Das Kfz-Gewerbe schreibt 2004 schwarze Null
Mit einer unerwarteten Umsatzsteigerung um 1,6 Prozent auf 127,2 Milliarden Euro und einer schwarzen Null in der Branchenbilanz haben die 41.700 Meisterbetriebe des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes das schwierige Autojahr 2004 abgeschlossen. Das neue Autojahr werde ein Übergangsjahr mit Chancen, sagte Rolf Leuchtenberger, Präsident des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, dieser Tage mit Hinweis darauf, dass die Firmenkonjunktur in der Branche eine neue Qualität entwickelt habe. Serviceorientierte Unternehmen seien renditestärker als die handelsorientierten Betriebe, die vielfach zur zusätzlich instabilen Autokonjunktur die Zwangsinvestitionen von Herstellern und Importeuren verkraften müssten.
Die Zahl der Betriebe im Kfz-Gewerbe verringerte sich um 1.200 (Vorjahr: 1.800), die Zahl der Beschäftigten sank um 7.300 auf rund 483.000. Trotz der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit fünf Autojahren in Folge ohne stabile Zuwächse werde die Branche optimistischer. Die mehrere Jahre dauernde Phase der Orientierungslosigkeit einzelner Hersteller sei vorbei. Leuchtenberger: „Wir kennen unsere Positionen im Markt. Die meisten Hersteller haben erkannt, dass es ohne Handel und Service keine automobile Zukunft gibt.“
Traditionell legte das Kraftfahrzeuggewerbe zwei Tage vor Beginn der Internationalen Handwerksmesse (IHM) die Jahresbilanz für den Verkauf neuer und gebrauchter Pkw und Lkw sowie den Service „rund ums Auto“ vor. Unterschiedlichste Ergebnisse und Entwicklungen prägten das vergangene Autojahr. Überraschend hoch stieg der durchschnittliche Preis eines neuen Pkw um sieben Prozent auf 24.090 Euro (Vorjahr: 22.360 Euro), während der Gebrauchtwagenpreis im statistischen Mittelwert um vier Prozent auf 7.900 Euro (Vorjahr: 8.220 Euro) sank.
Service unter Druck
Auch der Service kam im Zuge anhaltender Sparmaßnahmen in den privaten Haushalten unter Druck. Die Zahl der Aufträge für Wartung und Verschleißreparatur reduzierte sich um rund drei Prozent auf 83,1 Millionen Aufträge. Der Anteil des Kfz-Gewerbes beträgt 88 Prozent. Dies entspricht rund 73,5 Millionen (2003: 75,7 Millionen) Aufträgen. Der Preis einer Werkstattstunde erhöhte sich um knapp zwei Prozent auf durchschnittlich 61 Euro. Die Stundensätze für Unfallreparaturen verteuerten sich stärker, auch aufgrund gestiegener Anforderungen bei der Werkstattausrüstung und vermehrter Auflagen im Umgang mit Lacken und den verschiedensten Werkstoffen.
Die Bandbreite der Ergebnisse in den rund 41.700 Kfz-Meisterbetrieben sei größer geworden. Im „schwarzen Bereich“ seien die serviceorientierten Unternehmen zu finden, während auf der „roten Seite“ vielfach die handelsorientierten Betriebe mit Investitionszwang zu finden seien.
Leuchtenberger forderte die Branche auf, die Freiheiten der Gruppenfreistellungsverordnung stärker als bisher zu nutzen, um vor allem im Einkauf bessere Konditionen zu erreichen. Wörtlich sagte der Präsident: „Ich wünsche mir, dass aus den vielen Dispositionen in unseren Betrieben echte Einkaufsabteilungen im Sinne des kaufmännischen Begriffs werden.“
Die Kurve aller Verkäufe neuer und gebrauchter Pkw sei unverändert nach unten gerichtet, sagte Leuchtenberger. Erstmals habe man mit 9.877.230 eine „echte Barriere“ unterschritten. 10,8 Millionen Einheiten im Jahr 2000, 10,6 Millionen 2001, 10,08 Millionen 2002 und zehn Millionen 2003 zeigten die anhaltende Schwäche des inländischen Automarktes auf.
Der Fachhandel verliere zunehmend Markt- und Umsatzanteile. Die Ursache dafür liege in den zunehmenden Aktivitäten der Hersteller und Importeure mit Direktverkäufen, die im Vorjahr 24,3 Prozent (2003: 19,2 Prozent) erreichten. Leuchtenberger: „Statistisch bewertet geht also heute bereits jeder vierte neue Pkw am Handel vorbei in den Markt.“
Perspektivisch müsse der Handel seine Zielplanungen akribisch durchleuchten. Bei einem Anteil an allen neuen und gebrauchten Pkw-Verkäufen von noch knapp 59 Prozent, einem Umsatzanteil von 71 Prozent und spürbar veränderten Kundenwünschen in den beiden Teilmärkten des Neu- und Gebrauchtwagenmarktes bedürfe es eines „ausgesprochenen Feintunings in der individuellen unternehmerischen Jahresplanung“.
Die fehlende Dynamik des Automarktes zeige sich nicht nur in den Teilmärkten, die in der statistischen Aufstellung 52,5 Prozent für gewerbliche und 47,5 Prozent für private Käufer widerspiegelten. Es gelte weiter zu berücksichtigen, dass rund vier Prozent (Vorjahr: fünf Prozent) Tageszulassungen registriert wurden. Leuchtenberger: „Für das Autojahr 2004 gilt im Besonderen, dass nicht jede Zulassung ein Verkauf war. Die Begeisterung über die Jahresend-Rallye hielt sich im Handel in Grenzen.“
Der überraschend hohe Anstieg des Durchschnittspreises für neue Pkw habe zwei Ursachen: zum einen die erdrutschartigen Verschiebungen in den Fahrzeugsegmenten, zum anderen das Wachstum beim Diesel. Zudem blieben trotz „Rotstift bei der individuellen Mobilität“ die Verbraucherwünsche nach Ausstattungspaketen für Sicherheit, Umweltschutz und Komfort bestehen.
Segmente verändern sich
Leuchtenberger sagte zu den Veränderungen in den einzelnen Segmenten, vor allem die zum Teil deutlichen Minuszahlen in den „kleinen“ Segmenten und die Zuwächse bei SUVs (Sport Utility Vehicles), Cabrios und Vans zeigten den anhaltenden Trend zu so genannten Nischenmodellen: „Wir verkaufen immer mehr Vans, Geländewagen und Cabrios. Die klassischen Segmente sind unter Druck geraten. Kundenwünsche verändern sich stark, auch im gewerblichen Bereich.“ Vans legten um 27,3 Prozent zu, Geländewagen insgesamt um 16,8 Prozent, und 10,1 Prozent mehr Cabrios wurden gegenüber dem Autojahr 2003 verkauft.
Der deutsche Gesamtbestand an Pkw ist 2004 um rund 350.000 Fahrzeuge angewachsen. Das entspricht beim Stand vom 1. Januar 2005 einem Zuwachs von 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit sind auf deutschen Straßen 45,4 Millionen Autos unterwegs. Bis auf Berlin (minus 0,6 Prozent) schloss die Jahreszählung des Gesamtkraftfahrzeugbestandes in allen Bundesländern mit einer leichten Aufwärtsbewegung ab. Die höchste Zuwachsrate wurde mit 1,6 Prozent in Brandenburg registriert.
Das Servicegeschäft war erstmals seit vielen Jahren rückläufig. Rund drei Prozent minus bei den Aufträgen für Wartung und Verschleißreparaturen bedeuten einen Rückgang von rund zwei Millionen Aufträgen. Das durchschnittliche Auftragsvolumen pro Betrieb blieb durch die veränderten Betriebszahlen konstant. Die Tendenz des Autojahres 2003 mit Verlusten für die Vertragswerkstätten setzte sich auch im vergangenen Jahr fort. Nach vorläufigen Zahlen verloren sie überproportional. Dies gilt im Besonderen für das Unfallgeschäft.
Deutliche regionale Unterschiede gebe es beim so genannten Stundenverrechnungssatz, dem Preis einer Werkstattstunde. Nach Darstellung Leuchtenbergers reiche die Bandbreite von rund 40 bis circa 90 Euro. Der bundesweite Durchschnittspreis von etwa 61 Euro (plus 1,9 Prozent) habe die allgemeinen Kostensteigerungen nicht auffangen können. Die Sicherung des Service in den Betrieben sei die wichtigste Aufgabe zur Zukunftssicherung.
Kritik übte Leuchtenberger an herstellerinitiierten Serviceaktionen. Der Kundendienst als das betriebswirtschaftliche Standbein der Branche vertrage weder Schleuderpreise noch Dumpingaktivitäten. Er warnte davor, das Nachlassverhalten aus dem Neuwagenverkauf auf andere Geschäftsbereiche ausdehnen zu wollen. „Die Rückgänge im Servicegeschäft des Jahres 2004 sollten uns Warnung genug sein.“
Zahlungsmoral wird schlechter
Die Herausforderungen des Autojahres 2004 hießen wiederum Rentabilität und Liquidität. Daran werde sich auch im neuen Jahr 2005 nichts ändern, sagte Leuchtenberger mit dem Hinweis darauf, dass Autohäuser und Werkstätten vielfach in einer Liquiditätsfalle steckten. Dies hinge zum einen mit der Zahlungsmoral privater und gewerblicher Kunden zusammen, aber auch mit der Zahlungsmoral von Herstellern, die sich bei der Bezahlung von Garantieanteilen oder Bonuszahlungen bis zu drei Monaten Zeit ließen. Die Bedeutung von Boni und Prämien habe sich schon deshalb deutlich verändert, weil durch abgesenkte Grundmargen die Boni- und Prämienbausteine in andere Relationen gestellt worden seien. Wörtlich: „Wir fordern eine kaufmännische und partnerschaftlich übliche Zahlungsmoral der Hersteller ein.“
Die Liberalisierung des Autovertriebs habe dazu geführt, verstärkt im freien Teilehandel einzukaufen. Nahezu die Hälfte der kleinen und mittleren Unternehmen habe diese Chance aus der neuen GVO genutzt, sagte Leuchtenberger mit Hinweis darauf, dass heute bereits über 20 Prozent des Teileumsatzes über den freien Teilehandel realisiert würden. Vom durchschnittlichen Deckungsbeitrag des Service für den Gesamtbetrieb von rund 60 Prozent entfallen fast 40 Prozent auf Teile. Die Fahrzeughersteller reagierten vermehrt mit Prämien und Boni auf die veränderten Teile-Einkaufsmöglichkeiten. Zudem sei vereinzelt die Lieferfrequenz auf bis zu dreimal täglich erhöht worden. Zwei Drittel der Betriebe erhielten eine Umsatzprämie, andere belohnten Herstellertreue im OE-Bereich mit erweiterten Kreditlinien für das Ersatzteilelager.
Das schwierige Autojahr 2004 und die sich abflachenden Strukturveränderungen hätten ihre Spuren auch in der Beschäftigungsbilanz hinterlassen. Erneut seien Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Gesamtzahl der Beschäftigten verringerte sich um rund 7.000 auf 483.000 Beschäftigte, darunter rund 100.000 Lehrlinge. Hingegen sei die Ausbildungsbilanz positiv, sagte der Präsident des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes: „Unsere Betriebe sind ihren gesamtgesellschaftlichen Verpflichtungen nachgekommen.“ Das Kfz-Gewerbe sei in der Ausbildung vorbildlich. Bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen für Kfz-Mechatroniker und Kfz-Mechaniker aber sei bundesweit ein Minus von 1,5 Prozent mit starker regionaler Differenzierung zu verzeichnen. Rund 21.000 junge Menschen begannen die Ausbildung im technischen Bereich der Kfz-Meisterbetriebe.
Eine Bilanz mit Licht und Schatten gäbe es im Lkw-Geschäft. Der erfreuliche Zuwachs im Neuwagenhandel bei moderatem Rückgang im Gebrauchtwagengeschäft mit Lastwagen werde getrübt durch sinkende Zahlungsmoral im Service. Eine neue Welle von Forderungsausfällen befürchteten zahlreiche Nutzfahrzeugbetriebe, wenn in diesen Tagen die Lkw-Maut in ihrer finanziellen Bedeutung für die Transportunternehmen deutlich werde.
Wachsender Optimismus
Trotz schwieriger konjunktureller Erwartungen spüre man im Kfz-Gewerbe einen wachsenden Optimismus und eine strategische Neuausrichtung der Betriebe zur Zukunftssicherung. Die automobile Welt wird bunter. Obgleich in den einzelnen Szenarien vermeintliche Negativfaktoren wie zunehmende Wettbewerbsintensität, unüberschaubar erscheinende Informations- und Kommunikationsstrukturen, ein anhaltender, teilweise ruinöser Preiswettbewerb und ein technischer Wandel mit hoher Veränderungsdynamik genannt werden, sehe man vor allem im Geschäft rund um das Automobil Wachstumschancen.
Der verstärkte Einkauf bei freien Teileanbietern, das emotionale Element der ab 1. Oktober erwarteten Niederlassungsfreiheit und ein behutsames Wachstum im Automarkt insgesamt stärkten das Kraftfahrzeuggewerbe. Der wachsende Optimismus entwickelte sich nach Darstellung Leuchtenbergers vor allen Dingen deshalb, weil die Konturen der zukünftigen Autolandschaft in Deutschland immer klarer würden. Der inhabergeführte Familienbetrieb mit ausgeprägter Serviceorientierung sei vor allen Dingen in den Mittelzentren und in der Fläche unverzichtbar. In den Metropolen und Großstädten steige der Hersteller vermehrt in Einzelhandelsfunktion ein, auch in Kooperation mit Kettenbetrieben. Zu den erkennbaren Konturen der Autolandschaft gehöre auch, dass der Mehrmarkenverkauf außerhalb von Konzerngrenzen keine signifikanten Größenordnungen erreicht habe. In diesem Zusammenhang forderte Leuchtenberger eine größere Preisdisziplin mit den Worten ein, „das Zulassungs- und Rabattverhalten einiger zum Jahresende grenzte an betriebswirtschaftliche Ausnahmezustände“. Man müsse jeden Tag um jeden Kunden neu kämpfen, denn das Sparschwein zur Zukunftssicherung sei vielen noch immer wichtiger als das verschleuderte Auto für die Gegenwart.
„Automobile Träume werden sich auch im neuen Jahr nicht erfüllen“, sagte Leuchtenberger mit Hinweis auf die vom Kfz-Gewerbe prognostizierten 3,25 Millionen Neuzulassungen. Trotz leichter Zuwächse im Auftragseingang spreche man unverändert von einer schleppenden Nachfrage und dem täglichen Kampf um den Privatkunden. Das Ergebnis von 2004 dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Privatkunde noch immer in Sorge um Arbeitsplatz und Altersvorsorge lieber zum Sparbuch als zum Neuwagen-Kaufvertrag greife. Der Autokunde stehe auf der Konjunkturbremse, die positiven Signale des Exports müssten auf die instabile Binnenkonjunktur überspringen, um den Konsumstau aufzulösen.
Für den Neuwagenmarkt blieben Fragen. Zum Beispiel flache die Wachstumskurve bei den SUVs ab. Die Kostenentwicklung bei Kraftstoffen und Kfz-Steuer werde vor allem in den oberen Marktsegmenten dazu führen, dass es im günstigsten Fall moderate Wachstumskurven geben könne.
Kritik an Brüssel
Abschließend ging Leuchtenberger auf die politischen Rahmenbedingungen für das Kraftfahrzeuggewerbe in Deutschland und Europa ein. Die Branche sei empört über Aussagen aus Brüssel, dass in der von Kommissar Verheugen einberufenen Arbeitsgruppe „Cars 21“ zur Neudefinition der Autopolitik in Europa für das Kfz-Gewerbe kein Platz frei sei. Wenn die Repräsentanten der Autoindustrie und Politik über politische Rahmenbedingungen für das Automobilgeschäft in Europa beraten und entscheiden, dann gehöre das Kfz-Gewerbe als Repräsentant für 350.000 Handels- und Servicebetriebe mit 2,45 Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von 520 Milliarden Euro, darunter 100 Milliarden Euro für den Service, an den Verhandlungstisch.
Leuchtenberger: „Es sitzen offensichtlich genug Repräsentanten am Tisch, aber nicht die richtigen.“ Für die nationale Gesetzgebung forderte Leuchtenberger noch in dieser Legislaturperiode die steuerliche Entlastung des Mittelstandes. Es sei beispielsweise vorstellbar, dass Gewinne bis zu 150.000 Euro, die wieder investiert werden, steuerlich begünstigt würden. Das Kfz-Gewerbe mit einer nach vorläufigen Berechnungen für 2004 geschätzten Eigenkapitalquote „um sieben Prozent“ und einer Umsatzrentabilität vor Steuern von voraussichtlich 0,6 Prozent sei nach den schwierigen Autojahren vielfach nicht in der Lage, die erforderlichen Investitionen zu finanzieren. Das Kreditverhalten der Banken bleibe ein weiterer Hemmschuh für Wachstumsplanungen.
Leuchtenberger kündigte an, dass auch das Thema Bürokratiekosten und Bürokratieabbau ein Schwerpunktthema des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes bleiben werde. Im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse (IHM) würden sich Verbandsgremien zudem mit den Themen der Wirtschafts- und Verkehrspolitik beschäftigen und entsprechende Forderungen formulieren. Dazu gehöre die grundsätzliche Ablehnung einer Pkw-Maut, wenn der Autofahrer als Melkkuh wieder einmal ausgenutzt werde.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!