Der Rädermarkt ist gesättigt
Der „Arbeitskreis Felgen“, dem der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) Unterschlupf gewährt, ist ein rühriges Unterfangen. Für ein wenig Transparenz kann er schon sorgen, den Markt beeinflussen kann er nicht, endlich mal wieder für positive Ausblicke sorgen schon mal gar nicht. Der deutsche und weitgehend auch der europäische Rädermarkt sind gesättigt, wert- und stückzahlmäßig sind keine Zuwächse mehr zu erwarten.
Das sieht man schon an den Neuzulassungszahlen. Der Weltautomobilmarkt wächst, der europäische stagniert. Positive Impulse wie den anhaltenden Trend zur Individualisierung oder größere Dimensionierungen der Rad-Reifen-Kombinationen werden kompensiert durch Entwicklungen wie hin zum Carsharing oder einer stark nachgelassenen Begeisterung der jungen Generation für das Automobil: Sie ist eher an sozialen Medien interessiert und pimpt das Kommunikationsequipment, nicht das schnöde Fortbewegungsmittel. Das Geld der jungen Generation ist anderweitig verplant, die Aluräderanbieter tun gut daran, sich um die finanziell gut situierte Generation „Ü60“ zu kümmern, da können sich viele die Anschaffung noch leisten und manche tun das ja auch. Hinzu kommt, dass die Automobilhersteller ihre Aluräderangebote immer weiter professionalisiert – unter anderem in Form von (Winter-)Kompletträdern – und ausgeweitet und damit dem freien Aftermarkt Luft zum Atmen nehmen.
Das Überangebot an Rädern – so ist das nun einmal in der freien Marktwirtschaft – führt zu Nervositäten bei den Anbietern und löst allerlei preislichen Unfug aus. Da wird schon mal in die Lager gedrückt, was irgendwie möglich ist, und der Blick darauf verschlossen, dass der Endverbraucher nun mal partout nicht mehr als maximal zwei Satz Räder – einen für den Sommer, einen für den Winter – benötigt. Und das sind schon die Konsumenten, die wir uns wünschen, weil sie umrüsten. Ganzjahresreifenfahrer werden jedenfalls keine Freunde mehr für die Räderbranche.
Und es geht beiden „Fraktionen“ schlecht. Die (wenigen) Stahlräderanbieter sind von der anhaltenden Substitution in der Erstausrüstung durch die Leichtmetallräderhersteller betroffen. In den letzten Jahren haben die Aluräderanbieter – auch weil die Oberflächen der feinen Alus immer resistenter gegen böse Witterungseinflüsse wurden – im vermeintlich ureigensten Terrain des Wintergeschäftes das Heft des Handelns in die Hand genommen. Die meisten Teilnehmer des Aluminiumfelgenersatzmarktes verkaufen inzwischen mehr als fünfzig Prozent ihres Jahresvolumens im Herbst. Teilweise zu Preisen, die nicht mehr weit von denen für Stahlräder entfernt sind. Da ist es keinem Verbraucher zu verdenken, wenn er eher zu Billigalus – selbst solchen mit eher spärlichen Designfeatures – greift.
Den regierenden Aluräderleuten – das mag ein schwacher Trost für die „Schwermetaller“ sein – geht’s dabei ja nicht wirklich besser als der Opposition. Beim Leichtmetall streiten sich gar wesentlich mehr Anbieter um eine begrenzte und eher sinkende Anzahl potenzieller Kunden. Gejammer, weil Fernostimporte die Preise kaputtgemacht hätten. Das hat die Zunft schon ganz gut alleine hingekriegt. „Das erste Halbjahr brachte nicht die erhoffte Wende am Gesamtmarkt“, hatte der Arbeitskreis im September letzten Jahres gebarmt. Darauf wird man auch lange warten können, eine große Wende wird nicht stattfinden, die goldenen Zeiten der 80-er und 90-er Jahre lagen in einem anderen Jahrtausend, sie sind vorbei, sie kommen nicht wieder. Aufwachen!
Und dann gab es im letzten Oktober für alle überraschend gute Absatzzahlen, weil sich inzwischen die Lager zwar in einem zähen Prozess, aber doch weit genug geleert hatten über Monate, wenn nicht Jahre: Und die Aluräderfraktion jubilierte. Hallo, das ist ein Strohfeuer gewesen, das vielleicht irgendwann einmal aufflackern mag, aber nicht wirklich etwas am Gesamtzustand ändert. Es sind zu viele Marktteilnehmer im Aluräderersatzgeschäft unterwegs. Die einen leben von der Substanz in guten Zeiten angesetzten Fettes, andere stecken den Kopf in den Sand und sind nach allen betriebswirtschaftlichen Kennziffern eigentlich längst pleite, wieder andere haben sich längst dem Erstausrüstungsgeschäft verschrieben und nutzen das Ersatzgeschäft lediglich, um in ihren Fabriken die Auslastungsgrade anzuheben oder das eigene Image zu polieren. Jeder Einzelfall ist irgendwie anders und doch irgendwie gleich: Da wird Geld verbrannt, das ist wirtschaftlich auf Dauer nicht darstellbar. Wir brauchen Marktbereinigung – aber natürlich will keiner weichen. Dann wird es eben in den nächsten Jahren auf die harte Tour gehen müssen!
Zahlen, die nicht ermutigen
In Deutschland haben sich die Autozulassungszahlen eingependelt. In einem guten Jahr sind’s mehr als drei Millionen Einheiten, in einem schlechten sind’s eben weniger. Der Unterschied ist genau genommen geradezu lächerlich, dennoch Gefahr genug für einige Marktteilnehmer, zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“ zu einem Fall für Seelenklempner zu werden. Besser haben’s nur die Aluräderhersteller mit starker Verankerung in der Erstausrüstung: Dem deutschen Automobilexport geht’s blendend, die Premiummarken und Hersteller großer Limousinen, Luxus-SUVs und Sportautos wie Audi, BMW, Mercedes-Benz und Porsche sind im Wettbewerb mit Volumenmarken und Herstellern kleinerer Transportmittel, eher puristischer SUVs wie von Peugeot, Fiat, Ford, Opel oder Renault/Dacia privilegiert: und ihre Zulieferer Ronal, Borbet, Uniwheels und Co. sind es auch.
Der Nach- und Umrüstmarkt von Stahl auf Alu oder von einem Aludesign aufs alternative dümpelt. Es haben ja schon neun von zehn der in Frage kommenden Verbraucher einen kompletten Satz Reifen auf dem Auto und einen zweiten im Keller, die Reifenhändler müssen immer seltener von Winter- auf Sommerreifen oder retour mühselig ummontieren, sie stecken einfach um.
13 Zoll ist nur noch eine Marginalie, 14 Zoll auf dem Weg dorthin schon kurz vor dem Ziel, 15 (noch), 16 und 17 Zoll sind die Hauptseriengrößen, um die 18- und 19-Zoll-Klientel, die dorthin aufrüsten möchte oder nach Alternativen zum Serienrad sucht, balgt sich die Zunft. Und machen wir uns nichts vor: Bei 20 Zoll sind die vermarktbaren Stückzahlen an Aluminiumrädern höchst übersichtlich, größer 20 Zoll homöopathisch.
Die Anzahl der Außendienstler in der Räderbranche wird weiter zurückgehen – was schade ist, denn da gibt es noch echte Typen mit echter Begeisterung fürs Automobil und fürs schöne Aluminiumrad. Wohl jedes zehnte Aluminiumrad findet bereits auf Online-Kanälen den Weg zum Konsumenten. Der traditionell stärkste Vermarktungskanal Reifenfachhandel verliert Anteile. Der BRV wird irgendwann prüfen müssen, ob die Treffen der Aluräderanbieter in seinen Räumen nicht zu Alibiveranstaltungen werden bzw. nicht bei Internetexperten in Kaiserslautern besser aufgehoben wären.
Als im besten Jahr des deutschen Aluräderersatzgeschäftes aller Zeiten wohl so um die 4,5 Millionen Einheiten verkauft worden sind, war ein anderer Zenit schon längst überschritten: Pro Rad blieb immer weniger hängen. Inzwischen nähern sich die Absatzzahlen der 4-Millionen-Stück-Grenze hierzulande. Dass es überhaupt so viele sind, liegt an einem zweifelhaften Trend: der Hinwendung zu echten „Billigrädern“. Wer diese vom Design her als „Klassiker“ in seinem Sortiment hat, der sorgt dann immerhin noch für eine gewisse Grundauslastung. Neue Räderstylings einzuführen wird angesichts immer kürzerer Verfallsdaten für den Modeartikel Aluminiumrad zu einem Vabanquespiel: Läuft das Rad nur eine Saison, dann kann es finanziell schon eine schmerzhafte Fehlinvestition gewesen sein.
Der deutsche Aluräderersatzmarkt ist stark fragmentiert. Sechsstellige Stückzahlen mag man den Gespannen AEZ/Dezent/Dotz/Enzo, ATS/Rial/Alutec/Anzio, Brock/RC, Borbet, Platin, Autec, CMS oder ProLine und den ATU-Marken zutrauen, vielleicht noch dem ein oder anderen auch wie wheelworld/Axxion. Diese Anbieter werden am ehesten die nächsten Jahre mit mehr oder weniger Blessuren überstehen und auch mit viel Herzblut gepflegte Premiummarken wie BBS oder OZ oder von „Car Guys“ getriebenen wie ASA bzw. für die „Autoverrückten“ Oxigin oder Barracuda/Corniche. Sollte einer vergessen worden sein: sorry. Keinem soll die Existenzberechtigung abgesprochen werden, das würde der Verfasser niemals wagen!
Während das Schrumpfungspotenzial des deutschen Alurädervolumens vier Millionen Stück pro Jahr anpeilt, sind bei Stahlrädern zwei Millionen ins Visier genommen. Aus „Fifty-Fifty“ zwischen Stahl und Alu vor vielleicht einem Jahrzehnt wird „ein Drittel/zwei Drittel“. Und wer als Großhändler einen Satz Stahlräder zu einem Einzelhändler transportieren „darf“, weil dort aus Versehen ein entsprechender Kunde aufgelaufen ist, der wird nicht wirklich froh: Allein schon der Transportaufwand macht jede Hoffnung auf Gewinn zunichte.
Trends, die auch nicht ermutigen
Gewinner des Marktes wird man nicht durch kollektives Wachstum, sondern weil ein anderer verdrängt wurde. Auch das gehört zu den Wahrheiten gesättigter Märkte. Am einfachsten geht das über den Preis, irgendwer wird schon die nächste Spirale in Gang setzen.
Ach ja, es gibt ja immer welche, die glauben besser zu sein. Bei Lagerhaltung, Logistik, Service usw. ist das nachvollzieh- und geradezu messbar. Schade ist nur, dass so viele Kunden das nicht honorieren wollen. Die wechseln nämlich im Zweifelsfalle für einen um 50 Cent geringeren Preis und zucken nur mit den Achseln, wenn an den (auch pekuniären) Serviceaufwand erinnert wird.
Und da gibt es noch die, die glauben, die kreativeren Ideen zu haben, die von Designerrädern schwadronieren und dabei nur Worthülsen von sich geben, die bestenfalls Selbstbeweihräucherung sind. Ein 5-Speichen-Rad ist ein 5-Speichen-Rad ist ein 5-Speichen-Rad, eine Kreuzspeiche ist eine Kreuzspeiche ist eine Kreuzspeiche, fünf Millimeter mehr Felgenbett, ein etwas gewagterer Speichenschwung – und fertig ist das „Tunerrad“. Dabei ist auch diese Bezeichnung ein Muster ohne Wert.
Mit Trends ist das so eine Sache, sie sind meist kurzlebig: Erinnert sei an Begriffe wie „Softline“, an 3-Speichen-Räder oder an das Schwermetall Chrom. En vogue mögen aktuell grell bunte (aber auch weiße) Räder sein, man sieht sie auf Messeständen leuchten, als hübsche Farbtupfer in ansonsten auf silberne und schwarze Töne limitierten Vierfarbkatalogen und -prospekten, im allgemeinen Straßenverkehr aber eher nicht. Einzuräumen allerdings ist: Bicolor- und schwarze/anthrazitfarbene/in „gun metal“ (der Phantasie bei den Benennungen sind keine Grenzen gesetzt) gehaltene Oberflächen haben sich durchgesetzt. Warum: Weil sie nicht nur im Ersatzgeschäft reüssieren konnten, sondern auch bei den Autoherstellern auf Gefallen stießen. Merke: Aus einem kurzfristigen Trend wird ein echtes Marktsegment, wenn es auch in der Erstausrüstung akzeptiert wird. Diese Räder sieht man sehr wohl auf der Straße!
Zum Abschluss gilt es, nach so viel Demotivation auch ein wenig Mut zu verbreiten. Stünde der Branche denn nicht eine Renaissance des Frühjahrsgeschäftes gut zu Gesichte? Da mag es vielleicht weniger ums Volumendenken gehen, aber „Sommerräder“ (vor allem solche mit hohem Individualisierungspotenzial!) können nicht nur „Eyecatcher“ sein, sondern auch richtige Renditebringer. Denn daran sei auch erinnert: Eine recht stabile Größe sind nicht die genannten „Tunerräder“ des Ersatzgeschäftes, sondern die Räder der Tuner. Und die verstehen es blendend, ihrer Klientel Rädersätze schmackhaft zu machen, die vier-, manchmal sogar fünfstellige Summen kosten (für den Verbraucher, nicht für den Hersteller der Räder). Wenn da keine Freude aufkommt? detlef.vogt@reifenpresse.de
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