Zukunftsthema Landwirtschaft
Die Weltbevölkerung nimmt unaufhaltsam zu, dieser Tage wird irgendwo auf diesem Globus der siebenmilliardste Erdenbürger geboren – im Jahr 2050 werden voraussichtlich über neun Milliarden Menschen den Planeten bevölkern. All die Menschen wollen, nein, sie müssen satt werden. Der Landtechnik kommt dabei eine tragende Rolle zu, das ist – nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich gesehen – ein Zukunftsthema. Und moderne Reifentechnik leistet einen Beitrag, die Bodenerträge zu steigern bzw. bislang noch nicht landwirtschaftlich erschlossene Ländereien zu nutzen. Überall auf der Welt, auch da wo die modernsten Landmaschinen der Welt gebaut werden: in Deutschland.
Die globale Nahrungsmittelversorgung müsse bis zur Mitte dieses Jahrhunderts um satte 70 Prozent gesteigert werden, schreibt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in seinem aktuellen Wirtschaftsbericht Landtechnik 2011. In den Reihen seiner Mitglieder sind mit die weltweit bedeutendsten Hersteller landwirtschaftlicher Fahrzeuge sowie aus der Reifenbranche Grasdorf Wennekamp, Michelin und Trelleborg Wheels Systems.
Mähdrescher mit einem Leergewicht von 25 Tonnen und einer stündlichen Ernteleistung von 80 Tonnen sind keine Hirngespinste mehr, sondern leisten Beiträge zur Effizienzsteigerung – und sie haben die Bereifungen, die diese gigantischen Leistungen erst ermöglichen.
Die bevölkerungsreichsten Länder dieser Welt – China und Indien – haben erkannt, dass sie ihre Landwirtschaften professionalisieren müssen. Mit Ochsenfuhrwerken lassen sich schon mittelfristig die Herausforderungen an ihre Landwirtschaften nicht bewerkstelligen. Aber auch hierzulande können Beiträge geleistet werden, schließlich können die hochentwickelten Länder landwirtschaftliche Produkte erzeugen und dorthin transportieren, wo sie auf der Welt benötigt werden, wenn es denn Länder gibt, die ihren Nahrungsmittelbedarf nicht selbst befriedigen können. Dass die reichen Industrienationen den armen Völkern dieser Welt ihre landwirtschaftlich erarbeiteten Nahrungsmittel für billiges Geld wegkaufen und dort Hunger herrscht, wird nicht mehr lange funktionieren – und das ist auch gut so! Deutschland steht EU-weit was landwirtschaftliche Nutzfläche anbelangt „nur“ auf Platz 3 hinter Frankreich und Spanien, im Export von Agrarerzeugnissen auch, aber weltweit (hinter den USA und den Niederlanden). Obendrein ist – trotz EHEC – in der deutschen Landwirtschaft nach einigen guten Jahren Geld da, das erfahrungsgemäß schnell in Investitionen fließt. Deutschlands Landwirte hocken nicht auf Geldsäcken, sie investieren. Das war in der Vergangenheit so, und es gibt keinen Grund zu glauben, das würde jetzt anders sein.
Gewiss: Die Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise hatte in 2009 auch die Landwirtschaft rund um den Globus gebeutelt. Aber die Aufholjagd erfolgt viel schneller als gedacht und kratzt bereits wieder an den Rekordzahlen des Jahres 2008. Weltweit sind im vergangenen Jahr Landmaschinen im Wert von 65 Milliarden Euro hergestellt worden, etwa die Hälfte davon ging in den Export von Landmaschinen und Traktoren. Einer der größten Profiteure von diesem schnellen Wiederaufschwung ist Deutschland. Schon klagen die Fahrzeughersteller, dass ihre Zulieferer schwächeln. Wiederholt sich Geschichte und stehen ansonsten fix und fertig montierte Traktoren auf Holzböcken und Holzrädern, weil es an Reifen mangelt? Wird Newcomern aus beispielsweise Indien erneut das Einfallstor in die europäische Erstausrüstung sperrangelweit geöffnet? Aus der Traktorenindustrie, die im zweiten Halbjahr 2010 aufgrund glänzender Auftragslage die Produktion bereits deutlich nach oben gefahren hatte, kommen vermehrt Stimmen, die von fehlenden Stahl- und Blechteilen, vor allem aber nicht ausreichenden Reifenlieferungen zu berichten wissen. Lieferzeiten von bis zu fünf Monaten sind schon wieder auf der Tagesordnung.
In der deutschen Landwirtschaft, warnt der VDMA, gibt es sogar erste Überhitzungstendenzen, es werde mehr investiert als eigentlich notwendig (hingewisen wird auf ein Zulassungsplus von 40 Prozent). – Wann hat man so etwas von einem Industrieverband schon mal gehört? Während jeder zweite Euro Investitionen hierzulande in erneuerbare Energien geht, müssen die Traktorenbestellungen, die heute aus Russland, Frankreich und anderen europäischen Ländern eingehen, so schnell wie möglich abgearbeitet werden, sonst kommt es erneut wie in Krisenzeiten: Statt weiterer Bestellungen sind im Posteingang Stornierungen!
Westliche Fahrzeughersteller haben mit der Eroberung neuer Märkte begonnen: Die Großen wie Claas, John Deere, AGCO oder New Holland sind in Russland, die Mittelständler wie Amazone, Grimme, Kverneland und Vaderstad auch – wo sind die westlichen Reifenhersteller in Ländern wie Russland? Das Potenzial der russischen Landwirtschaft ist immens, schreibt der VDMA, das von Indien und China aber nicht minder. (Darüber hinaus sei erwähnt, dass auch der große US-Markt gerade in vollster Blüte steht.)
Weltweit liegt der Anteil Böden, die zu Ackerland taugen, bei gerade mal etwas über zehn Prozent, in China weniger, in Indien aber sensationelle 47 Prozent. In Indien gibt es mehr als hundert Millionen Bauern, allerdings liegt deren durchschnittlich zur Verfügung stehende Fläche bei weniger als zwei Hektar. Das wird sich ändern! Indien ist bereits heute mit über einer halben Million Einheiten mit weitem Abstand das Land mit den meisten Traktoren. Schwach ist der Mechanisierungsgrad von 30 Prozent (ca. 40 Prozent in China, 95 Prozent in Westeuropa und den USA), dennoch. Der VDMA bezeichnet den Subkontinent als „Langstreckenmarkt“. Westliche Agrarreifenhersteller in Indien? – Fehlanzeige außer Goodyear: Die Amerikaner können mit Diagonalreifentechnologie von Vorgestern noch einige Jahre gutes Geld verdienen.
Und wie steht es mit dem zweiten Riesenmarkt China? Zwar wandert ein Großteil der chinesischen Landbevölkerung in die Megastädte ab, behält aber das Land als Alterssicherung im Besitz. Da der Staat aber keine Brache akzeptiert, kristallisiert sich ein Subwirtschaftszweig heraus, der hierzulande bestens bekannt ist: das Lohnunternehmertum. Man kann darauf wetten, dass große Maschinen vor einem Siegeszug in der chinesischen Landwirtschaft stehen (wo immer sie eingesetzt werden können). Der Markt wartet nur auf westliche Reifentechnologie!
Und einer ist auch schon da: Trelleborg. Trelleborg Wheel Systems hat eine Reifenfabrik in Xingtai (Hebei) und kann mangels der internationalen großen anderen Reifenhersteller händereibend Aufträge von New Holland, John Deere, AGCO und Same erwarten, die schon da sind und aktuell bereits mehr als 50.000 Fahrzeuge in China und überwiegend für China herstellen. An die Namen chinesischer Traktorenhersteller wie CFT, Foton Lovol, Yueda, Benye oder Dongfeng werden wir uns vielleicht schneller gewöhnt haben als uns lieb ist: Wenn diese Firmen nämlich zwar einfache, aber äußerst preiswerte robuste Fahrzeuge in größerem Stil exportieren. Die Chancen für Trelleborg sind sensationell. Wo bleibt Bridgestone mit seiner in Amerika so erfolgreichen Marke Firestone, von Michelin hört man auch nichts in Richtung Landwirtschaftsreifen in China oder Indien. Immer wieder geht es bei diesen Firmen um Pkw- und Lkw-Reifen, allenfalls noch um EM-Reifen. Wenn Trelleborg erst die Produktion von 150.000 Reifen im Jahre 2013 auf 250.000 in 2015 gesteigert hat, dann wird die Aufholjagd für die großen Konzerne der Reifenindustrie nur um so anstrengender.
Jedenfalls die Franzosen wissen eigentlich um das Potenzial von Landwirtschaftsreifen, auch wenn dieses Segment „nur“ für etwa zwei Prozent des gesamten Weltreifenmarktes stehen mag entsprechend etwa zwei Milliarden Euro. Auf ihren Internetseiten prognostiziert Michelin jährlich zweistellige prozentuale Zuwachsraten – und es lässt sich Geld damit verdienen. Landwirtschaftsreifen sind ein Zukunftsmarkt – und wie! detlef.vogt@reifenpresse.de
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