Das „Mehr-Marken-Modell“: Die vier Marken der Alcar-Gruppe
Nein, zufällig sei an den Positionierungen der vier Aluminiumrädermarken AEZ, Dotz, Dezent und Enzo gar nichts, sagt Norbert Frohner, bei der Alcar-Gruppe (Hirtenberg/Österreich) als General Manager für die Premiummarke AEZ zuständig, die in Deutschland in Siegburg präsent ist (als AEZ Leichtmetallräder GmbH). Gerade in die Premiummarke im Markenverbund investiere Alcar beträchtliche Summen, wie es für eine solche Positionierung auch erforderlich sei, um „top of the market“ zu sein. Während die Investitionen in die Marke Dotz, die mit ihren spektakulären Auftritten und Aktionen in der Räderzunft schon einige Benchmarks gesetzt hat, kaum geringer sein dürften, kommt Dezent schon wesentlich unaufgeregter daher und ist Enzo zwar nicht am untersten Ende der Preisskala des Rädermarktes, aber doch als Budgetmarke angesiedelt, für die nur ein verschwindend kleines Marketingbudget vorgesehen ist.
Marketing ist eng verbunden mit Werbung und Messepräsenzen, in beiderlei Hinsicht ist kaum ein Unternehmen derart rege wie Alcar. Ob Tuning World Bodensee oder Essen Motor Show, ob bei der globalen automobilen Glitzerwelt, die sich beim Internationalen Auto-Salon Genf ein Stelldichein gibt, oder ganz bodenständig bei Hausmessen: Die ganze Klaviatur der potenziellen Messeengagements wird bespielt – mal im Solo, mal im Duett mit einem nationalen Partner wie in der Schweiz. Fast, möchte man das aus Sicht einer Reifenfachzeitschrift einschränken, denn mit der Essener „Reifen“, die alle zwei Jahre so um Ende Mai/Anfang Juni stattfindet, tut man sich (noch?) etwas schwer: „Selbst unsere Winterräderaufträge für die folgende Saison sind zu dem Zeitpunkt so gut wie abgeschlossen“, begründet Frohner.
Ihm ist vor allem wichtig darauf hinzuweisen, dass Händlernähe eine übergeordnete Prämisse ist. In dieser Hinsicht ist Alcar immer wieder bemüht, vor allem die Reifenhändler bei der Präsentation und schließlich beim Abverkauf von Aluminiumrädern zu unterstützen. Erst im Herbst letzten Jahres wurden zwei Volkswagen T5 samt Anhänger in Betrieb genommen – von denen die Österreicher übrigens einen exklusiv für den deutschen, von Siegburg aus betreuten Ersatzmarkt reserviert haben –, die auf Aktionen wie „Tage der offenen Tür“ beim Reifenfachhandel, dessen Teilnahmen an lokalen Messen etc. zugeschnitten sind. In weniger als einer Stunde verwandelt sich das rollende Alcar-Gespann in eine veritable Ausstellung von Räderschönheiten – und trägt damit dem Bedürfnis des potenziellen Verbrauchers Rechnung, solch ein Rad nicht nur zu betrachten, sondern auch mal ganz konkret in die Hand zu nehmen.
Wo irgendwie Wirbel rund ums Automobil ist, wo ein Spektakel herrscht, da wird es für Alcar interessant, Beispiel: das legendäre GTI-Treffen am Wörthersee. Zu dieser Kultveranstaltung hatte das Unternehmen – zum Charakter der Veranstaltung passend durch die Marke Dotz – im letzten Jahr sogar eine Sonderserie eines Designs aufgelegt. In der ungleich nobleren Welt des Segelsports kennt man hingegen inzwischen die Marke AEZ, bis hinauf in die technisch anspruchsvollen Klassen bzw. den Hochleistungsbereich. Womit wir denn bei den Differenzierungen der einzelnen Marken wären.
Für Verbraucher, die sich etwas gönnen wollen und auch können
Die Luft bei den Premiummarken des Alurädermarktes ist recht „dünn“. Exklusivität und Volumina generieren sind Dinge, die sich schon von den Begrifflichkeiten her ausschließen. Segeln ist kein elitärer Sport, dafür sind einfach zuviele Freizeitkapitäne auf den Seen, Flüssen und Meeren unterwegs. Die Unterschiede von der kleinen Jolle bis zur Rennyacht im „America’s Cup“ widerspiegeln sich im automobilen Bereich durch Marken von vielleicht Dacia bis Bugatti.
Wohl etwas mehr als zwanzig Boote stehen europaweit inzwischen unter AEZ-Segeln, allen voran ein Regattayacht RC44 (RC steht für die Segellegende Russell Coutts und 44 für die Bootslänge 44 Fuß), die wie in einem Markenpokal zur sportlichen Herausforderung antritt. Bei den sechs Regatten der RC44 Championship Tour 2012 ist AEZ einer der großen Sponsoren, die unter AEZ RC44 Sailing Team antretende Yacht, die sich im letzten Jahr noch mit hinteren Platzierungen begnügen musste, ist äußerst erfolgreich in die neue Saison gestartet und lässt darum viel erhoffen.
Der „RC44 Cup“ wurde auch schon mal als „Mercedes unter den Regatten“ bezeichnet. Und genau in dieser Klasse soll AEZ positioniert sein. Der Sport in dieser Wettkampfklasse ist technisch extrem aufwendig, steht auf einem sehr anspruchsvollen Niveau und ist höchst dynamisch. Beispielsweise kommen bei den Yachten die aufwendigsten Materialien und Konstruktionen zum Einsatz, um Gewicht einzusparen. Wie bei einem Aluminiumrad, das Premiumansprüchen genügen will. Und solch ein Rad gönnt sich der Verbraucher, der sich etwas leisten kann und auch will. Mit dem Engagement im Segelsport – übrigens unterstützt AEZ da auch die Nachwuchsarbeit, schließlich wächst hier der potenzielle AEZ-Kunde von morgen heran – hat die Alurädermarke ihr Äquivalent gefunden. Das passt, das ist stimmig, das vermittelt Authentizität.
Segeln mag eine Nische sein, aber erstens eine, die AEZ besetzt hat und zweitens eine, die auch von Nichtseglern respektiert wird. Nischen und damit auch mal kleinere Stückzahlen sind bei AEZ durchaus auch gewollt, wie ein recht neuer Ansatz bei der Marke zeigt: Man kennt auf bestimmte Automarken, ja sogar -modelle speziell zugeschnittene Winterräder, AEZ legt Designs aber auch fürs Frühjahrsgeschäft auf unter dem Motto „For Mercedes only“ oder „For BMW only“. Mit dieser Idee ist technisch perfektes, fahrzeugmodellspezifisches Feintuning möglich mit der Folge, dass sich unter Ausnutzung sämtlicher technischer Möglichkeiten noch einmal eine erkleckliche Einsparung beim Radgewicht ergibt. AEZ hat damit das Geschäftsmodell der Markentuner aufgegriffen mit dem Unterschied, nicht die Markenautohändler erreichen zu wollen, sondern die „Universalvermarkter“, die Reifenhändler nun mal sind.
Klar, dass angefangen vom Katalog bis hin zum Display oder Messeauftritt von AEZ alles eine edle Anmutung hat. Darüber hinaus ist gewährleistet, dass sämtliche AEZ-Gussräder, bei denen übrigens jeweils der Markenschriftzug im Felgenbett eingegossen ist, „made in Germany“ sind, schließlich hat die Gruppe in Neuenrade vor wenigen Jahren eine neue Räderfabrik errichtet, die damals „state of the art“ war, dank laufender Investitionen immer noch ist und inzwischen die Kapazitäten auf etwa 1,2 bis 1,3 Millionen Stück jährlich in etwa verdoppelt hat.
Für Verbraucher, die autoaffin sind und das Spektakel lieben
Der Ansatz für die zweite Aluräderhausmarke Dotz liest sich fast wie ein Kontrastprogramm zu AEZ. Nein, den „Made in Germany“-Anspruch kann man nicht zu hundert Prozent erfüllen. Wie auch bei Dezent und Enzo könne es sein, dass eine Zweit- oder Drittkokille bei einem Aluräderhersteller beispielsweise in der Türkei oder in Fernost platziert sei. Allerdings: Auf gesicherte Produktionsqualität wird dabei sehr wohl geachtet, die Hersteller sind beispielsweise als Erstausrüstungslieferanten höchst anerkannt.
Nein, die gutsituierte Seglerklientel findet man unter den potenziellen Dotz-Käufern eher nicht. Vermutlich ist der durchschnittliche Dotz-Käufer einige Jahre jünger als der einer Premiummarke und sicherlich auch nicht so solvent. Aber eine gewisse Unverwechselbarkeit bei der Einordnung in eine Käufergruppe zeichnet ihn sehr wohl aus. So hat er Spaß am automobilen Sport: Gewiss, Formel 1 oder DTM sind von Interesse, erscheinen in ihrem technologischen Anspruch aber zu weit entfernt. Dotz engagiert sich im Driftsport und wird dort auch 2012 bei der Krönungszeremonie des „King of Europe“ in vorderster Reihe stehen, hat einen „Dotz Teamrider“ als Markenbotschafter. Der ist in dieser Funktion allerdings nicht allein. Denn wo solcherlei Motorsport betrieben wird, da gibt es auch „Girls“, hier ein jährliches „Dotz Girl“ als Testimonial. Wobei es Norbert Frohner wichtig ist darauf hinzuweisen, dass es mit dem Selbstverständnis des Unternehmens gar nicht vereinbar wäre, an eine Grenze zu geraten, die bei extremen Motorsportevents manchmal überschritten wird. Mit anderen Worten: sexy ja, aber nicht in die Gefahr geraten, als „sexistisch“ in eine Ecke gestellt zu werden.
Das Spektrum der „Testimonials“ reicht im Übrigen über das motorsport- und tuningnahe Spektrum hinaus: Extremsportler – hier zum Beispiel Mountainbiker – bieten sich an. Damit wird die Stimmung einer jungen Generation aufgegriffen, die etwas ausprobieren will, vielleicht für den Geschmack Älterer manchmal zu wild ist, aber in jedem Falle Abbild eines Zeitgeistes. Diese Zielgruppe – auch das gehört dazu – ist äußerst aufgeschlossen gegenüber Neuem: Auf den Produktseiten im Dotz-Katalog besteht nun wahrlich kein Mangel am QR-Code, den die jungen Leute mit ihrem Handy auch nutzen, sie sind zu Hause in der Welt der Tech-Icons und Apps.
Das mit der Markenanmutung von Dotz verbundene Spektakel spiegelt sich im „Dotz Mag“ wider, das – aufwendig produziert – in diesem Jahr bereits zum fünften Mal erscheint und in der Zielgruppe bekannt, für viele gar zu einem Kultmedium geworden ist. Die Möglichkeiten extremer Individualisierung rund ums Dotz-Rad werden durch die verschiedensten Ventil- und Nabenkappen, Aufkleber, Merchandising- und Fashion-Artikel auf die Spitze getrieben. Und wie bei AEZ, so gibt es auch bei Dotz eine Nische des Marktsegmentes, die inzwischen für diese Alurädermarke reserviert ist: offroad, womit das echte Geländeabenteuer gemeint ist und nicht das Flanieren des Luxus-SUV auf dem Boulevard der Eitelkeiten. Weil von den Hardcore-Offroadern gewünscht, beschränkt sich das Dotz-Räderprogramm übrigens nicht nur auf Aluminium, sondern – ein Stahlräderwerk in der Alcar-Gruppe macht’s möglich – beinhaltet auch Stahl als Rädermaterial.
Für Verbraucher, die gar nicht aus der Masse herausragen wollen
AEZ und Dotz sind Marken, die in hohem Maße der Individualität frönen. So üppig wie das Dezent-Programm bestehend aus etwa zwei Dutzend Radfamilien mit jeweils drei bis acht Größen- und einigen Oberflächenvarianten ist könnte man meinen, auch hier seien Extreme angestrebt. Aber das ist eher nicht der Fall: Dezent-Räder liegen im allgemeinen Zeitgeist, sind – im Neudeutsch – „Mainstream“. Der Käufer von Dezent-Rädern hat zwar eine breite Auswahl an Designs, die aber provozieren nicht, reizen weder zur bedingungslosen Begeisterung noch zur Ablehnung, polarisieren also nicht. Aus der Sicht der oben beschriebenen Klientel sind Dezent-Räder „gediegen“, aus der Sicht des Dezent-Kunden „schick“.
Klar, dass für eine Marke, die im Fluss des Zeitgeistes schwimmt, die Marketingaufwendungen die geringsten sind. Man tut ja in etwa das, was auch andere tun, setzt keine Trends, erfüllt aber sehr wohl die Bedürfnisse einer breiten Schicht. Das erfordert Markenpflege, erhebt aber nicht den Anspruch, Avantgarde zu sein. Beim vierten Vertreter im Alcar-Markenstrauß ist der Anspruch auf das Kriterium geschrumpft, bei dem Marketingstrategen sich leicht unterfordert fühlen könnten: Enzo-Räder sind preisgünstig. Für sie ist kein Werbeaufwand notwendig, verkaufsunterstützende Maßnahmen würden die spärlichen Margen auffressen. Enzo ist für einen Vollsortimenter ein „Must“, ein wenig ungeliebt, aber schließt bei der Marktabdeckung eine nun einmal nicht zu leugnende Lücke.
Marketing für Verbrauchergruppen
Bei der Schaffung von Markenwelten für Aluminiumräder geht Alcar vom Verbraucher aus, betont Norbert Frohner. Und er verweist darauf, dass das nicht nur Eigeninteresse ist, sondern auch dem Händler dienen kann. Fährt der Kunde auf den Hof, so kann er schon die Tendenz erkennen: Für den Phaeton-Fahrer bietet sich gewiss AEZ an, für den getunten Golf Dotz und für den Serien-Golf eher Dezent; handelt es sich um einen Golf IV, so muss vielleicht mit Enzo die letzte Verkaufschance versucht werden. Das Alcar-Mehr-Marken-Modell deckt jedenfalls das größte denkbare Spektrum ab. detlef.vogt@reifenpresse.de
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