Studie von Roland Berger zur Nutzfahrzeugindustrie
Die etablierten Hersteller von Nutzfahrzeugen leiden besonders unter der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Ordereingänge gingen im vierten Quartal um bis zu 98 Prozent zurück, weil die Nachfrage etwa nach Lastkraftwagen deutlich nachgelassen hat und die Finanzierung von Nutzfahrzeugen immer schwieriger wird. Die Originalhersteller (OEMs) der Triademärkte Europa, USA und Japan suchen daher Wachstumschancen in Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien und Russland. Die dortigen Anbieter weiten ihrerseits ihre Absatzmärkte weltweit aus: Die kostenfrei angebotene Studie von Roland Berger zur „Truck industry 2020: The future is global“ zeigt, dass sich die Kundenbedürfnisse ebenso wie die regulatorischen Vorgaben weltweit immer weiter angleichen. Das biete, heißt es, Chancen sowohl für etablierte Hersteller als auch für Produzenten aus den Schwellenländern. Mit globalen Produktplattformen und klaren Strategien können beide von der Globalisierung profitieren.
„Während das Geschäft der etablierten Hersteller in ihren Heimatmärkten Ende 2008 und zu Jahresbeginn fast vollständig zusammengebrochen ist, wachsen die Märkte in Schwellenländern wie Brasilien oder China weiter“, sagt Norbert Dressler, Principal im Kompetenzzentrum Automotive bei Roland Berger Strategy Consultants. „Daher drängen die etablierten Hersteller mit Macht auf diese Märkte.“ Chinesische und indische OEMs verzeichnen seit 2005 zweistellige Wachstumsraten. „Immer größere Transportvolumen, das starke Wirtschaftswachstum und immer bessere Straßen werden die Nachfrage nach Nutzfahrzeugen in den Schwellenländern auch weiter steigen lassen“, sagt Dressler. In den kommenden Jahren rechnen die Experten von Roland Berger in diesen Ländern mit einem jährlichen Wachstum um 30 Prozent.
Die Zukunft ist global – die Märkte nähern sich an
„Umgekehrt haben aber auch lokale Hersteller in den Schwellenländern ihre Chancen auf dem Weltmarkt erkannt“, sagt Roland-Berger-Partner Jochen Gleisberg. Unterstützt wird der Trend zur Globalisierung dadurch, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Kundenbedürfnisse in der Europäischen Union, den USA, Indien und China immer stärker annähern. Egal ob bei Qualität, Service, Finanzierung oder Komfort – die Prioritäten der Kunden werden sich bis 2020 auf der ganzen Welt weiter annähern“, sagt Gleisberg. Für die Hersteller bietet das die Chance, langfristig den Markt mit globalen Konzepten und Komponenten beliefern zu können. „Bis es soweit ist, sollten die Unternehmen ihre Produkte gezielt an die noch bestehenden Unterschiede in den einzelnen Märkten anpassen“, sagt Gleisberg. Die OEMs müssen sich eindeutig positionieren und organisatorisch zielgerichtet aufstellen. „Eine unklare Ausrichtung führt zu ineffizienten Strukturen“, führt er fort. „Maßnahmen wie der Bezug von Komponenten oder Fertigung vor Ort (local sourcing) ermöglichen weitere Einsparungen.“
Strategien für den Eintritt in Schwellenländer
Der Markt besteht aus den drei Segmenten Premium, Budget und Low-cost. Das Low-cost-Segment wird in Indien und China verbreitet bleiben. Allerdings findet eine Verschiebung in das Budgetsegment statt. Die Autoren sehen drei strategische Optionen für den Eintritt etablierter Hersteller in Schwellenländer:
1. Konzentration auf das höhere Budgetsegment (oder auf den niedrigen Premiumbereich): Dabei müssen existierende Premiumprodukte an die lokalen Kundenwünsche angepasst und abgespeckt werden. In sich noch entwickelnden Ländern haben etablierte Anbieter technologische Startvorteile.
2. Konzentration auf das Low-cost-Segment: Entscheidend ist hierbei, sich an die Bedürfnisse des Markts anzupassen und mit dem Markt zu wachsen.
3. Ausweitung der Strategie 2 durch Export in andere Schwellenländer.
Strategien für den Eintritt in den Weltmarkt
Für Hersteller aus den Schwellenländern gilt umgekehrt:
1. Export eines aktuell erfolgreichen Low-cost-Trucks in andere Schwellenländer: So lassen sich Mengenvorteile erzielen und Risiken verteilen.
2. Wachstum mit dem jeweiligen Heimatmarkt im Hinblick auf Technologie und Vorstoß in das Budgetsegment: Dieses Modell verfolgen momentan die meisten Hersteller in den Schwellenländern.
3. Erweiterung der Strategie 2 durch Ausbau und Expansion in höher entwickelte Märkte.
„Egal, aus welchem Blickwinkel man den Markt für Nutzfahrzeugindustrie betrachtet“, sagt Dressler, „der Schlüssel für künftigen Erfolg liegt in der Globalisierung.“
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