Achtet auf Alcoa!
Wie viel der US-Aluminiumkonzern Alcoa Incorporated (Pittsburgh/Pennsylvania) jährlich umsetzt, ist ganz wesentlich von den starken Schwankungen im Weltpreis für das Leichtmetall abhängig. In „teuren Jahren“ hatte Alcoa auch schon mal an der 30-Milliarden-Dollar-Grenze gekratzt, im Jahre 2013 waren es 23 Milliarden US-$ mit gut 60.000 Mitarbeitern an mehr als 200 Standorten in 30 Ländern. Im Frühjahr eröffnet Alcoa traditionell als erster großer amerikanischer Konzern die Bilanzsaison und gibt damit einen Fingerzeig, wie es um die Industrienation Vereinigte Staaten bestellt ist. Das Unternehmen ist unter der Führung des ehemaligen Siemens-Chefs Klaus Kleinfeld in einen Transformationsprozess geführt worden und wandelt sich von einer Rohstoff- zu einer Technologiefirma. Wobei Aluminium – obwohl im Firmennamen ja verankert – nicht das einzige Material sein wird, vielmehr will sich Alcoa „Powerhouse“ mit leichten Materialien ganz allgemein aufstellen. Alcoa gilt als hochinnovativ und technologisch führend. Im globalen Ranking wird Alcoa mit anderen Aluminiumkonzernen wie Rusal (Russland) und Alcan (Canada, inzwischen eine Tochtergesellschaft von Rio Tinto) in einem Atemzug genannt. In die Führungsriege vorgedrungen ist Alcoa im Jahre 2000 durch Übernahme des gar nicht viel kleineren Wettbewerbers Reynolds. Weil auch in den Folgejahren ein enormer Konsolidierungsprozess über die Rohstoffbranche hereinbrach, mussten die Rankings jährlich neu geschrieben werden. Als Aluminiumkonzern fand sich Alcoa unvermittelt im Wettbewerb mit multinationalen Bergbaugesellschaften wieder und will sich daraus lösen.
Tatsächlich hat sich Alcoa bereits von einem „reinen“ Aluminiumunternehmen zu einem Konzern für leichte Werkstoffe gewandelt, der sich beispielsweise auch mit Metallen wie Titan oder Nickel beschäftigt, aber auch schon CFRP (Carbon Fiber Reinforced Plastic) für sich entdeckt hat. Das Geschäftsmodell Alcoas ruht auf drei Säulen: GPP, GRP und EPS entsprechend „Upstream“, „Midstream“ und „Downstream“. Das erste Kürzel steht für „Global Primary Products“ und ist mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent vom Konzernumsatz immer noch die dickste, aber am wenigsten profitable Säule: Hier sind alle Bergbauaktivitäten (wie Bauxitgewinnung als Rohstoff fürs Aluminium) gebündelt, Schmelzen, Gießen, aber auch Energie. Das zweite Kürzel steht für „Global Rolled Products“ und reicht beispielsweise von Aluminiumgetränkedosen bis hin zu einem zweifellos zukunftsträchtigen Geschäftsfeld „Aero“. Und an dieser Stelle nähern wir uns erstmals dem Produkt, um das es an dieser Stelle geht: Aluminiumräder. Denn Alcoa ist unter anderem Produzent von Schmiederädern für Flugzeuge, genannt sei beispielhaft der Airbus A330.
Zu Aluminiumrädern für Straßenfahrzeuge gelangt man erst bei der kleinsten, aber mit Abstand profitabelsten Säule „Engineered Products and Solutions“, die (erst!) lediglich ein Viertel des Konzernumsatzes bestreitet, aber für mehr Gewinne sorgt als GPP und GRP zusammengenommen. Hier geht es vor allem um die Produkte am äußersten Ende der Wertschöpfungskette. Mit anderen Worten: Alcoa bildet die gesamte Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung bis zum Produkt, das dem Endverbraucher angeboten wird, ab. Darunter sind eben auch Aluminiumräder, die innerhalb von EPS in der Sparte „Wheels & Transportation“ angesiedelt sind – neben „Fastening Systems“, neben „Power & Propulsion“, neben „Building & Construction“, neben „Forgings & Extrusions“. Und selbst innerhalb von „Wheels & Transportation“ (Sitz in Cleveland/Ohio) ist das Rädergeschäft nur ein Baustein.
Dieses „Rädergeschäft“ läuft bei Alcoa also unter „ferner liefen“? Als Alcoa Reynolds übernommen hatte, waren dem Unternehmen Fabriken zur Herstellung von Pkw-Aluminiumgussrädern zugefallen – und in der Versenkung verschwunden. Alcoa – hieß es damals gelegentlich als Begründung – sei vom geschmiedeten Fahrzeugrad überzeugt, nicht vom gegossenen. Und tatsächlich reicht die „Rädergeschichte“ Alcoas bis 1948 zurück, als das erste Schmiederad „erfunden“ wurde. Heute ist Alcoa klarer Weltmarktführer für im Schmiedeverfahren hergestellte Lkw- und Busräder. Dabei hat das Unternehmen im Jahre 2013 gerade mal 660 Millionen Dollar mit Rädern umgesetzt, das sind keine drei Prozent vom Konzernumsatz, aber gut die Hälfte des Alcoa-Portfolios „Commercial Transportation“.
Bereits bis 2016 soll eine quasi automatische weitere Umsatzsteigerung um 300 Millionen Dollar erfolgen, wozu auch Fertigungsfortschritte beitragen werden in Form einer „semi-automatisierten“ Produktion. „Treiber“ wird aber vor allem der weltweit wachsende Automobil- und hier der Nutzfahrzeugmarkt sein, greift das Unternehmen zwei Länder beispielhaft hervor. Im ohnehin als Wachstumsmarkt schlechthin geltenden China, wo Alcoa in Suzhou einen Räderstandort hat, soll die Penetration von drei auf 13 Prozent Aluminiumräder im Lkw-Markt zulegen. Entsprechend erwartet der Konzern in Brasilien, wo der Räderstandort Itapissuma heißt, ein Anwachsen der Ausstattungsquote Aluminiumräder auf großen Lkw von neun (2013) auf 32 Prozent schon in ein bis zwei Jahren.
Trotzdem: Ist das Rädergeschäft eine „Randerscheinung“ im großen Konzern, selbst wenn man nur das Nutzfahrzeugsegment nimmt? Wer auf die Innovationen Alcoas in diesem Bereich sieht und tief im Inneren des Geschäftsberichts den Hinweis findet, dass Alcoa Wheels im Jahre 2016 bereits eine knappe Milliarde Dollar umsetzen soll, der wird eines Besseren belehrt. Die Alcoa-Ingenieure haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte in diesem Bereich gemacht, so ist die aktuelle Oberfläche „Dura-Bright EVO“ zehnmal resistenter gegen Korrosion als andere Oberflächen, so sind „Ultra One“-Räder mit 17 Prozent festerer „MagnaForce“-Legierung entwickelt worden oder „LvL One“-Supersingleräder. Mit anderen Worten: Alcoa-Räder sind technologisch das Maß der Dinge, sie müssen weder chemisch noch mechanisch gereinigt werden, sie sind um 47 Prozent leichter als die Stahläquivalente, sorgen für geringeren Spritverbrauch, tragen zur Senkung des CO2-Ausstoßes bei, helfen die Betriebskosten zu senken, sorgen für höhere Transportlasten usw.
Alcoa wird den Geschäftsbereich Lkw-Räder ausbauen, die Verdoppelung der Produktionskapazitäten in Europa ist initiiert. Der Trend geht weg vom Stahl-, hin zum Aluminiumrad, nicht nur bei Personenkraft-, sondern auch bei Lastkraftwagen und Bussen, nicht nur in den industriell hoch entwickelten Ländern in Nordamerika und Europa, sondern auch in den Schwellenländern wie Brasilien oder in China. Mit dem Verkaufsstart von Lkw-Schmiederädern in China durch Alcoa lässt sich gerade einmal erahnen, welches Potenzial da noch wartet. Im Jahre 2010 waren weltweit noch 70 Prozent aller Lkw-Räder aus Stahl, im vergangenen Jahr waren es bereits 40 Prozent, das Umsatzvolumen ist in diesem Zeitraum von 1,5 auf zwei Milliarden Dollar weltweit gestiegen. Für 2018 prognostiziert Alcoa bereits eine „Fifty-Fifty“-Aufteilung zwischen Stahl- und Aluminiumrädern für Nutzfahrzeuge bei einem Umsatzvolumen von 2,7 Milliarden Dollar. Die jährlichen Steigerungsraten bei „Commercial Transport“ taxiert Alcoa auf neun Prozent!
Und wie verhält es sich mit „Automotive“, also Pkw-Rädern? Auch da steht in Alcoa-Unterlagen immer wieder: „wheels“. Alcoa wird sich um allerlei Aluminiumkomponenten für den Autobau kümmern, und eben auch um Räder. Die allerdings werden wohl weiterhin geschmiedet sein. Die großen Spieler auf dem Pkw-Aluminiumgussrädermarkt wie Ronal, Borbet, Maxion und andere, aber auch die mit Schmiedeexpertise wie Dicastal (Schmieden und Gießen) sowie Otto Fuchs tun gut daran, Alcoa „auf dem Zettel“ zu haben. detlef.vogt@reifenpresse.de
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