtgewichte nach dem selben Verfahren herstellen. Hinzu komme, so Bettchen, dass etwa im kommenden Frühjahr über einen europäischen Patentantrag entschieden wird, der das Produkt weitgehend schützen würde.
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