Ernüchternde BRV-Bilanz: 2014 erneut ein schwieriges Reifenjahr
Nun ist es amtlich: 2014 war erneut ein schwieriges Reifenjahr. Wie der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk heute mitteilt, hat der deutsche Reifenhandel im vergangenen Jahr insgesamt knapp 51 Millionen Pkw-, 4×4-/SUV-, LLkw-, und Lkw-Reifen verkauft. Das entspricht einem Rückgang von 2,6 Prozent beim sogenannten Sell-in. Bekanntermaßen brach dabei das für die Erträge so wichtige Winterreifengeschäft stark ein. Wie der BRV jetzt schreibt, lag der Rückgang sogar bei 10,9 Prozent; es wurden nur noch 19,33 Millionen Winterreifen verkauft. „Angesichts der verhaltenen konjunkturellen Aussichten dürfte mit 2015 das vierte Jahr in Folge für die Branche schwierig werden“, so Peter Hülzer, geschäftsführender BRV-Vorsitzender. Dennoch der Verband für 2015 in allen Segmenten wachsende Absätze „für möglich“ – was er allerdings auch vor einem Jahr prognostiziert hatte. Der Herstellerverband WdK geht indes sogar von einem deutlich stärkeren Wachstum aus als der BRV. Wie ist der Status quo, was sind die genauen Zahlen und wie die Erwartungen?
Knapp 51 Millionen Fahrzeugreifen aus den Segmenten Consumer-Reifen (Pkw, Offroad und Leicht-Lkw) und Lkw-Reifen wurden 2014 im deutschen Reifenersatzgeschäft vom Handel an Verbraucher verkauft. Hinzu kamen rund 276.000 Stück aus den vergleichsweise kleinen Segmenten der Reifen für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge sowie Erdbewegungsmaschinen. Das macht insgesamt einen Stückabsatz von leicht über 51 Millionen und damit rund 2,6 Prozent weniger als im Vorjahr.
„Hinter dem Großteil des deutschen Reifeneinzel- und Großhandels liegt erneut ein schwieriges Jahr“, resümiert Peter Hülzer und prognostiziert: „Angesichts der verhaltenen konjunkturellen Aussichten dürfte mit 2015 das vierte Jahr in Folge für die Branche schwierig werden.“
In den einzelnen Produktsegmenten zeigen die aktuell vom Bundesverband des Reifengewerbes vorgelegten Marktdaten 2014/2015 folgende Entwicklung:
Im stückzahlmäßig größten Segment Pkw konnte der Handel im vergangenen Jahr rund 41,65 Millionen Reifen verkaufen, davon waren 22,32 Millionen Sommer-, der Rest Winterreifen. Der Absatz lag damit erneut um rund 3,4 Prozent niedriger als im Vorjahr. Dabei konnte ein rund vierprozentiges Plus im Stückabsatz von Sommerreifen den knapp elfprozentigen Einbruch im Winterreifenabsatz nicht kompensieren, der laut Analyse des Fachverbandes insbesondere dem sehr milden Winterwetter geschuldet ist.
Das Segment der Offroadreifen erwies sich hingegen erneut als Wachstumsträger, wenn auch nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor. Knapp 3,4 Millionen Stück wurden 2014 verkauft, das entsprach einem dreiprozentigen Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. „Nimmt man das letzte aus unserer Sicht ‚gute Reifenjahr‘ 2011 als Basis, so ist die Produktgruppe Offroadreifen mit 8,3 Prozent Plus die einzige, die in den vergangenen drei Jahren im Segment Consumer-Reifen überhaupt eine positive Entwicklung gezeigt hat“, erläutert BRV-Chef Hülzer. Zum Vergleich: Auf Basis 2011 verbuchten die Produktgruppen Pkw-Reifen ein Minus von gut 16 Prozent und LLkw-Reifen einen Rückgang von gut neun Prozent. „Eine zweifelsohne dramatische Entwicklung, die unsere Branche erheblich negativ tangiert“, so kommentiert der Fachverbandsvorsitzende die Einbußen insbesondere in der Produktgruppe Pkw-Reifen, die mit gut vier Fünfteln den Löwenanteil aller im Ersatzgeschäft in Deutschland verkauften Reifen ausmacht.
Auch der Stückverkauf von Leicht-Lkw-Reifen (LLkw) sank 2014 um weitere 1,8 Prozent auf nun 3,20 Millionen.
Auch die Ergebnisse im Nutzfahrzeugbereich sind nicht ungetrübt. Zwar wuchs der Absatz von Lkw-Reifen wieder leicht um 1,1 Prozent auf 2,7 Millionen Stück, doch die überdurchschnittlich positive Entwicklung bei Neureifen – plus 2,9 Prozent gegenüber Vorjahr – wurde im Wesentlichen von billigen Importreifen getragen und ging meist zu Lasten runderneuerter Reifen. Deren Absatz sank um 2,1 Prozent auf 0,95 Millionen Stück. Damit wuchs der Anteil von Neureifen am Gesamt-Stückabsatz im Segment Lkw zu Lasten runderneuerter Reifen erneut leicht auf nun knapp 65 Prozent.
Anders als im Vorjahr war der Stückabsatz im Segment der Reifen für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge (früher vom BRV als AS-Reifen, jetzt als Farmreifen bezeichnet) in 2014 rückläufig: Knapp 238.000 verkaufte Reifen entsprachen einem Minus von fünf Prozent im Vergleich zu 2013; das Vorjahr hatte noch eine Plus von drei Prozent mit sich gebracht.
Der Absatz von Reifen für Erdbewegungsmaschinen (EM-Reifen) hingegen verbuchte ein moderates Plus von 2,5 Prozent (Vorjahr: minus 10,2 Prozent) auf rund 37.400 Einheiten, davon waren knapp 11.800 runderneuert.
Erfreulich entwickelte sich erneut die Produktgruppe Motorradreifen: Hier konnte der Stückabsatz nach einem dreiprozentigen Zuwachs im Vorjahr 2014 erneut um 5,1 Prozent auf 1,44 Millionen Stück gesteigert werden.
Für das laufende Geschäftsjahr 2015 hält der BRV derzeit über alle Segmente hinweg moderate Absatzzuwächse für möglich. Hier die Prognose nach Segmenten:
- Pkw-Reifen: plus 2,5 Prozent
- Offroadreifen: plus 3,0 Prozent
- LLkw-Reifen: plus 2,5 Prozent
- Lkw-Reifen: plus 1,9 Prozent
- Motorradreifen: plus 2,8 Prozent
- Farmreifen: plus 5,3 Prozent
- EM-Reifen: plus 2,5 Prozent.
Dabei hebt der Reifenhandels- und -handwerksverband hervor, dass diese Einschätzung, verglichen mit den Erwartungen der Reifenindustrie, eher vorsichtig sei. Die Markenreifenhersteller, vertreten durch den Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (WdK), halten zum Teil deutlich höhere Zuwachsraten für realisierbar.
Dass der BRV trotz dieser positiven Absatzprognose für das Reifenersatzgeschäft erneut mit einem „schwierigen Jahr“ rechnet, liegt unter anderem am hohen Konkurrenzdruck, unter den das Kerngeschäft der von ihm vertretenen, spezialisierten Reifenhandels- und -handwerksbetriebe im Segment Pkw zunehmend durch Wettbewerber aus anderen Vertriebskanälen gerät. Die aktuelle Distributionsanalyse des Verbandes zeigt, dass im Endverbrauchergeschäft 2014 allein der Absatzkanal Autohaus (markengebunden) gewonnen hat (plus 2 Prozent), der Anteil des B2C-Onlinehandels stabil geblieben ist und alle anderen Distributionskanäle Marktanteile am Reifenersatzgeschäft verloren haben. Dazu gehört neben freien Kfz-Werkstätten, Fachmärkten und „Sonstigen“ (Tankstellen, Baumärkte) eben auch der Reifenfachhandel.
„Leider ist der von uns für das spezialisierte Reifengewerbe erhoffte positive Effekt aus dem Inkrafttreten der allgemeinen RDKS-Pflicht zum 1. November letzten Jahres nicht eingetreten“, analysiert BRV-Geschäftsführer und -Technikexperte Hans-Jürgen Drechsler. Damit meint er die seither geltende Vorschrift, dass neu zugelassene Pkws, Geländewagen und Wohnmobile mit einem Reifendruckkontrollsystem (RDKS) ausgestattet sein müssen. Und das verursacht zusätzlichen Handlingaufwand beim Reifenwechsel, bringt aber auch neue Umsatzpotenziale für Reifenserviceanbieter mit sich. „Obwohl der Reifenfachhandel technisch, handwerklich und organisatorisch zum Thema RDKS sehr gut aufgestellt ist und damit seine Fachkompetenz unterstreichen konnte, ließ sich dies bislang nicht in steigende Absatz- und Umsatzzahlen umsetzen“, konstatiert Drechsler. Die Ursache dafür sieht er vor allem darin, dass markengebundene Kfz-Werkstätten in der vergangenen Winterreifensaison durch groß angelegte Werbekampagnen und aggressive Preisaktionen einen extrem starken Wettbewerb geschürt haben, mit dem spezialisierte Reifenfachbetriebe letztendlich nicht mithalten konnten. Immerhin sei es gelungen, Einbußen im Endverbrauchergeschäft durch ein deutlich gewachsenes Geschäft mit Flotten- und Leasingkunden zu kompensieren. Daran konnte insbesondere der Reifenfachhandel, zum Teil aber auch der Vertriebskanal Autohaus partizipieren, so dass sich die Distributionsanteile (Absatz Pkw-Reifen vom Handel an Verbraucher) im vergangenen Jahr nicht signifikant verändert haben. Das Reifengewerbe konnte trotz aller Probleme gut 43 Prozent Marktanteil erzielen und hat damit sein Position als Marktführer im Ersatzgeschäft mit Pkw-Reifen einstweilen behauptet, doch der Vorsprung gegenüber Kfz-Werkstätten schwindet seit Jahren.
Auch mit betriebswirtschaftlichen Problemen haben die Reifenhandels- und -handwerksbetriebe zu kämpfen: Der aktuelle BRV-Betriebsvergleich für das Jahr 2014 weist im Branchendurchschnitt ein Gesamtergebnis von nur plus 0,4 Prozent vom Umsatz aus, was zwar an sich ein positives Ergebnis, aber aus unternehmerischer Sicht alles andere als zufriedenstellend sei.
„Die eingetretenen Pfade muss der Reifenfachhandel verlassen, denn die glorreichen Zeiten werden nicht mehr zurückkommen“, mahnen deshalb unisono Geschäftsführung und Vorstand des Verbandes. Um seine Mitglieder auf der Suche nach neuen, erfolgversprechenderen Wegen zu unterstützen, lässt der BRV in diesem Jahr von einer renommierten Unternehmens- und Strategieberatung die Frage untersuchen, wie ein tragfähiges „Geschäftsmodell Zukunft“ für den Reifenfachhandel aussehen könnte. Erste Ergebnisse sollen auf der Jahreshauptversammlung des Verbandes im Juli in Köln präsentiert werden. ab
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