Reifenfachhandel hat laut MMS-Jahresumfrage seine Ziele verfehlt
Im Reifenfachhandel hat sich nach dem positiven Abschneiden 1999 im vergangenen Jahr Ernüchterung breit gemacht. Dies ergab eine Umfrage der Marketing + Management-Systeme (MMS) unter 2.402 Reifenhändlern. Laut MMS GmbH (Bad König) sind 80 Prozent des Reifenfachhandels von ihren konjunkturellen Erwartungen enttäuscht. Bei den Kooperationen seien es sogar 85 Prozent. Wesentliche Ursache für die schlechte Stimmung unter den Reifenfachhändlern war laut MMS der Einbruch bei Pkw-Winterreifen. Mit 80 Prozent steht für den Reifenfachhandel weiterhin deutlich das Ziel, in diesem Jahr die Servicequalität zu erhöhen, an erster Stelle. Zum Jahreswechsel 1999/2000 hatten auf die Frage: “Wurden Ihre Erwartungen erfüllt?” noch 30 Prozent der Befragten angegeben, dass sie ihre Erwartungen überschritten bzw. 49 Prozent, dass sie ihre Erwartungen erreicht hatten. Diesmal sind es lediglich drei Prozent, die ihre Erwartungen überschritten bzw. 17 Prozent, die sie erreicht haben. Besondere Probleme bereiten dem Reifenfachhandel dabei die hohen Lagerbestände an Winterreifen. Sie verstopfen für die kommende Sommerreifen-Saison die Lager bzw. bringen einen großen Zeit- und Kostenaufwand an zusätzlichem Handling. Nach ersten Berechnungen seien beim Handel 28 Prozent der Pkw-Winterreifen (Lagerbestände aus dem Vorjahr plus neue Disposition) zum Jahreswechsel auf Lager geblieben. Das entspreche einem Volumen von rund fünf Millionen Stück abzüglich der Mengen, die in den Monaten Januar/Februar noch abgeflossen seien. Bei einem durchschnittlichen Einkaufswert des Handels von 85 DM ergebe sich ein Betrag von ca. 400 bis 425 Millionen DM, der zumindest bis zum Anlauf der nächsten Saison zu finanzieren sei. Darüber hinaus addieren sich die Handlingkosten für den Reifenfachhandel, da die Winterreifen aus den Lagern entfernt werden müssen, um Platz für die kommende Pkw-Sommerreifen-Saison zu erhalten. In einigen Fällen müssen – so die Studie – Ausweich-Lagerflächen angemietet werden, da die vorgehaltenen Kapazitäten nicht ausreichen. Filialsysteme ziehen die Reifenmengen in einem Zentrallager zusammen und haben damit zusätzliche Logistik- und Handlingkosten, abgesehen davon, dass die Reifen in der kommenden Saison wieder neu verteilt werden müssen. Dabei stellt sich die Situation für die jeweiligen Reifenmarken unterschiedlich dar. Vielfahrer und Flotten sind zum Handel gekommen und haben umgerüstet. Nicht gekommen sind die Fahrer der Mittel- und unteren Klassen bzw. die Fahrzeuge, die erst bei Schneefall und unter dem Druck des Winters den Weg zum Reifenfachhandel finden. Damit sind die Winterreifenbestände für einige Reifenmarken um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Für andere Marken haben sich die Bestände verdreifacht. Innerhalb der Marken zeige sich darüber hinaus eine unterschiedliche Bestandssituation nach Dimensionen. Einige Größen seien gut gelaufen, andere auf Lager geblieben. Die Reifenindustrie werde vor einer extremen Situation bei der Absatz- und insbesondere der Produktionsplanung für die kommende Saison stehen. Vorwiegend produziert werden sollten daher die Größen, die im Handel abgeflossen sind. Dagegen seien die Dimensionen zu vernachlässigen, die auf Lager liegen geblieben sind. Darüber hinaus werde die Reifenindustrie bei einer Finanzierung der Winterreifen bis zur nächsten Saison die Kreditlimits der Händler überprüfen und anpassen müssen. Das ausgebliebene Winterreifengeschäft wird beim Reifenfachhandel Liquiditätsengpässe bringen, die damit das kommende Geschäft mit Pkw-Sommerreifen belasten. Verstopfte Lager und Liquiditätsengpässe führen zwangsläufig zu einem veränderten Dispositionsverhalten, wobei der Handel ohnehin die Lagerbestände abbauen will. Des Weiteren werde der Reifenfachhandel durch die Anpassung der Kreditvergabe der Banken an internationale Ratingstandards praktisch aufgefordert, ein zeitnahes, aussagefähiges und umfassendes Rechnungswesen/Warenwirtschaftssystem einzuführen. Den Banken soll damit ein vertiefter Einblick in die Unternehmen möglich werden – auch in die private Situation des Unternehmers. Es reiche daher nicht mehr, bei Banken mit einer zwei Jahre alten Bilanz wegen eines Kredites vorzusprechen. Autoservice bringt nicht den Ausgleich In den vergangenen Jahren war der Autoservice der Investitionsschwerpunkt des Reifenfachhandels. Die Ergebnisse des Jahres 2000 machen deutlich, dass ein Durchbruch in diesem Markt bisher nicht erfolgte. Das eigentliche Ziel, saisonale Abhängigkeiten vom Winterreifengeschäft zu beseitigen und zu einer über das Jahr besser verteilten Auslastung von Personal, Fläche sowie Gebäuden zu kommen, sei bisher nicht erreicht worden. Eine der wesentlichen Ursachen dafür sind laut MMS-Studie die unterschiedlichen Befindlichkeiten der Mitarbeiter. Reifenmitarbeiter und Kfz-Mitarbeiter leben und arbeiten in unterschiedlichen Welten. Darüber hinaus fehlten dem Reifenfachhandel die notwendigen Kundenbindungssysteme, um Autofahrer für weitere Reparatur- und Wartungsarbeiten zu begeistern. Es zeige sich, dass die Kaufintervalle bei Reifen zeitlich zu lang seien, um über diesen Rhythmus Kfz-Arbeiten anzubieten und durchzuführen. Des Weiteren seien Zweifel dahingehend angebracht, ob der Reifenfachhandel in den Augen der potenziellen Kunden die erforderliche Kompetenz für die Arbeiten am Fahrzeug in der vergangenen Zeit erworben habe. Erschwerend komme hinzu, dass der Wettbewerb um den Werkstattkunden härter geworden sei und weiter an Härte zunimmt. So ist das Ergebnis einer Studie, die der Zentralverband des Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) in Auftrag gegeben hat, dass in den nächsten zehn Jahren der Wartungs- und Reparaturaufwand pro Fahrzeug von knapp fünf Stunden pro Jahr auf 2,6 bis drei Stunden zurückgeht. Konsequenz: “In einem tendenziell rückläufigen Markt reichen auch Fahrzeugbestandszuwächse nicht mehr aus, um diese Rückgänge auszugleichen. Die Märkte werden enger.” Die Studie kommt zu dem Schluss, dass “der Reifenfachhandel – wenn überhaupt – zu spät begonnen hat, in einen rückläufigen Markt zu investieren. Jetzt braucht er einen langen Atem und ausgezeichnete Führungsqualitäten, um in einem immer schwieriger werdenden Markt zum Erfolg zu kommen.” Internet als neuer Investitionsschwerpunkt Der Reifenfachhandel will sich für das Internet-Zeitalter rüsten. So liegt der Investitionsschwerpunkt im Jahr 2001 im Internet. Obwohl die Investitionsneigung zurückgeht, planen 74 Prozent der Händler Erweiterungen/Investitionen und davon wiederum 59 Prozent in Internet-Lösungen. Mit 63 Prozent liegt dieser Schwerpunkt bei Kooperationen wesentlich höher als mit 51 Prozent bei Ketten/lokalen Händlern. Dabei setzen 62 Prozent der Händler auf einen gemeinsamen Internet-Auftritt mit den Kooperationen, 59 Prozent auf einen eigenen Internet-Auftritt, und 21 Prozent wollen mit den Reifenherstellern die Internet-Zukunft angehen. Nach dem Internet ist die EDV-Vernetzung mit der Industrie der nächste Investitionsschwerpunkt, gefolgt von Investitionen in die eigene EDV-Landschaft. Der Reifenfachhandel will seine Investitionspolitik ändern. So ist der Anteil der Ersatzinvestitionen mit 30 Prozent deutlich gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, als es noch 39 Prozent waren. Dagegen ist der Anteil der Rationalisierungsinvestitionen von 24 Prozent im Vorjahr auf 29 Prozent in 2001 gestiegen. Der Reifenfachhandel investiert in Produktivität, will sein Unternehmen, die Abläufe/Prozesse optimieren und die Kosten senken. Der Rationalisierungsdruck ist bei den Ketten/lokalen Händlern besonders hoch. So liegt der Anteil der Rationalisierungsinvestitionen mit 34 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Ausblick des Handels auf 2001 Deutlich ist die Zahl der Händler gegenüber dem Vorjahr gestiegen, die Möglichkeiten für Preiserhöhungen sehen. Konjunkturelle Verbesserungen der Geschäftslage für das Jahr 2001 erwarten lediglich 16 Prozent (199: 22 %). 25 Prozent (1999: 13 %) gehen von einer ungünstigeren, die Mehrheit von 59 Prozent (1999: 65 %) von einer unveränderten Lage aus. Dagegen erwarten 39 Prozent der Händler eher negative Auswirkungen auf ihr Geschäft durch den verstärkten Markteintritt von ATU, den Automobilherstellern und den Werkstatt-Systemen. 56 Prozent wollen abwarten, was kommt. Weitere Aussagen zum Dispositionsverhalten, den Schwerpunkten in der Vermarktungspolitik 2001, die Einschätzungen des Handels zu Handelsmarken sowie die Korridore zu Preiserhöhungen bzw. -senkungen einschließlich der Prozentanteile verschiedener Preislagen am Pkw-Umsatz und mehr können der traditionellen MMS-Jahresumfrage in Reifenfachhandel entnommen werden. Der umfassende Bericht mit 150 Seiten kann bei der MMS GmbH (Tel.: 06063/3055) bestellt werden.
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