Die geringste Losgröße bei Giggel lautet: Eins
Den Betrieb müsse ich mir unbedingt einmal ansehen, meint Jürgen A. Schöbel, Vertriebspartner der Helcotec Chemie u. Technik GmbH (Nettetal) und Geschäftsführer seiner CTK GmbH (CTK = Chemisch Technische Kompetenz). Denn dieser Räderhersteller sei so gar nicht mit all den anderen zu vergleichen, die Rede ist vom Vorrichtungsbau Giggel GmbH in Bösdorf bei Wolfsburg, der unter anderem Aluminiumräder-Prototypen herstellt.
Aber längst nicht nur, lacht Bernd Giggel, geschäftsführender Gesellschafter des High-Tech-Unternehmens, das etwa hundert Mitarbeiter hat und zu 80 Prozent für die Automobilhersteller arbeitet. Entwicklungen für die Medizintechnik und aktuell das vielleicht weltweit modernste E-Bike seien als nicht-automotive Beispiele genannt. Wie hoch der Anteil Aluminiumräder am Unternehmensumsatz ist, hat er noch nie ausgerechnet, ist sicherlich in Anbetracht von Monaten, in denen lediglich ein Radsatz produziert wird, auch müßig. Außerdem vermische sich der Auftrag eines Automobilherstellers auch häufig mit einer Aufgabenstellung, die das Fahrwerk miteinbezieht.
In Bösdorf produzierte Aluminiumräder wird man nie auf der Straße sehen, um eine KBA-Nummer muss sich Guido Kunze-Lochau, der bei Giggel die Zerspanung leitet und in dessen Aufgabengebiet die Räder fallen, nicht kümmern. Technische Anforderungen wie Festigkeit, (Leicht-)Gewicht, Abrieb der Bremse, Belüftung usw. – alles kein Thema. „Schneller als vielleicht 15 km/h sollte man mit den von uns gefertigten Rädern nicht fahren“, erklärt Bernd Giggel, der allerdings klargestellt wissen will, dass es sich dabei nicht um „Gimmicks“ handelt, sondern um hochwertige Einzelstücke.
Für die von Automobilherstellern (bedeutendster Kunde ist – das ist schon der geografischen Nähe geschuldet – der Volkswagen-Konzern), vereinzelt auch Tunern in Auftrag gegebenen Aluminiumräder sind Losgrößen zwischen Eins und Zehn die Regel. Am häufigsten ist die Zahl „Fünf“. Dann werden vier Räder nach den Vorgaben der Designabteilung einer Automarke hergestellt, die auch tatsächlich montiert werden, und eines dient als Reserve im Falle einer Beschädigung und mag sie noch so geringfügig sein.
Denn darum geht es: Die Räder müssen absolut perfekt aussehen. Sie werden auf Showcars, Einzelexemplaren, Vorserien- und Premierenmodellen montiert, die auf Messen wie der IAA, in Detroit, Genf, am Wörthersee, auch bei Fahrzeughändlerkonvents gezeigt werden. Dass diese Prototypenräder „Eins zu Eins in Serie“ gehen, komme eigentlich nicht vor, so Kunze-Lochau. Gleichwohl achten die Designer in den Studios der Automobilhersteller darauf, dass diese Räder nicht allzu offensichtlich nur Show sind. Schließlich sind die Präsentationen auch immer ein Gradmesser, was gefällt und was eben nicht. „Virtuelle Räder“ können das übrigens nicht leisten, ihnen fehlt die Dimension Haptik.
Giggel-Räder gibt’s nicht zu kaufen. Sie werden aus einem Block gefräst. Solch ein Rohling wiegt durchaus 200 Kilogramm oder sogar mehr. Übrig bleiben vielleicht zehn Kilogramm. Das genau zu überprüfen ist nicht erforderlich, denn es ist nicht das Ziel, ein besonders leichtes Rad herzustellen. Serienräder und Prototypenräder sind zwei völlig unterschiedliche Qualitätsstufen. Typisch für die Kleinstserien, die die Giggel GmbH herstellt, ist das „Verstecken“ der Radbolzen, meist durch Einleger aus Kunststoff.
Eine herausragende Rolle spielen die Oberflächen der Aluminiumräder. Da bedient man sich teilweise externer Spezialunternehmen zum Kugelpolieren bzw. Trowalisieren – benutzt der Metallverarbeitungsprofi Giggel den korrekten Terminus –, aber oft genug wird auch mit größter Mühe im eigenen Hause handpoliert. Man kennt das: Vor Messen herrscht immer extremer Zeitdruck, nie ist man wirklich rechtzeitig fertig und hat noch etwas Luft. Vor solchen Veranstaltungen geht’s immer „auf den letzten Drücker“. Dann kann man das oder die Räder nicht lange zu einem externen Dienstleister transportieren. Doch bei allem Termindruck: „60 Stunden hochglanzpolieren“ seien da schon mal anzusetzen, so Bernd Giggel. Die Prototypenräder mögen zwar nicht für den Straßenverkehr geeignet sein, „billig“ sind sie aber ganz gewiss nicht.
Weil die Projekte der Automobilhersteller absolut geheim sind bis zu ihrer Präsentation, ist auch Giggels Produktionsstätte streng gesichert und herrscht in den Fertigungshallen Fotografierverbot. Umso häufiger werden die Fahrzeuge dann von Journalisten, Besuchern, auch Wettbewerbern fotografiert, wenn sie denn beispielsweise auf einer Messe in den Fokus rollen (schön langsam, siehe oben). Guido Kunze-Lochau erfreut sich an einer Website mit lauter solcher Autos und zeigt auf Aufnahmen: „Das sind unsere Räder, das auch …“
Pressen, Schmieden, Schweißen – „Wir fräsen alles, was fräsbar ist“, sagt Bernd Giggel, „das ist unsere Welt.“ Dafür muss er permanent investieren, die Automobilhersteller erwarten, dass er beim Equipment Technologievorreiter ist. In der Bearbeitung freut er sich, mit Schöbels CTK bzw. Helcotec einen Partner zu haben, der ihm bei Kühlschmierstoffen mit seiner chemischen Kompetenz zur Seite steht. Worüber er nachdenkt und noch künftiges Potenzial mehr ahnt als sieht: Mit einem der großen Aluminiumräderhersteller Kooperationsprojekte eruieren – schließlich brauche man einen Partner mit Equipment für die Serienproduktion –, um von Kleinstserien zu Kleinserien von vielleicht ein paar Dutzend Rädern zu gelangen. detlef.vogt@reifenpresse.de
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