Frischer Wind für TyreXpert
In wenigen Monaten wird der Großhändler „RS Exclusiv Reifen, Räder & Autoteile“ zwanzig Jahre alt. Firmengründer und Gesellschafter Thomas Schmidt führt nach wie vor die Geschäfte, zwei seiner Söhne besetzen aber bereits Schlüsselpositionen und tragen Verantwortung. Das Unternehmen ist jung, das Management ist jung, wenn Thomas Schmidt etwas Verstaubtes entdeckt, dann wird das weggepustet. So wie aktuell der ja eigentlich in Schleswig-Holstein gut eingeführte Einzelhandelsname „Gummi Grassau“. Der Namensbestandteil „Gummi“ ist aus der Zeit gefallen, der Herr Grassau ist auch Geschichte geworden. Eine anglizistische Anleihe, und schon wird Modernität signalisiert: „TyreXpert“!
Vor acht Jahren hat Schmidt die damals elf Grassau-Filialen übernommen. In der Folgezeit wurden unrentable und nicht sanierungsfähig erscheinende Standorte geschlossen, vor allem aber expandiert. 30 Betriebe macht das Filialnetz aktuell aus. Unlängst konnten einige Premio-Betriebe ebenso übernommen werden wie einer von Reifen Weigel in Lübeck. Bei diesem Tempo können gar noch nicht alle 30 Outlets auf das „TyreXpert“-Erscheinungsbild umgestellt sein, aber lange – da kann man sicher sein – wird der Abschluss dieser Umstellung nicht lange auf sich warten lassen. Auch die derzeit 13 eigenen Pannenservicefahrzeuge sorgen mit ihrer „TyreXpert“-Lackierung für mehr Wiedererkennung beim Konsumenten.
Seit vier Jahren residiert RS Exclusiv in Hohenwestedt, zwanzig Kilometer westlich vom Gründungsstandort Neumünster. Mit einem Mitarbeiterteam von etwa 50 Festangestellten und gut zehn Saisonkräften hat RS Exclusiv im Jahr 2010 etwa 1,1 Millionen Reifen vermarktet und einen Umsatz von knapp 55 Millionen Euro generiert. Den Fuhrpark mit 15 Mitarbeitern hat Schmidt „outgesourct“, wie es so schön heißt.
Für die kommende Winterreifensaison rechnet er gegenüber dem Rekordvorjahr mit einem moderaten Marktrückgang in Höhe von vielleicht fünf bis zehn Prozent, was ja auch noch ein zufriedenstellendes bis gutes Geschäft wäre. RS Exclusiv hat sich jedenfalls gut bevorratet, rechnet aber wie andere Marktteilnehmer auch mit Lieferproblemen, die vor allem die Rennergrößen bei den Premiummarken betreffen dürften, aber auch deren Drittmarken. Bewährt hat sich und eine vertrauensbildende Maßnahme war in der vergangenen Wintersaison angesichts der eklatanten Warenknappheit, dass der Großhändler bei seinen Kunden kontingentiert hat und – erleichtert und beschleunigt durch Investitionen in eine Verpackungsstraße – verstärkt auch zwei- und vierstückweise ausgeliefert hat. Im Grunde hat er damit umgesetzt, was manche Hersteller in diesem Jahr praktizieren: Wer (verglichen zum Vorjahr) vielleicht 150 Prozent bestellt, erhält erst einmal 80 Prozent. Aber das ist letzten Endes nicht das, was der Großhändler Thomas Schmidt als seine Aufgabe empfindet: „Ich will irgendwann nicht mehr über Menge reden, sondern wieder über Preise.“
Das Unternehmen RS Exclusiv erscheint in permanentem Wandel. In den 90er Jahren galt der Newcomer unter den Grossisten eher als Protagonist von Budgetmarken und fast völlig auf Pkw-Reifen fokussiert. In diesem Jahr dürfte sein Unternehmen allerdings schon ca. 50.000 Lkw-Reifen vermarkten, berichtet Schmidt und zählt dabei die Premiummarken des Marktes (Michelin, Continental, Bridgestone, Goodyear/Dunlop, aber auch Hankook) auf, mit denen er direkt zusammenarbeitet und von denen er die Ware direkt bezieht. Tauschgeschäfte, wie andere Reifengrossisten sie gelegentlich untereinander betreiben, sind sein Ding nicht.
RS Exclusiv ist Vollsortimenter geworden, auch weil sich durch die Übernahme Grassaus das Produktsortiment fast automatisch erweitert hat. RS ist ein Großhändler für Ackerschlepper-, Lkw-, Motorrad-, Pkw- und Baumaschinenreifen. Bei letzteren gebe es noch Defizite, wie Thomas Schmidt aus freien Stücken bekennt. Er redet geradeheraus und verschweigt nicht, wenn einmal etwas wie beispielsweise auch die Umstellung auf den „TyreXpert“-Auftritt nicht so optimal gelaufen ist. Komplettiert wird das Großhandelsprogramm um Felgen – bei solchen aus Stahl von Magnetto, bei solchen aus Aluminium vor allem aus der Uniwheels-Gruppe mit ATS/rial/Alutec/Anzio sowie als Ergänzungen OZ/MSW/Sparco bzw. Wheelworld/Axxion – und die üblichen Verschleißteile für Fast-Fitter (Öl, Filter, Bremsen, Kupplung etc.).
Von der „Eigenmarken“-Idee hat sich Thomas Schmidt abgewandt. Die ihm 2005 exklusiv anvertraute Pkw-Marke „America“ findet man heute im ATU-Programm. Aufbau und Pflege einer Reifenmarke ist aufwendig, kostet Engagement, aber auch Geld. Thomas Schmidt hat sich daran erinnert, dass er einst größter Barum-Vermarkter Deutschlands war. Diese Marke pflegt er auch und investiert in sie hinein, aber der Hersteller Continental macht das auch, und zwar viel intensiver als ein Grossist dies könnte.
Auf der Budget-Ebene nennt der RS-Geschäftsführer ferner Sava, Falken und Marangoni am unteren Ende des von ihm vermarkteten Programms. Low-Budget-Reifen beispielsweise aus Fernost führt er nicht (mehr), sie würden aktuell auch nicht zum Unternehmen passen. Im Mittelpreissegment – in dem er sein Unternehmen als partnerschaftlich orientierten Mittler zwischen Industrie und Einzelhandel auch im Kreis der Grossisten positioniert sieht – bedient er sich der Zweit- und Drittmarken der großen Konzerne. Dass Kleber dabei einen Ganzjahresreifen im Programm hat, ist für das in Norddeutschland verankerte Unternehmen ein glücklicher Umstand, ist dies doch die natürliche Absatzregion für Allwetterreifen.
Die Grenzen ausdehnen
RS Exclusiv deckt die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg voll ab, Mecklenburg-Vorpommern partiell und Nordniedersachsen plus Bremen. Diesen Einzugsbereich möchte Thomas Schmidt gerne ausdehnen. Und TyreXpert soll das Instrument sein, das dieses Wachstum ermöglicht. Gegebenenfalls durch übernommene Reifenfachhandelsbetriebe, vor allem aber durch eine intensivere Akquisition von Partnerbetrieben. RS Exclusiv ist Serviceprovider und in seiner Funktion als Großhändler mit einer Lagerkapazität von mehr als einer Million Reifen und 250.000 Fahrzeugrädern auf knapp 30.000 Quadratmetern das Rückgrat des Konzeptes, TyreXpert ist der Name der eigenen Fachhandelsfilialkette, aber auch die Verwirklichung der Franchise-Idee.
Franchising ist für Schmidt kein Neuland, er ist auch Irrwege gegangen schon in den 90-er Jahren. Mit dem im letzten Jahr gestarteten Konzept der „Eigenmarke“ TyreXpert (als solche eingetragen) wird dreigleisig verfahren: Da sind die derzeit dreißig eigenen Outlets, die auf die gemeinsame Corporate Identity umgestellt werden. Ferner sollen einerseits TyreXpert-Premiumpartner und andererseits TyreXpert-Montagepartner gewonnen werden.
Das Angebot für TyreXpert-Montagepartner ist gewissermaßen eine abgespeckte Version des Premiumbaukastens. Kosten entstehen für die freien Händler nicht, ihr Aufwand ist gering, außer dem Verdienst an Reifen und Montage winken Erträge durch Zusatzleistungen. Über die von RS Exclusiv betriebene Domain „tyrexpert.de“ haben auch die Montagepartner gleichsam als „Softfranchiser“ Zugriff auf die große Warenverfügbarkeit des Grossisten. Weil das Internet nicht an den Grenzen von Bundesländern halt macht, bietet sich das „TyreXpert“-Konzept auch für Händler außerhalb des RS-“Heimatmarktes“ Norddeutschland an.
Premiumpartner können Reifenfachhändler werden, die Anlehnung an eine Gemeinschaft suchen und Unterstützung in den Bereichen Werbung, Marketing, Verkauf und Weiterbildungen. Die Bausteine kennt man von anderen Kooperationen: Es gibt einen Jahresbonus, Preisstabilität, Außendienstbetreuung, Stammtisch zum Meinungsaustausch, Schulungen, Reifengarantie, Hilfe bei Veranstaltungen und der Erstellung eines Internetprofiles.
Wer sich als Premiumpartner in der Außendarstellung des TyreXpert-Auftrittes bedient, der verfügt mit der Internet-Endverbraucherplattform „tyrexpert.de“ in besonderem Maße über ein „Kundenzuführungsinstrument“, der Premiumpartner ist auch „TyreXpert“-Montagepartner.
Wofür Thomas Schmidt und seine Mannschaft sorgen wollen, das ist ein höherer Bekanntheitsgrad. Man habe das Marketing nach dem Ausscheiden der verantwortlichen Kraft eine Zeitlang schleifen lassen, räumt der RS-Gesellschafter ein. Mit dem Eintritt eines weiteren Schmidt-Sohnes ins aktive Tagesgeschäft soll sich das ändern. Ein überarbeitetes frisches Firmenlogo wird in Kürze das alte ersetzen. Mit einem völlig neuen Eventkonzept sollen im September alle Partner und Freunde des Unternehmens zusammengeführt werden. Und auf der „Reifen“ in Essen im nächsten Jahr soll der 20. Firmengeburtstag ganz groß begangen werden. detlef.vogt@reifenpresse.de
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