Oliver Wyman: Insolvenzen kleinerer und mittlerer Zulieferer drohen 2010
Im Automobilbau rollt 2010 eine Insolvenzwelle auf kleinere und mittlere Zulieferer zu. Über Kurzarbeit und ursprünglich noch vorhandene Auftrags- und Finanzpolster haben sich in den vergangenen Monaten viele kleinere und mittlere Zulieferer am Leben erhalten. Doch einigen dieser Unternehmen gehen jetzt die finanziellen Mittel aus. Dies bringt erhebliches mit sich, das bislang nur bedingt systematisch adressiert wird. Für die aktuelle Studie „Risikomanagement im Einkauf“ befragten die Experten von Oliver Wyman in Europa und Nordamerika 150 Entscheidungsträger aus verschiedenen Branchen.
Die Studie zeigt, dass viele Unternehmen auf Beschaffungsrisiken bisher nur unzureichend vorbereitet sind. Noch wichtiger als in 2009 wird es in den nächsten Jahren sein, sich mit einem intakten Lieferantenrisikomanagement effektiv gegen negative Effekte zu schützen. Zudem können sich Unternehmen durch die Risikoabsicherung Wettbewerbsvorteile für den kommenden Aufschwung verschaffen.
In den vergangenen zwölf Monaten gab es in der deutschen Automobilzulieferindustrie fast wöchentlich neue Insolvenzfälle. Durch rund 50 Insolvenzen von Automobilzulieferern mit zusammen mehr als acht Milliarden Euro Umsatz und über 50.000 Mitarbeitern beschäftigten sich die Einkaufsmanager der Automobilhersteller täglich mit der Frage, welche Folgen dies für die Aufrechterhaltung der eigenen Produktion hat. Bislang konnte der Ausfall einzelner Teile und Komponenten bei den Automobilherstellern noch kompensiert werden. Gemeinsame Aktionen der Hersteller in Zeiten gedrosselter Produktion schafften hier den nötigen Spielraum.
Die Untersuchung sagt eine Verschärfung der Situation für 2010 voraus. Die Unternehmensberatung erwartet in Deutschland für das Jahr 2010 rund 70 bis 100 Insolvenzen bei Automobilzulieferern. „Viele finanzschwächere Autmobilzulieferer haben ihre Reserven aufgebraucht. Der leichte Aufschwung in 2010 ist für sie nicht ausreichend, um zu überleben“, so Christian Heiss, Partner und Einkaufsexperte bei Oliver Wyman. „Wir haben es hier mit einem typischen Problem am Ende eines Krisenzyklus zu tun“, so Heiss weiter. Während die großen Unternehmen bereits wieder nach vorne schauen, müssen viele kleinere und schwache Marktteilnehmer ihre Unternehmen schließen. Doch gerade wenn die Nachfrage wieder anzieht, sind Produktionsausfälle durch Lieferanteninsolvenzen besonders kritisch.
Die Fähigkeit von Unternehmen, mit wachsenden Lieferantenrisiken umzugehen, ist laut der Studie sehr unterschiedlich ausgeprägt. „In vielen Unternehmen ist das Risikoprofil der Zulieferer bisher nur wenig transparent“, so Marc-Oliver Schell, Projektleiter bei Oliver Wyman. „Dadurch wird oft nur auf das Eintreten von Risiken reagiert, anstatt proaktiv zu handeln und ein systematisches Risikomanagement in der Beschaffung zu etablieren.“ Verschärft wird die Risikosituation, da in den vergangenen Jahren teilweise kontraproduktive Lieferantenwechsel durchgeführt wurden. Auf der Suche nach kurzfristig niedrigeren Preisen wurden Lieferanten ausgetauscht, ohne alle daraus resultierenden Risiken zu berücksichtigen. Neue Lieferanten, meist aus Fernost, garantieren nicht immer die Qualität und entziehen sich oft einer Beurteilung ihrer Finanzsituation und Zuverlässigkeit. Aufgrund der hohen Kosten und der langen Vorlaufzeit eines Lieferantenwechsels lassen sich diese Fehler kurzfristig nicht korrigieren.
Einkaufsmanager haben ihren Umgang mit Zulieferern dahingehend professionalisiert, dass sie Kosten intensiv optimieren, über neue technologische Entwicklungen informiert sind und immer komplexere Logistikketten beherrschen. Die Frage „Was passiert, wenn ein Zulieferer ausfällt?“ rangierte bis 2008 nicht oder nur weit hinten auf ihrer Prioritätenliste. So wurden systemrelevante Zulieferer in der Automobilindustrie in der Vergangenheit im Fall einer drohenden Insolvenz durch eine konzertierte Aktion der Hersteller mit höheren Preisen gestützt. In der Automobilindustrie werde man solche Rettungsaktionen wegen der angespannten finanziellen Situation der Automobilunternehmen in 2010 seltener erleben, heißt es.
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