Toyo Europa will durchstarten
Mit dem Jahreswechsel war die Toyo Reifen GmbH von der Bildfläche verschwunden und von der Toyo Tire Europe (TTE) absorbiert worden. Und es blieb nicht allein bei einem Namenswechsel, auch der Umzug von Düsseldorf an einen größeren und moderneren Firmensitz im benachbarten Neuss mag symbolisieren, dass das Unternehmen mit frischem Schwung – und stärkerer Unterstützung vom fernen Mutterkonzern – durchstarten will. Europa-Präsident Takeo Suzuki (60) und der Executive Vice President TTE Yasushi Takagi (46), bislang und auch künftig für das operative Geschäft in Deutschland/Österreich/Großbritannien/Benelux zuständig, verbreiten Aufbruchstimmung.
Die alten Visitenkarten konnten weggeworfen werden, was um so leichter fiel, weil jetzt alle Toyo-Gesellschaften weltweit den gleichen Auftritt haben werden. Viele der nationalen Besonderheiten und vielleicht auch Eigenheiten, die sich in den 60 Jahren des Bestehens von Toyo eingeschlichen haben, müssen aufgegeben werden und sich dem „großen Ganzen“ unterwerfen. Toyo Tire ist ein global operierender Reifenhersteller, der daran gegangen ist, seine Kräfte zu bündeln. Wilhelm Höppner (51), Prokurist und Leiter Technik & Tuning, bestätigt, dass nie zuvor in der Geschichte des Unternehmens so viele Projekte gleichzeitig angestoßen worden sind wie in den letzten Monaten.
Natürlich wird nicht alles radikal über den Haufen geworfen, denn vieles war und ist ja gut und erfolgreich. Und so bleiben die Gesichter und Ansprechpartner für die deutschen Reifenhändler, Tuner und Fahrzeughersteller die gleichen. Wer kann schon von sich behaupten, die Preise erhöht und dennoch Stückzahlen dazugewonnen zu haben (so Toyo im letzten Jahr beim deutschen Großabnehmer point S, mit deutlich über 40 Prozent Anteil der hierzulande abgesetzten Pkw-Reifen)?
Dass eine Europa-Zentrale zum Jahreswechsel ins Leben gerufen worden ist, hängt mit dem wachsenden europäischen Markt bzw. der wachsenden Bedeutung, die Toyo dem Kontinent Europa einräumt, zusammen. Während die deutsche Organisation in Toyo Tire Europe aufging und die Toyo-Organisation in Großbritannien zur TTE-Tochtergesellschaft wurde, ist Toyo in Benelux eine Tochtergesellschaft des japanischen Mutterkonzerns und ist der Reifenhersteller in den nicht genannten europäischen Ländern jeweils durch unabhängige Distributeure vertreten. An TTE wiederum ist das große japanische Unternehmenskonglomerat Mitsubishi mit 40 Prozent beteiligt.
Das wirkt nicht gerade wie eine Vereinheitlichung, hat aber mit der Geschichte zu tun, die der Reifenhersteller in Europa hat: So war es die Firma Mitsubishi, die vor gut drei Jahrzehnten die ersten Toyo-Reifen nach Europa brachte und für deren Vermarktung sorgte. Und auch an der zum 31.12. aufgelösten Toyo Reifen GmbH war das Handelshaus des japanischen Multis noch beteiligt. Man wolle diese Verbindung auch nicht missen, sagt Suzuki, der darauf hinweist, dass Mitsubishi einerseits in Verwaltungs- und Finanzfragen den Reifenhersteller entlastet und ihm eine stärkere Konzentration auf das erlaubt, wo seine Kernkompetenz liegt: auf Reifen. Andererseits: In den Ländern, in denen Toyo durch nationale Distributeure vertreten ist, ist Mitsubishi mit eigenen Organisationen präsent, die dem zweiten Vice President Nakamura zuarbeiten, der für all die verschiedenen Importeure zuständig ist. Von den derzeit etwa 50 Mitarbeitern in der neuen Zentrale steht allerdings nur einer auf der Gehaltsliste Mitsubishis.
Man will also vereinheitlichen, die Zusammenarbeit der einzelnen Länder intensivieren, eine eigenständige Europa-Strategie entwickeln und zum Beispiel in der Werbung nationale Alleingänge unterbinden, aber nicht alles über einen Kamm scheren. Suzuki und Takagi wissen, dass der finnische Kunde anders denkt als der griechische, dass der polnische Markt anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als der irische. Vereinheitlichen, wo immer sich das anbietet, aber keine Gleichmacherei, sondern Anerkennen der nationalen Stärken, sofern das dem Unternehmen dient.
Es wird also „Klammern“ geben wie ein einheitliches Logo, auch das freimütige Bekenntnis, ein japanisches und japanisch geprägtes Unternehmen zu sein, das ganz klar und ganz zielgerichtet ist. Ein Beispiel: Darauf angesprochen, wieso er bei der Einweihung der neuen Dependance bereits so genau wusste, dass im Jahre 2007 in Neuss exakt 82 Toyo-Mitarbeiter arbeiten würden, muss Suzuki schmunzeln: So sind japanische Unternehmen, korrekt, sie haben einen „Businessplan“ und ganz klare Vorstellungen, wie sich etwas entwickeln wird. Dass in drei Jahren die Mitarbeiterzahl ebenso gut 80 oder 85 Personen betragen könnte, weiß Suzuki auch.
Was aber festzuhalten ist: Toyo will das Europa-Geschäft stärken und die Zentrale im fernen Osaka verliert es nicht aus dem Auge. Gewiss: Im amerikanischen Georgia baut das Unternehmen eine neue und hochmoderne Fabrik für Pkw-Reifen. Und ob Toyo kurzfristig die Entscheidung fällt, auch in Europa eine Reifenfabrik zu errichten, ist eher zweifelhaft. Aber die Voraussetzungen dafür werden geschaffen: So wurde nicht nur TTE gegründet, sondern wird auch ganz konkret daran gearbeitet, den optimalen Standort für ein großes Zentrallager zu finden. Der könnte in Deutschland sein, muss es aber nicht. Der könnte das althergekommene (und ja durchaus erfolgreiche) Containergeschäft beenden, wird es aber eher modifizieren. Das sorgfältige Bedenken alle Pro- und Kontra-Argumente gehört gewiss zu den typisch japanischen Eigenschaften.
Dass solch ein Zentrallager in Deutschland stehen könnte, hoffen natürlich die hiesigen Verkäufer und verweisen darauf, dass innerhalb Europas Deutschland der größte und wichtigste Markt für Toyo ist. In der Größenordnung 80 bis 90 Millionen Euro haben die drei bisherigen europäischen Tochtergesellschaften in 2004 umgesetzt, in der gleichen Größenordnung bewegen sich sämtliche anderen Länder, in denen Toyo-Reifen über Importeure vermarktet werden. Man wolle „europäisch“ denken, erteilt Suzuki einer verfrühten Standortentscheidung eine Absage, und die sich verändernden geopolitischen Gegebenheiten berücksichtigen. So sieht er, dass Europa wächst, dass Osteuropa Teil der EU wird. Dass freilich seine Rede anlässlich der Einweihung der neuen Zentrale, in der er Bulgarien und Rumänien (die nächsten EU-Beitrittskandidaten) erwähnte, etwas missverstanden wurde, rückt er gerade: Länder wie die genannten werde der Reifenhersteller künftig auch bearbeiten, zu den großen Kernmärkten seiner Marke werden sie sich jedoch kaum entwickeln.
Dass viel in Bewegung ist bei Toyo zeigt sich an den Anstrengungen im Bereich Tuning: Renommierte Adressen wie Kleemann, Breyton oder mtm arbeiten eng mit Toyo zusammen. Weitere Tuner suchen die Nähe zu dem Reifenhersteller, weil sich seine Leistungsfähigkeit gerade im Ultra-High- und im High-Performance-Segment herumgesprochen hat. Gerade erst präsentiert Toyo mit dem Proxes CF1 ein neues Spitzenprodukt. Dass das Unternehmen in Europa aktuell kein Erstausrüstungsprojekt vorweisen kann (die Belieferung von TVR in Großbritannien wurde beendet), erklärt sich nicht durch mangelnde Leistungsfähigkeit, sondern fehlende Kapazitäten. Toyo kann schlicht keinen europäischen Automobilhersteller mit Reifen beliefern, weil sämtliche Fabriken am Anschlag produzieren (auch die in China, obwohl Europa – noch? – keine Toyo-Reifen made in China bezieht). Bekannt ist allerdings, dass Toyo die Entwicklungsarbeit mit und für Porsche nie hat ganz einschlafen lassen. Details zu nennen, wäre allerdings jetzt unpassend, bremst Höppner Nachfragen.
Auch zum Thema „Runflats“ hält sich der Reifenhersteller bedeckt: Auf der einen Seite hat das Unternehmen auch schon seitenwandverstärkte Reifen als Ausstellungsstücke auf Messen präsentiert, auf der anderen Seite ist Toyo Lizenznehmer des Michelin-Systems PAX. Und dass man bei Bedarf kurzfristig seitenwandverstärkte Reifen sowohl mit BMW-Ansprüchen (Betonung der Agilität) als auch mit Mercedes-Spezifikationen (Betonung des Komforts) herstellen könnte, wird nicht als Problem bezeichnet. Zumal Toyo in die Entwicklung eines neuartigen Produktionssystems eingebunden ist, von dem Einzelheiten wohl noch in diesem Jahr publiziert werden sollen. Auch dies ist so ein Projekt, an dem der Reifenhersteller mit Hochdruck arbeitet und das dazu führen wird, dass Toyo in den nächsten Monaten häufiger von sich Reden machen wird.
Ob allerdings zuerst aus der Presse davon zu erfahren sein wird oder ob erst mit Kunden darüber gesprochen wird, ist nicht entschieden. Auch die Frage, ob in Europa eine zweite Reifenmarke denkbar sei, lässt Takeo Suzuki offen: So etwas bespreche man erst mit den Kunden. Und Yasushi Takagi ergänzt, dass die künftige Strategie Toyos vor allem auch darin liege, die Kommunikation mit den Kunden zu intensivieren, sie stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden, auch auf ihren Rat zu hören und in wichtige Weichenstellungen einfließen zu lassen. Man wolle offensiver, vielleicht auch manchmal aggressiver werden, aber immer dem Kunden im Mittelpunkt allen Denkens haben. Wenn der Kunde Noten für Qualität, Service und Kosten verteilt, will Toyo besonders gut bewertet werden. Was sich übrigens nicht nur auf den Kunden Reifenhändler bezieht, sondern auch auf den Endverbraucher. Takagi weiß, dass es eine gewisse Distanz zum Konsumenten gibt, aber alles Bestreben wird daran gesetzt, diese Distanz zu verringern
Die Marke Toyo soll gestärkt werden, eine Imageverbesserung und eine Erhöhung des Bekanntheitsgrades sind übergeordnete Ziele. Nur so lässt sich erreichen, dass das Ungleichgewicht zwischen Produktqualität und Positionierung im Markt behoben wird. Denn die Händler vermarkten Pkw-Reifen von Toyo gerne – sofern sie denn genug davon bekommen können. Mangelnde Verfügbarkeit war und ist die Toyo-Crux. Das gilt übrigens auch für große Lkw- und EM-Reifen. Es ist müßig über eine Intensivierung der bei Toyo Tire Europe nur mäßigen Absatzzahlen in diesen Segmenten auch nur nachzudenken, wenn einfach die Fabriken nicht meht hergeben können. Also geht man Stück für Stück vor, kündigt Wilhelm Höppner als nächstes Marktsegment eine Bearbeitung der SUV-/Offroad-Klientel an. Hätte man gerne schon früher gemacht, aber es gab einfach keine Reifen. Wer aber neue Projekte initiiert und in neue Länder vordringen will, der benötigt dafür auch die richtigen Produkte zu den richtigen Preisen.
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