Festvortrag auf der „Reifen 2010“ von Joschka Fischer
Nach den üblichen einführenden Worten zur Eröffnung der „Reifen 2010“ – dieses Mal durch den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Messe Essen Frank Thorwirth, den Bürgermeister der Stadt Essen Rudolf Jelinek und den geschäftsführenden BRV-Vorsitzenden Peter Hülzer – sollte der Bundesminister des Auswärtigen a. D. Joschka Fischer zum Thema „Wirtschaftswachstum und ökologische Verantwortung“ den Festvortrag halten. Wobei wenigstens weite Teile des eher arbeitgeberfreundlichen und gegenüber vielen ökologischen Themen eher mit einer Grundskepsis behafteten Publikums in Fischer weniger den international höchst respektierten Außenpolitiker Deutschlands, sondern eher „den Grünen“ gesehen haben mag.
Fischer ließ sich auf das Farbenspiel ein: „Schwarz“ für eine politische Grundhaltung der industriellen und wirtschaftlichen Prozesse sowie für die sogar „tiefschwarze“ (O-Ton) Farbe von Reifen einerseits und die mit der Farbe „Grün“ seiner Partei sowie der ökologischen Bewegung allgemein und dem Grün der drei Reifen, die zum Logo der Messeveranstaltung gehören, andererseits.
Wenn Fischer darauf hinweist, dass Deutschlands Exportstärke ganz wesentlich aus dem Euro-Raum, der 50 Prozent der deutschen Exportgüter aufnimmt, und aus dem EU-Raum sogar zu 70 Prozent herrührt, dann erweist er sich nicht nur als Außenpolitiker, der en passant nostalgischen Erinnerungen an die D-Mark-Vergangenheit eine Abfuhr erteilt, sondern auch als wirtschaftspolitisch versiert. Sonst hätten ihn wohl auch deutsche Großkonzerne nicht als Berater verpflichtet und entlohnen ihn dafür. Fischer nennt sich denn auch selbst einen „Besserverdiener“.
Das Staatstragende, Präsidiale mag er nicht abschütteln, wenn er sich um den Zustand der deutschen Regierung und den Zustands Deutschlands sorgt. Zum Rücktritt des deutschen Bundespräsidenten, der erst wenige Stunden zuvor erfolgt war, soll er sich äußern, tut es dann aber eher inhaltslos. Das hat der ehemalige „Turnschuhminister“ des Bundeslandes Hessen in seiner langen Politikerkarriere auch gelernt.
Der Festredner zeichnet die Diskrepanz auf zwischen dem verständlichen und berechtigten Wunsch der Bürger in Schwellenländern und namentlich China, den gleichen Wohlstand wie beispielsweise die Bürger Deutschlands zu erlangen, aber ist sich gewiss, dass wegen einer Ressourcenüberforderung Wohlstand für alle auf diesem Niveau schlicht nicht möglich sein wird. Deutschland gibt in diesem Prozess der Neuverteilung der Gewichte in der Welt allerdings kein gutes Bild ab; und in einem Land wie China wisse man sehr wohl, dass das dortige Wirtschaftsmodell nicht von wirklicher Nachhaltigkeit geprägt ist. Großen ökologischen Anstrengungen in China stehen immer noch für einen Grünen-Politiker inakzeptable Investitionen in beispielsweise Kohlekraftwerke gegenüber.
Ein aktuelles Thema der automobilen Wirtschaft ist die Elektromobilität. Auf diesem Feld ist China das bestimmende Land und hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, die zu erreichen wahrscheinlich dennoch viel realistischer ist als die eine Million Elektroautos, die die aktuelle deutsche Regierung bis 2010 auf hiesigen Straßen sehen will. Die deutsche Automobilindustrie will auf dem dynamischsten Markt der Welt, nämlich China, mitmischen und erscheint dabei ja auch derzeit gut aufgestellt. Partiziperen wird sie aber in Zukunft nur von und auf diesem Markt, wenn sie in China nach den von den Chinesen vorgegebenen Regeln spielt. Die deutschen Automobilhersteller sind weniger Agierende als vielmehr Getriebene.
Den Grünen-Politiker lässt Fischer nicht vergessen, wenn er darauf hinweist, dass mit dem Elektroauto nur eine Energieververlagerung von der Straße auf die Orte erfolgt, an denen der Strom erzeugt wird. Das sind beispielsweise in Frankreich in hohem Maße Atomkraftwerke, in Deutschland in zunehmendem Maße erneuerbare Energien wie die Windkraft. Auch erkleckliche weitere Fortschritte bei der Ressourcenschonung vorausgesetzt, wird am Schluss bezogen auf die Weltbevölkerung die Erkenntnis stehen: Es ist nicht genug für alle da!
Will Deutschland künftig wettbewerbsfähig bleiben, muss die Effizienz weiter gesteigert werden, müssen wirtschaftliche Innovationsanreize geschaffen werden, muss in Ingenieurwesen weiter kräftig investiert werden. Ökologie und Ökonomie sind keine Gegensätze, ist längst ein Mantra wirtschaftlich und gleichzeitig Umweltfragen gegenüber aufgeschlossener Menschen und auch von Joschka Fischer. Wobei sich ökologische Verantwortung durchaus auch in Preisen niederschlagen wird, lässt der wissen. Der Bundesminister außer Diensten wünscht sich durchaus eine schwarze Zukunft, was Zahlen betrifft, aber auch eine grüne Zukunft, was Innovationen betrifft. detlef.vogt@reifenpresse.de
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