Erstausrüster fordern 99-prozentige Termintreue vom Logistiker
Logistikdienstleister, die in der Erstausrüstung als Schnittstelle zwischen Reifen- und Automobilhersteller fungieren, müssen neben viel logistischem Know-how auch über leistungsstarke IT-Systeme verfügen. Nur dann können sie den komplexen Anforderungen der Autobauer genügen und eine Just-in-time-Lieferung sicherstellen. „Weil der Automobilhersteller für die Produktion nur einen geringen Reifenbestand vorhält, sind wir für die Just-in-time-Anlieferung der Erstausrüstungsreifen verantwortlich“, skizziert EJS-Geschäftsführer Bernd Lindenkamp den Auftrag. Das bedeutet: Der Reifenhersteller und die Erich Jachmann Spedition (EJS) als dessen Logistikdienstleister mit Reifenlagerstandort Wülfrath müssen die richtigen Reifen zeitgenau und in der richtigen Reihenfolge in die Montage des Automobilherstellers einschleusen. Bernd Lindenkamp: „Dabei haben wir uns zu einer 99-prozentigen Termin- und Liefertreue verpflichtet.“ Diese Anforderung erfordere exakt getaktete Logistikprozesse.
„Die Fahrzeughersteller legen größten Wert auf innovative, ausgereifte Logistikkonzepte, deren Realisation eine optimale Materialversorgung der Montagebänder sicherstellt“, bestätigt Professor Dr.-Ing. Uwe Dombrowski, geschäftsführender Leiter des Instituts für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung der Technischen Universität Braunschweig. „Dabei verlangen sie nicht nur eine kontinuierlich steigende Servicequalität, sondern auch Kosteneinsparungen sowie in einem zunehmenden Maß umweltgerechte Transportverfahren, so genannte Green Logistics.“
Um diesen komplexen Ansprüchen gerecht zu werden, müsse ein Logistiker ein hohes Maß an Know-how und Flexibilität in die Waagschale werfen und leistungsfähige IT-Lösungen einsetzen können. Die Basis der Steuerung bildet ein computergestützter Just-in-time-Kalender. Darin wird die exakte Produktionsplanung eines Automobilherstellers mit Montageschichten, die Ablaufdauer für einzelne Montagesequenzen und Urlaubsplänen im Detail eingegeben und gepflegt „Wir nutzen dazu von Fall zu Fall entweder kundeneigene Systeme oder bilden die Prozesse in unserem eigenem Programm ab“, so Bernd Lindenkamp. „Der Just-in-time-Leitstand dient als operationales Zentrum der Automotive- und Reifenlogistik. Mit seiner Hilfe werden auf Grund eines Lieferabrufs des Automobilherstellers zugleich auch Lieferaufträge an Reifenhersteller generiert, die zu liefernden Reifen im System erfasst und ihr Transporttermin getaktet.“
Ein ausgeklügeltes Schichtdienstsystem soll dafür sorgen, dass bei EJS die Gabelstapler rund um die Uhr im Einsatz sein können. Damit sie jeden Auftrag schnell und präzise erledigen, sind die Mitarbeiter mit einem mobilen Datenterminal ausgestattet. Zu Schichtbeginn melden sie sich mit ihrer persönlichen Kennung an und nennen die Fahrzeuge, die sie an diesem Tag nutzen. Daraufhin erhält jeder von ihnen über das Just-in-time-Terminal genaue Anweisungen, aus welchen Hallen er wann welche Reifen zur Verladestation transportieren muss.
Um die Ladefläche eines Sattelschleppers optimal auszunutzen, werden die Reifen im Fischgrätenmuster übereinander geschichtet, wie Thorsten Frieske, Geschäftsführer der CI Automotive Service GmbH (CIAS) mit Hauptsitz in Hamminkeln erläutert. Die CIAS gehört wie die Erich Jachmann Spedition zur CI-Unternehmensgruppe, einem Verbund von neun Logistikdienstleistern. „Im Zeichen der Green Logistics achten wir auf die hohe Auslastung der Lkw sowie eine präzise Routenplanung, um Verspätungen zu vermeiden, Zeit, Energie und Kosten zu sparen und dadurch auch die Umwelt zu schonen.“ So lasse sich durch das Zusammenlegen von Touren oder das Kombinieren von Auslieferung und Abholung die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge deutlich verringern. „Müssen für einen Transport über 420 Kilometer nur zwei statt drei Lkw eingesetzt werden, wird der Ausstoß von über 420 Kilogramm CO2 vermieden“, führt Thorsten Frieske weiter aus.
Auslagerung von Aufgaben
Beim Thema Reifenlogistik tauschen sich Bernd Lindenkamp und Thorsten Frieske regelmäßig mit Ralf Bartsch aus. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der CI-Unternehmensgruppe (Hamminkeln) ist seit über 30 Jahre in der Logistikbranche tätig und verfügt auf dem Gebiet der Reifenlogistik über einen großen Erfahrungsschatz. Bereits Anfang der 1990er Jahre entwickelte er für einen asiatischen Reifenhersteller ein neues Distributionskonzept für den deutschen Markt. „Dazu errichteten wir drei Logistikzentren, deren Standorte sich an der Nachlaufoptimierung orientierten: Hannover, Duisburg und Mannheim“, erläutert Ralf Bartsch. „Die importierten Reifen wurden im Container über die Rhein-Schiene beziehungsweise per Güterzug auf die drei Zentren verteilt. Der Standort Hannover versorgte Reifenhändler in Nord- und Ostdeutschland. Abnehmer im mittleren Teil Deutschlands wurden von Duisburg aus beliefert, die Reifen für die Händler im südlichen Teil der Bundesrepublik kamen aus Mannheim.“
Den Transport der Container von Antwerpen nach Duisburg übernahmen Binnenschiffe. Für den Transport der Boxen in den Raum Hannover und Mannheim sowie den dortigen Umschlag kooperierte Ralf Bartsch mit strategischen Partnern. Ebenso für das Warehouse-Management an den drei Standorten sowie für die Distribution der Waren zu den Abnehmern. „Dadurch konnten wir dem Hersteller den Einsatz moderner Lagermanagementsysteme inklusive Barcode-Scanning, EDI und Sendungsverfolgung per Tracking and Tracing gewährleisten“, nennt Bartsch Vorteile der Kooperationen. Sein Logistiksystem funktionierte. Fortan gelang dem Hersteller, woran er zuvor gescheitert war: Die Reifen innerhalb von 24 Stunden nach der Order dem Händler auszuliefern.
„Es gibt gute Gründe dafür, bestimmte Aufgabenbereiche nicht mehr in Eigenregie durchzuführen, sondern einem spezialisierten Dienstleister zu übertragen“, unterstreicht Detlef Spee, Abteilungsleiter Intralogistik und -IT Planung, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, Dortmund. Wenn ein Reifenfachhändler seine Logistik auslagere, könne er
• sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren und darin an Produktivität gewinnen,
• seine Fixkosten für Immobilien, Fahrzeuge, Maschinen, Computer und Personal variabler gestalten,
• permanent von moderner Technologie profitieren, ohne selbst Geld für die Anschaffung investieren zu müssen und
• Kapital freisetzen und in andere Unternehmensbereiche investieren.
Eine Entscheidung pro oder contra Outsourcing sollte die Unternehmensleitung aber erst treffen, nachdem sie folgende Fragen beantwortet hat:
• Welches Kapital wird durch die interne Abdeckung der Leistungen gebunden, die outgesourct werden sollen?
• Welche Rendite wirft dieser Bereich für das Unternehmen ab?
• Wie hoch sind die Fixkosten in diesem Bereich?
• Welche variablen Kosten fallen an?
• Können die Strukturen in dem Bereich, der outgesourct werden soll, noch so verbessert werden, dass eine Auslagerung nicht mehr notwendig ist?
„Der letzte Punkt birgt einen besonderen Vorteil“, bestätigt Detlef Spee „Da der Outsourcing-Dienstleister sein Angebot an den vorhandenen Strukturen ausrichtet, gilt: Je besser der Zustand dieser Strukturen ist, desto preisgünstiger fällt sein Angebot aus – und umgekehrt.“ ab
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!