Von Michelin bis an die Renault-Spitze
Er ist Libanese, in Brasilien geboren und steht seit diesem Wochenende an der Spitze des französischen Automobilherstellers Renault. Seine berufliche Karriere begann Carlos Ghosn (51) allerdings bei dem Reifenhersteller Michelin.
Nach Abschluss der Ingenieurausbildung an französischen Eliteuniversitäten begann Ghosn 1976 bei Michelin und übernahm 1981, gerade mal 27 Jahre alt, schon die Leitung einer Reifenfabrik (in Le Puis). In den Jahren 1984 und ’85 hatte er die Verantwortung für Forschung und Entwicklung im Bereich Landwirtschafts- und Baumaschinenreifen inne, bevor er vom damaligen Unternehmenspatron Francois Michelin als Chief Operating Officer nach Südamerika geschickt wurde, um dort den Markt für den Reifenhersteller aufzubauen. Denn Südamerika war für Michelin noch weitgehend ein weißer Fleck auf der Landkarte.
Fünf Jahre später wurde er Präsident und CEO der Michelin-Aktivitäten in Nordamerika, im Jahr darauf (1990) zusätzlich zum Chairman ernannt. Unter seiner Ägide übernahm Michelin in Nordamerika den dortigen Marktteilnehmer Uniroyal Goodrich und wurde weltweit die Nummer Eins im Reifengeschäft. Ghosn restrukturierte Michelin in Nordamerika, integrierte Uniroyal Goodrich und kreierte die Mehr-Marken-Strategie in den Vereinigten Staaten, die Jahre später Vorbild auch für Europa werden sollte. An seiner Seite bekam ein junger Mann den letzten Feinschliff im Reifengeschäft, der heute an der Spitze des Reifenherstellers steht: Edouard Michelin.
Dass er wohl nie an die Spitze dieses Familienunternehmens gelangen könnte, dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass Carlos Ghosn 1996 nicht lange zögerte, als er von Renault-Chef Louis Schweitzer das Angebot erhielt, zu dem Automobilhersteller zu wechseln. Ghosn kam zurück nach Paris und übernahm als Executive Vice President die Verantwortung für das Tagesgeschäft. Wobei er in dem Ruf stand, gleichzeitig harte Sanierungsschritte einzuleiten und strategisch in die Zukunft zu blicken. Den Beinamen „Le Cost-Killer“ hat er in dieser Zeit erhalten.
Die Bereiche Forschung, Fahrzeugengineering und -entwicklung, Produktion, Antriebsstrang und Einkauf standen ebenso unter seiner Leitung wie der Raum Mercosur. Die größte Herausforderung sollte aber noch auf ihn, der damals schon als Schweitzers „Kronprinz“ galt, warten: Renault war 1996 beim vermeintlich bankrotten japanischen Automobilhersteller Nissan (heute 44,4 Prozent der Anteile bei Renault) eingestiegen, Schweitzer schickte seinen „Mann für alle Fälle“ im Juni 1999 als Chief Operating Officer nach Japan, der wurde genau ein Jahr später zusätzlich Nissan-Präsident und wiederum ein Jahr später Chief Executive Officer und hatte so Schritt für Schritt das japanische Spitzenmanagement abgelöst. Dass er sich dabei den Respekt der Japaner erworben haben muss, ist wohl auch daran abzulesen, dass aus „Le Cost-Killer“ jetzt „Ghosn-San“ geworden war.
Die Sanierung von Nissan war sein Meisterstück, heute gilt die japanische Marke nach Porsche als der profitabelste Automobilhersteller weltweit. Am vergangenen Wochenende ist Carlos Ghosn zum Vorstandsvorsitzenden von Renault berufen worden und ersetzt Louis Schweitzer, der in den Aufsichtsrat wechselt. Einen Großteil seiner Zeit will Ghosn weiterhin der Marke Nissan widmen und in Japan verbringen. Eine vor ihm stehende Aufgabe ist aber schon fest anvisiert und führt ihn auch zurück in die USA: 1980 hatten sich die Franzosen vom nordamerikanischen Automobilmarkt verabschiedet, unter seiner Führung soll Renault auf den weltgrößten Einzelmarkt zurückkehren.
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