Indonesischer Leitbulle in Südostasien
Vertrauen in die Zuverlässigkeit eines Produktes und der Aufbau einer engen Kundenbindung sind für Joachim Jansen das Erfolgsrezept für sein Unternehmen schlechthin. Aus diesem Grund gehöre es bei der Reifen Gundlach GmbH schon beinahe zum festen Jahresprogramm, einige der wichtigsten Kunden mit auf eine Reise nach Indonesien zu nehmen, um das dortige GT Radial-Werk von Gajah Tunggal zu besuchen, deren Reifen der deutsche Großhändler hierzulande exklusiv vertreibt. Die siebentägige Asienreise in eines der vielseitigsten Länder der Region, die Mitte Juli stattfand, ist allerdings weit mehr als ein gewöhnlicher Arbeitsbesuch vor netter Kulisse – Reifen Gundlach wie auch Gajah Tunggal verfolgen damit ihre wirtschaftlichen Zielsetzungen für den deutschen Markt.
Eine Reise von Deutschland nach Jakarta, der indonesischen Hauptstadt, muss mit größerem Aufwand betrieben werden, als ein Wochenendausflug ins Sauerland. Da ist es klar, dass sich die Gastgeber Reifen Gundlach und der größte südostasiatische Reifenhersteller Gajah Tunggal sowie die knapp 20 teilnehmenden deutschen Reifenhändler einiges davon versprechen. Bis auf einige wenige Ausnahmen ist es für alle Teilnehmenden das erste Mal, dass sie sich einen eigenen Eindruck davon verschaffen können, was Gajah Tunggal ist und wie der indonesische Konzern seine Marke GT Radial herstellt, welche Menschen und welche Ideen hinter dem Produkt stehen. Es ist aber nicht nur der Eindruck vom Hersteller und seinen Reifen, die die deutschen Händler den 16-stündigen Flug von Frankfurt über Hong Kong nach Jakarta geduldig ertragen lässt. Auch der Kontakt zu Kollegen der Branche und des Großhändlers sorgen dafür, dass alle viel Neues erfahren und ihre Schlüsse für das eigene Geschäft ziehen können. Joachim Jansen nennt dies „Vertrauen“, und er wolle Kunden, mit denen er geschäftlich zusammenarbeitet, auch persönlich kennenlernen. Dies ist für den Geschäftsführer von Reifen Gundlach mindestens ebenso wichtig, wie die Kunden von der Qualität des vertriebenen Produktes zu überzeugen. Ihm geht es bei der Fahrt nach Indonesien, die er selbst in den vergangenen zehn Jahren schon so oft angetreten hat, dass er nicht einmal mehr genau sagen kann, wie oft er bereits in Jakarta landete, vornehmlich um einen „Erfahrungs- und Ideenaustausch“ untereinander, denn schließlich sei nur ein erfolgreicher Kunde, der bereit ist sich weiterzuentwickeln, auch in Zukunft noch ein erfolgreicher Kunde, so Jansen – wenn’s beim Kunden gut läuft, läuft’s bei Gundlach auch gut, insofern ist Kooperation und gegenseitige Hilfe oberstes Gebot. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die Reise nach Indonesien, die in diesem Jahr bereits zum vierten Mal stattfand, erstens ein gutes Kundenbindungsprogramm, das wohl auch künftig noch als nützliches Incentive dienen wird, zweitens ein Kontakthof und eine Ideenbörse für Händler, die allesamt mit demselben Produkt umgehen und demzufolge dieselben produkt- oder herstellerbezogenen Sorgen und Nöte diskutieren möchten, und drittens eine äußerst angenehme berufliche Nebenerscheinung, die heutzutage in einem ähnlichen Umfang und Ausmaß wohl kaum ein Hersteller oder Händler mehr bietet. Die schönen Seiten des Lebens zuerst…
Angenehme Nebenerscheinung
Wie bereits in den Jahren zuvor konnten sich die mitfahrenden Reifenhändler wieder auf Einiges gefasst machen, denn das Gundlach-Team um PR-Mann Heiko Marmé sowie die zahlreichen Organisatoren vor Ort in Indonesien hatten eine akribisch organisierte Reise an den Rand der Südsee vorbereitet. Wie selbstverständlich gehört zu einer Reise nach Indonesien, die zunächst mit einem mehrtägigen Aufenthalt in der 10-Millionen-Metropole Jakarta beginnt, eine Stadtrundfahrt zum Programm: Präsidentenpalast, Nationaldenkmal, Isiqlal-Moschee, landeskundliches Freilichtmuseum, Sammlung von Staatsgeschenken (auch von Helmut Kohl) aus der Ära Präsident Suhartos, die 1998 nach 30-jähriger diktatorischer Führung zu Ende ging. Zu einem vollwertigen Besuch Indonesiens wie beinahe aller fernöstlicher Länder gehört der Auftritt in einer Karaoke-Bar; was in Deutschland oftmals einem gesellschaftlichen Selbstmord gleichkommt, sorgt in Indonesien für Beifallsstürme und hohes Ansehen: das – am liebsten schiefe – Singen US-amerikanischer Gassenhauer. Obwohl die Indonesier in der Regel mit Gabel und Löffel essen, durfte ein Ausflug in ein Stäbchen-Lokal nie fehlen, in dem Reifenhändler beweisen konnten, ob sie mit zwei kleinen Holzstücken genauso gut umgehen können wie mit einer Montagemaschine. Ebenfalls gehörten die abendlichen Restaurant-Besuche sicherlich nicht zu den unangenehmen Pflichten eines Indonesien-Reisenden bei Gundlach. Die Gastgeber haben zu diesen Anlässen besonderen Wert darauf gelegt, dass den Teilnehmern die gesamte Vielfalt der indonesischen Küche deutlich wird, von gnadenlos scharf bis geschmacksneutral, von Schwein bis Hühnchen über Gemüse, und allem voran immer Reis in allen Variationen. Anstelle den Kunden einen Nachmittag oder Abend nach dem anderen „zur freien Verfügung“ zu geben, legt Reifen Gundlach großen Wert darauf, dass sich eine Gruppendynamik entfaltet, erklärt Geschäftsführer Joachim Jansen; die Reise nach Indonesien soll immer eine „emotionale Veranstaltung“ sein, daher müsse man die Leute an entsprechender Stelle mit einbinden, damit sie Erlebnisse teilen können.
Kontakthof und Ideenbörse
Für die geschäftlichen Interessen, die letztendlich jeder Reifenhändler, Großhändler und Reifenhersteller mit einer solchen Reise nach Indonesien verfolgt, bieten diese gemeinsamen Erlebnisse genau den richtigen Rahmen, in dem berufliche Gespräche allgemeiner Natur oder das speziell gesuchte Zweiergespräch mit dem zuständigen Außendienstler stattfinden können; in der richtigen Atmosphäre bei der richtigen Stimmung lässt sich alles besprechen und jedes Problem diskutieren. Zum Diskutieren gehören immer auch die richtigen Ansprechpartner. Es werden folglich nicht nur 20 der besten Gundlach-Kunden nach Indonesien eingeladen, sondern immer reisen auch einige der rund 140 Mitarbeiter des Raubacher Großhändlers mit nach Südostasien, vorwiegend Mitglieder der Verkaufsmannschaft und der Geschäftsleitung. Und damit ein möglichst großes Ideenspektrum repräsentiert ist, werden Händler verschiedenster Herkunft eingeladen, vertragsbebundene wie auch unabhängige Reifenhändler. Was sie verbindet, ist die Marke GT Radial, die sie alle im Sortiment führen und von der sie – dies gilt als allgemeine Teilnahmevoraussetzung – eine entsprechende Größenordnung im Laufe eines Jahres abgesetzt haben müssen; Reifen Gundlach setzt pro Jahr knapp eine Million GT Radial-Reifen über die deutschen Händler auf dem Ersatzmarkt ab.
Reifenproduktion „sehr komplex“
Eines der Hauptthemen, das im Moment unter den GT Radial-Händlern in Deutschland herrscht, sind die Lieferengpässe bei Gajah Tunggal. Beinahe jeder Reifenhändler hätte in der jüngsten Vergangenheit gerne mehr Reifen aus Indonesien erhalten, die Nachfrage für einen höheren Absatz jedenfalls sei da gewesen. Die Lieferschwierigkeiten hätten sich erst langsam entwickelt, sagt einer der teilnehmenden Indonesien-Fahrer, und sie beträfen gängige Größen wie auch Winterreifen. Auch Low Kian Beng, der als Managing Director und CEO den Vertrieb der GT Radial-Reifen in den ASEAN-Staaten in Südostasien für die Gajah Tunggal-eigene Handelstochter Globaltraco (Singapur) leitet, sieht die wachsende Nachfrage mit eher skeptischen Gefühlen: „Ich hoffe, dass sie schnell genug produzieren können“, sagt er anlässlich einer Produktvorführung auf dem Sentul-Rennkurs in der Nähe von Jakarta vor den deutschen und zahlreichen asiatischen Händlern. Die Lieferengpässe, die niemand näher beziffern möchte, stellen natürlich auf für den deutschen Großhändler ein Problem dar, sodass man sanft auf eine Lösung drängt. Gajah Tunggals Radialreifenproduktion in Indonesien können täglich bis zu 30.000 Stück Pkw-Reifen verlassen, was bei 350 Arbeitstagen eine Jahreskapazität von 10,5 Millionen ausmacht. Die tatsächliche Produktionsmenge dürfte aber nicht in diesen Grenzbereichen liegen, sondern wenigstens zehn bis 20 Prozent darunter, da parallel zur Produktion von GT Radial-Reifen so genannte Offtake-Agreements laufen, etwa mit Michelin oder mit Nokian, in deren Rahmen Gajah Tunggal eigene Produktionskapazitäten für diese Hersteller hergibt. Darüber hinaus betreibt Gajah Tunggal, das übrigens so viel wie „Leitbulle“ einer Elefantenherde bedeutet, fünf weitere Werke in China, mit deren Kapazitäten insgesamt rund 30 Millionen GT Radial-Reifen für Pkw produziert werden; Gajah Tunggal erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 300 bis 400 Millionen US-Dollar.
Auf diese Problematik angesprochen erklärt Gajah Tunggals COO Buddy Tanasaleh, dass man „hart an der Steigerung der Produktivität“ gearbeitet habe, und man wolle die Kapazitäten künftig weiter ausbauen. Tanasaleh deutet an, dass zu viele Dimensionen und Produktlinien in der Produktion seien und die Herstellung daher „sehr komplex“ sei. Gajah Tunggals CEO Christopher Chan deutet im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG ebenfalls an, dass es im Herstellungsprozess gewisse Engpässe gebe, die ein volles Ausschöpfen der Gesamtkapazitäten verhinderten. Diese wolle man abschaffen, erklärt Chan. Man könne allerdings froh sein, denn Lieferengpässe seien ein „gutes Problem“, eher schon eine unternehmerische Herausforderung, die auf die hohe Nachfrage nach den Produkten hinweist. Der CEO erklärt weiter, dass man im Übrigen „sehr stolz über das Erreichte ist“; 1994 produzierte Gajah Tunggal unter dem Markennamen GT Radial lediglich 3,5 Millionen Reifen, heute sind dies wie gesagt bis zu 30 Millionen, was also mehr als einer Verachtfachung in zehn Jahren entspricht. „Es entstehen viele Probleme, wenn man zu schnell wächst“, erläutert Chan das Problem, obwohl der indonesische Reifenhersteller wenigstens von seinem „Spätstart“ (Chan) profitieren konnte, denn er konnte auf dem Erreichten der Branche bereits aufbauen.
Fabrikkomplex auf 110 Hektar
Und dass Gajah Tunggal in geringer Zeit einiges in Indonesien aufgebaut hat, lässt sich bereits am Beginn einer Werksführung in Tangerang im Westen der Insel Java etwa eine Stunde von Jakarta entfernt feststellen, wo die Reifenproduktion beheimatet ist. Das Gajah Tunggal-Werk sind eigentlich wenigstens fünf Fabriken auf einem Gelände, das über 110 Hektar groß ist und das wie ein Campus aufgebaut ist. Neben der Radialreifenproduktion, die auf dem Gelände auch den weitaus größten Raum einnimmt, stellt Gajah Tunggal in Tangerang auch ein Vollsortiment an Diagonalreifen, Motorradreifen und Schläuchen her, selbst Farben und Lacke werden hier hergestellt. Mischerei, Entwicklungsabteilung, Wohnungen für Firmenmitarbeiter, ein Lager für rund eine Million Reifen – alles befindet sich auf demselben Gelände in Tangerang, das einer Kleinstadt gleicht. Die Indonesien-Reisenden waren allesamt äußerst beeindruckt von der Größe und Komplexität der Gajah Tunggal-Anlage. Der erste positive Gesamteindruck vom „Leitbullen“ des südostasiatischen Reifenmarktes wurde durch eine Führung durch die Radialreifenproduktion für Pkw weiter bestärkt. Auf den ersten Blick scheinen hier mehr Menschen zu arbeiten als in einem vergleichbaren europäischen Werk – Arbeitskraft in Indonesien ist wesentlich günstiger als Maschinenkraft. Für die GT Radial-Produktion sind 4.000 der rund 14.000 Gajah Tunggal-Mitarbeiter in Tangerang zuständig. Dennoch: Der Grad der Automation der Produktion scheint auf westlichem Niveau zu sein. An den 60 halbautomatischen „assembly machines“ werden Reifen für die vorhandenen über 160 Vulkanisationspressen gebaut. Dass die Radialreifenproduktion in Tangerang ohne weiteres auf Industrieniveau liegt, zeigt schon allein die Tatsache, dass Hersteller wie Michelin oder Pirelli einen Teil ihrer Reifen bei Gajah Tunggal produzieren lassen und dies für die anspruchsvollen amerikanischen und vor allem europäischen Märkte. Auf diesen Qualitätsindikator verweist das Führungsduo Christopher Chan und Buddy Tanasaleh gerne, sei man darauf doch besonders stolz, wie der CEO Chan erklärt. Ebenfalls stolz sei man darauf, dass innerhalb weniger Jahre die komplette Produktpalette aktualisiert werden konnte. Einen wesentlichen Anteil daran hat der finnische General Manager für Forschung und Entwicklung, Veli Nikkari, der bis zu seinem Wechsel 1997 zu Gajah Tunggal für Nokian in seinem Heimatland arbeitete. Als man 1998 in Tangerang mit der Entwicklung von HP/UHP-Reifen begann, erzählt Nikkari der NEUE REIFENZEITUNG, sei man „ein wenig skeptisch“ gewesen, ob die ehrgeizigen Ziele ohne Probleme umgesetzt werden können. Nachdem die Produktion nun aber schon drei Jahre laufe, sei Gajah Tunggal mit seinen Radialreifen in einer „äußerst guten Position“, indem „gute Performance und Qualität“ geboten werde. Der indonesischen Reifenhersteller setzt folglich auf zukunftsträchtige Märkte. Derzeit stellt GT Radial 407 eigene Reifendimensionen sowie 97 Dimensionen im Rahmen von Offtake-Agreements her; man arbeite im Moment an 47 weiteren eigenen Dimensionen wie etwa einem 20 Zoll-Reifen der 35er Serie. Und Gajah Tunggal-Chef Christopher Chan verspricht, in Zukunft noch stärker in Forschung und Entwicklung zu investieren: „Wir stärken unser F&E-Team.“ Außerdem erreiche man mit der firmeneigenen Berufsschule und den verschiedenen dreijährigen Ausbildungsgängen, in denen Theorie mit praktischen Anwendungen im Werk verbunden werden, äußerst zufrieden stellende Ergebnisse. Ein Großteil der jährlich rund 100 neuen Studenten bleibe im Unternehmen, das ihre Ausbildung finanziert, obwohl sie dazu nicht verpflichtet seien, erklärt COO Buddy Tanasaleh.
Um sich ein eigenes Bild von der Leistungsfähigkeit der neuen Gajah Tunggal-Produkte Champiro BAX und Champiro BXT zu machen, hatten die Teilnehmer von Gundlachs „VIP-Tour nach Indonesien“ auf dem Sentul-Rennkurs in der Nähe von Jakarta die Gelegenheit, selber einmal ordentlich Gummi auf der Straße zu lassen – ein beeindruckendes Erlebnis, wenn man die Umstände bedenkt: Lufttemperaturen weit über 30 Grad sowie Lenkräder und Schaltungen, die auf der ‚falschen‘ Seite im Auto sitzen, da in Indonesien Linksverkehr herrscht. Beide neuen Produkte hatten Reifen Gundlach zusammen mit Gajah Tunggal bereits auf dem gemeinsamen Messestand in Essen ausgestellt. Den Champiro BAX gibt es ab einem Speed-Index V mit 60er, 55er und 50er Querschnitten, während der Champiro BXT im HP-Segment des Marktes mit Speed-Indizes T und H mit 65er und 60er Querschnitten. Beide neuen Produkte sind Weiterentwicklungen mit Leistungssprüngen gegenüber ihren jeweiligen Vorgängern (BAX für Champiro GTZ und BXT für Champiro 65) beim Nasshandling und Nassbremsen.
arno.borchers@reifenpresse.de
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