Roline: Runderneuerte Reifen ‚chippen’ spart Zeit und schafft Werte
Innovative Verfahren findet man nicht nur unter den großen Spielern auf dem Runderneuerungsmarkt. Auch ein kleines niederländisches Unternehmen hat in Möglichkeiten investiert, die Reifen, die es runderneuert, besser zu kontrollieren, und es will diese auch auf die Flotten übertragen, mit denen es zusammenarbeitet. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutert Hans Jörg vom Runderneuerer Roline aus dem niederländischen Lopik, warum RFID-Systeme – eine Technologie, die selbst in der Königsklasse des Motorsports gebraucht werden könnte – auch für runderneuerte Lkw- und Busreifen interessant sind.
Dieser Beitrag ist in der jüngsten Runderneuerungsbeilage „Retreading Special“ der NEUE REIFENZEITUNG erschienen, die Abonnenten hier auch als E-Paper lesen können.
Viele in der europäischen RFID-Branche sind der Ansicht, dass Roline ein passendes Beispiel dafür ist, wie entsprechende Systeme auch in kleineren Unternehmen effektiv eingesetzt werden können. Vor einigen Jahren hatte Roline beschlossen, RFID-Systeme als neue Technologie einzuführen und damit die Reifen während der verschiedenen Schritte des Runderneuerungsprozesses einfacher zuordnen zu können und später einmal auch das Reifenmanagement beim Flottenkunden zu vereinfachen – was jeweils Zeit und somit Geld sparen würde. Laut Projektmanager Hans Jörg sei es stets eine arbeits- und zeitaufwendige Aufgabe gewesen, die Reifen im Produktionsprozess auseinanderzuhalten; es seien unweigerlich Fehler geschehen. „Das hat für uns einen großen Zeitfaktor dargestellt. Bis wir dann jemanden von einem RFID-Unternehmen kennenlernten, Ferm RFID Solutions, der meinte, er habe die Lösung.“
Jörg kam 2010 zu Roline und nutzte dort die Erfahrung von zwölf Jahren Bandag und anderen Stationen, um die Implementierung einer ERP-Lösung (Dynamics NAV) zu leiten. Roline nutzte die Lösung dazu, um den Durchlauf der Reifen durch die Produktion zu steuern und ergänzte sie schon bald um das RFID-Projekt.
Auch wenn Rolines Partner Ferm RFID Solutions große Erfahrungen aus einem Projekt mit Vredestein mitbrachte, wo es um RFID-Systeme – also Sender und Empfänger – in Pkw-Reifen ging, zeigte sich im Verlauf des Projektes bei runderneuerten Lkw-Reifen von Roline dessen hohe Komplexität. Jörg zufolge verursache etwa der hohe Stahlanteil im Lkw-Reifen Probleme für das RFID-System beim Senden und Empfangen der Daten; auch habe das Lagern der Reifen in Regalen – bei Roline übliche Praxis – das Projekt nicht unbedingt einfacher gemacht, so der Projektmanager weiter. Roline und Ferm kamen schnell zu dem Schluss, dass eine völlig neue Lösung her müsse. Beide haben daraufhin gemeinsam einen Chip samt Antenne entwickelt, der diesen besonderen Anforderungen genügt und der der Hitze des Kaltrunderneuerungsprozesses widersteht. „Wir haben zwischen zwölf und 18 Monate an der Entwicklung unseres RFID-Pflasters gearbeitet“, erläutert Jörg.
Ursprünglich wollte Roline das neue RFID-System für den kompletten Runderneuerungsprozess nutzen. Es habe sich aber als nicht praktikabel herausgestellt, wie der Projektmanager ergänzt, folglich habe man diesen Plan anpassen müssen. „Der Moment, ab dem wir RFID wirklich im Reifen nutzen müssen, ist ab der Belegung, direkt vor der Vulkanisation. Jetzt bringen wir einen Barcode an die noch nicht runderneuerte Karkasse an. Nachdem der Reifen seine neue Lauffläche erhalten hat, bringen wir auch das RFID-Pflaster an, das dann sozusagen übernimmt. Dieses Verfahren läuft ziemlich gut.“ Barcodes machen Roline zufolge zum Tracken fertig runderneuerter Reifen nicht viel Sinn, denn sie können nur vernünftig gelesen werden, wenn sie nach außen zeigen. Außerdem werden Barcodes auf der Außenwand von Reifen oftmals durch die Berührung mit Bordsteinen etc. zerstört; ein bekanntes Problem bei Busreifen.
Die gummierten RFID-Tags werden vor der Vulkanisation auf der Seitenwand des Reifens angebracht und können dort durch fest installierte oder Handheld-Lesegeräte ausgelesen werden; Roline nutzt dabei Hardware von Motorola. Die ersten RFID-Systeme verbaute Roline in seiner Produktion in Lopik Ende 2012. Wie Jörg erzählt, habe sich seither die Arbeitsweise, gerade was das Managen von gelagerten Reifen betrifft, deutlich verändert. Durch die Integration des RFID-Systems in die ERP-Lösung auf Basis von Dynamics NAV sei Roline jetzt in der Lage, Berichte über viele verschiedene Kriterien zusammenzustellen. Letztendlich sollen auch Roline-Flottenkunden das RFID-System nutzen, um ihrerseits die im Einsatz befindlichen Reifen während der Kontrollen vernünftig verfolgen zu können (das sogenannte Tracken); dies brächte Vorteile für die Kunden mit sich. Außerdem hätte Roline bei der Rückkehr der Reifen in die Runderneuerung einen besseren Überblick über deren Lebensweg. Dies sei allerdings kein Plan, dessen Umsetzung kurzfristig bevorstehe, so Jörg weiter. „Wir sind noch damit beschäftigt, das System bei uns selber zu perfektionieren. Zu 80 bis 90 Prozent klappt alles wie geplant. Aber letzten Endes müssen wir den ersten vor dem zweiten Schritt machen.“
Roline und Connexxion
Der Kunde, der letzten Endes vom Gebrauch des neuen RFID-Systems auch bei Flottenkunden am meisten profitieren könnte, ist zugleich Rolines größter Kunden und dessen Inhaber: Connexxion. Roline ist eine Tochtergesellschaft von Connexxion, eine der führenden Busgesellschaften in den Niederlanden mit rund 3.000 Bussen. „Im Durchschnitt runderneuern wird täglich 100 Lkw- und Busreifen und 80 Prozent davon stammen von Connexxion“, erläutert Hans Jörg. „Wir decken den Bedarf an Runderneuerten bei Connexxion komplett.“ Roline übernimmt dabei die abgefahrenen Reifen auf den Rädern und liefert sie auch wieder entsprechend aus; eine Räderaufbereitung, wenn nötig, wird ebenfalls durch Roline oder einen externen Dienstleister übernommen.
In der Roline-Runderneuerung in Lopik sind 30 Vollzeitmitarbeiter sowie darüber hinaus bei Bedarf Zeitarbeitskräfte beschäftigt. Roline runderneuert dabei strikt nach dem Bandag-Verfahren, also kalt. „Wir sind Bandag-Franchisee und Bridgestone-Partner und übernehmen dafür auch einige Flottenaufträge“, so Jörg weiter. Roline kann alle üblichen Reifendimensionen runderneuern und kann sogar Lösungen für Reifen in 445/45 R22.5 anbieten, die mitunter auf Bussen gefunden werden.
Im vergangenen Dezember konnte Roline das 25-jährige Betriebsjubiläum feiern. Obwohl man in der Vergangenheit mit Bandag wie auch mit Goodyear in der Runderneuerung kooperierte, sei dies nicht mehr länger der Fall, wie Hans Jörg betont: „Wir haben uns angesehen, in welche Richtungen Goodyear und Bridgestone sich entwickelten, was die Runderneuerung betrifft.“ Während Goodyear 2010 eine große eigene Runderneuerungsfabrik auf der anderen Seite der deutsch-niederländischen Grenze in Wittlich in Betrieb nahm, die dritte damals in Europa neben Wolverhampton und Riom, hatte Bridgestone zuvor 2007 in die Bandag-Übernahme und den Aufbau des Franchisenetzwerks investiert. Auch der technische Support und die Schulungen, die man durch Bridgestone Bandag erhalten habe, „machte einen wichtigen Teil unserer Entscheidung aus. All diese Faktoren haben Bridgestone zum bestmöglichen Partner für uns gemacht“, so Jörg weiter.
Neben der Runderneuerung bietet Roline noch Dienstleistungen im Rahmen von Flottenmanagementverträgen an, unter anderem eben auch für Connexxion. Dank dieser Fleet-Checks könne Roline garantieren, dass 85 bis 90 Prozent der Connexxion-Busse ständig mit dem richtigen Luftdruck fahren. „Auch bieten wir Connexxion dazu natürlich ein Reporting an. Dies ist Teil der Verträge und hilft uns, Schäden an Karkassen zu minimieren, was wiederum bedeutet, dass wir die Karkassen auch in der Runderneuerung später nutzen können.“
Dennoch muss Roline immer noch einen nicht unerheblichen Anteil seiner Karkassen von Händlern zukaufen. „Bei Busreifen muss man glücklich sein, wenn man sie zweimal runderneuern kann. Das hängt sehr vom Reifen selbst ab; Busreifen werden immer schmaler und viele sind jetzt nur noch 265er. Je schmaler der Reifen, umso härter ist die Wulst. Demnach können sie nicht immer so oft runderneuert werden wie etwa Lkw-Reifen.“ Ist eine Karkasse, die gerade von einem Connexxion-Bus demontiert wurde, nicht mehr gut genug für die Runderneuerung, werde sie durch eine zugekaufte Karkasse ausgetauscht. Und um zu garantieren, dass alle Karkassen, die in der Roline-Produktion ankommen, ohne nennenswerte Schäden sind, habe das Unternehmen erst zum Ende des vergangenen Jahres in eine neue Shearografie-Anlage investiert. Wie Hans Jörg betont, ginge es bei der Investitionsentscheidung vorwiegend darum, vor der Runderneuerung insbesondere konstruktive Schäden im Wulstkern zu erkennen. „Natürlich ist auch die Lauffläche für uns wichtig. Aber da wir vorwiegend Busreifen runderneuern, ist der Wulstbereich für uns von besonderer Bedeutung. Wir müssen einfach sicherstellen, dass die Karkassen, die wir runderneuern, von guter Qualität sind, da mit den Reifen schließlich Menschen transportiert werden.“
Dieser Blick auf das Thema Sicherheit sei dabei in einem weiteren Zusammenhang zu sehen, dem der Qualität allgemein. „Ich weiß, dass dies im Grunde genommen jeder von sich behauptet. Aber auf uns trifft es eben komplett zu. Ein weiterer Punkt, an dem wir die Qualität verbessern, ist die Verringerung des CO2-Ausstoßes, etwas, das gerade für Busunternehmen immer wichtiger wird, können sie sich doch nur dann wirklich erfolgreich an Ausschreibungen beteiligen, wenn sie diesbezüglich akzeptable Werte vorweisen können. Mit Blick darauf haben wir gemeinsam mit Bandag eine spezielle Laufflächenmischung für Busse entwickelt, die einen besonders niedrigen Rollwiderstand ermöglicht. Dieser Laufstreifen wird exklusiv durch uns in der Bandag-Gruppe angeboten“, so der Projektmanager.
Hans Jörg erwartet für Roline auch im zweiten Vierteljahrhundert des Bestehens eine glänzende Zukunft. Auch wenn man in den Niederlanden die Folgen von Finanzkrise und zunehmenden Importen billiger Neureifen registriert, die wiederum die Preise für Runderneuerte sehr unter Druck setzen, ist man bei Roline zuversichtlich, den Output noch in diesem Jahr um weitere 1.500 Reifen steigern zu können; außerdem wolle man einen weiteren Vertriebsmitarbeiter einstellen. Und wenn dann das RFID-System auch bei Flotten im Einsatz ist, so Jörg, plane Roline, die ISO-zertifizierte ERP-Lösung auf Basis von Dynamics NAV samt RFID-System auch anderen Runderneuerern anzubieten. „Mit unseren RFID-Systemen sind wir schon recht weit und der nächste Schritt wird kommen: Wie können wir daraus zusätzliche Werte schaffen? Das bedeutet für uns ein neues Geschäftsfeld.“
RFID-Systeme hätten ohne Frage eine große Zukunft in der Runderneuerung, ist der Projektmanager überzeugt. Das System, das Roline zusammen mit Ferm RFID Solutions entwickelt hat, könne beispielsweise über größere Entfernungen ausgelesen werden als die von Wettbewerbern. Folglich nutze Ferm dieses Know-how aus dem gemeinsamen Projekt mit Roline „nun auch in Gesprächen mit einem führenden Reifenhersteller, was die Implementierung von RFID-Systemen in Königsklasse des Motorsports betrifft“.
„Wir glauben einfach an RFID, und wir würden uns freuen, wenn auch Endverbraucher davon mehr Notiz nehmen würden. Ich glaube, der nächste Schritt könnten intelligente Chips sein, die mehr in sich haben als nur Zahlen.“ stephen.goodchild@tyrepress.com/ab
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!