Wer steht hinter der Ronal AG?
„Wer sind denn eigentlich die Ronal-Gesellschafter“ gehört zu den häufigsten Fragen, die in Zusammenhang mit Analysen zur Wettbewerbssituation in der Aluminiumräderbranche in den vergangenen Jahren immer wieder gestellt wurden. Bis ins Detail beantworten kann auch die NEUE REIFENZEITUNG diese Frage mit heutigem Kenntnisstand nicht, aber vielleicht ein wenig Klarheit vermitteln. Der wohl wichtigste Aspekt: Mehrheitsgesellschafter der Ronal Aktiengesellschaft im schweizerischen Härkingen (Kanton Soluthurn) ist heute die Ronal-Stiftung, die im Jahre 2002 etabliert worden war und sich zum Ziel gemacht hatte (Originaltext):
„Erhaltung und Förderung der Ronal-Gruppe als unabhängiges Produktionsunternehmen; Gewährung von Beiträgen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung von begabten Jugendlichen sowie deren Förderung im allgemeinen; Ausschüttung von Beiträgen an die wissenschaftliche Forschung, insbesondere im Bereich der Radtechnologie; Fürsorge für die Arbeitnehmer der Ronal-Gruppe sowie deren Angehörige und Hinterbliebene durch Gewährung von Unterstützung in Fällen von Alter, Tod, Krankheit, Unfall, Invalidität, Arbeitslosigkeit und unverschuldeten Notlagen. Zu diesem Zweck kann sich die Stiftung an fremden und Unternehmen der Ronal-Gruppe beteiligen und sämtliche kommerziellen und finanziellen Geschäfte durchführen, die ihrem Zweck förderlich sind.“
Das ist alles sehr ehrenwert, ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Unternehmen lange Zeit geradezu öffentlichkeitsscheu auftrat, wenn beispielsweise nach agierenden Personen oder konkreten Geschäftsanteilen von Gesellschaftern gefragt wurde. Immerhin ist heute zu konstatieren, dass das Unternehmen sich vermehrt öffnet, Stück für Stück Transparenz wagt – und damit auch gewiss besser in die Gegenwart passt. Wer die Minderheitsgesellschafter sind und wie hoch deren Anteil, das ist unbekannt. Wer das Unternehmen operativ führt, kann nachgelesen werden: CEO Yvo Schnarrenberger.
An den Namen des Firmengründers Karl Wirth werden sich noch langjährige Marktteilnehmer erinnern, aber wofür stehen eigentlich die ersten drei Buchstaben des Firmennamens? Die letzten beiden „al“ stehen für Aluminium, das lässt sich leicht denken, die ersten drei aber sind seinem zweiten weitgehend unbekannten Vornamen ROlaNd entnommen. 1969 startete Karl Roland Wirth als einer der Branchenpioniere, 1970 gründete er Ronal am Standort Forst mit dem Bau einer Aluminiumräderfabrik Karl Wirth GmbH, später Ronal GmbH. Wirth teilte mit anderen etwa gleichaltrigen Branchenpionieren wie Günter Schmid (erst ATS, später Rial) oder Heinrich Baumgartner (BBS) die Passion für den Motorsport und war selbst durchaus erfolgreich Rennen gefahren. Er hatte nicht nur das Gespür für das richtige Produkt zur richtigen Zeit, sondern trieb auch – noch recht ungewöhnlich zu der Zeit – die Internationalisierung mit Produktionsstätten in Frankreich und Spanien voran, wagte sich sogar über den Atlantik nach Nordamerika (war dort allerdings der Zeit wohl voraus). Auch die Gründung des Entwicklungszentrums Härkingen (damals als RON AG) 1983, heutiger Sitz der Konzernzentrale, fiel in diese Jahre unternehmerischer Umtriebigkeit (inklusive Diversifikation in den bis heute gehaltenen Sanitärbereich mit der SanSwiss, ehemals Sanimetal).
Dann das Unvorstellbare: Bei einem Autounfall zwischen Prag und Pilsen kommt Wirth am 15. August 1991 ums Leben, im Alter von 54 Jahren und auf dem Höhepunkt seiner unternehmerischen Schaffenskraft. Die Firma ist zu hundert Prozent Eigentum der Familie Wirth, ein Nachfolger in der Familie als Unternehmenslenker aber nicht in Sicht, auch wenn ihre Identifikation mit Ronal unverkennbar ist. Die Wirths ziehen sich in den 90er Jahren sukzessive zurück, verbunden sind sie dem Unternehmen jedoch bis zum heutigen Tage: Als im Sommer 2012 der Grundstein für den Neubau der inzwischen mehr als 30 Jahre alten Zentrale in Forst (früher für die Gruppe, heute fürs Deutschlandgeschäft) gelegt wird, ist auch die Geschäftsführerin der Wirth Grundbesitz GmbH (Walldorf) Sabine Wirth ebenso mit von der Partie wie die Gesellschafterin der Firma Andrea Wirth-Müller: Die Ronal GmbH ist Mieter der Wirths.
Der plötzliche Unfalltod von Karl Wirth mag eine nicht zu füllende Lücke gerissen haben, aber der Werdegang des Unternehmens geht kurz darauf im gleichen atemberaubenden Tempo weiter. Das deutsche Werk Landau hatte der Firmengründer noch ebenso auf den Weg gebracht wie den Werkzeugbau in Portugal, seine alten Weggefährten und neues Management, das sich vom Gründergeist infizieren lässt, machen weiter in Tschechien und Polen mit neuen Produktionsstätten, wagen in Mexiko den erneuten Anlauf in Übersee – und exerzieren, was in der Branche niemand bei Ronal vermutet hätte: Statt mit immer neuen eigenen Werken zu wachsen, wird im Mai 2007 der italienische Wettbewerber Speedline geschluckt, das erst als Minderheitsbeteiligung gedachte Engagement beim Schmiedespezialisten Fullchamp (Nantou/Taiwan) wird im Jahre 2013 in eine 96-prozentige Mehrheitsbeteiligung gewandelt. Heute ist die Ronal Group, wie sie sich seit dem letzten Jahr nennt, nach Dicastal (China) der zweitgrößte Hersteller von Aluminiumrädern weltweit, in Europa liefert er sich seit Jahren ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Borbet-Gruppe. Die beiden Unternehmen befeuern sich gegenseitig im Wettbewerb, bezüglich Größe und angesichts der neuen Kapazitäten in einem zweiten Mexiko-Werk für Gussräder (erst zwei, vielleicht später vier Millionen Einheiten Jahreskapazität) und weiteren Kapazitäten für Schmiederäder in Taiwan (von 100.000 p. a. auf 250.000) beim dortigen Spezialisten für diese Technologie Fullchamp geht Ronal stramm auf die 20-Millionen-Fertigungskapazität zu und mag zwar noch kein „Global Player“ sein, aber bestens international aufgestellt.
Bezüglich neuer Technologien beim Aluminiumrad verharrt Ronal nicht im traditionellen Niederdruckguss, sondern ergänzt ihn um das gewichtsverringernde Flowforming, um das farblich individualisierende MCR (Multi Color Rim), beweist mit dem Fullchamp-Engagement, dass auch andere Produktionsmethoden beim Leichtmetall Aluminium sinnhaftig sein können (so bei Lkw-, aber auch besonders großdimensionierten Pkw-Rädern) und ist mit dem Engagement bei CFK-Rädern der Carbon Revolution (Australien) sogar bereit, über den „Tellerrand des Rädermaterials“ hinauszublicken und zu handeln. So ist Ronal nicht nur Europas Nr. 1, sondern hat sich zur Sperrspitze in technologischer Hinsicht entwickelt.
Im Ersatzgeschäft, das die Ronal Group wohl über viele Jahre vernachlässigt hatte immer wieder zu Gunsten der Erstausrüstung, hat das Unternehmen lange Zeit eine glasklare Ein-Marken-Strategie gefahren. Das war zu Wirths Zeiten noch anders: Da gab es in den 80-ern eine durchaus erfolgreiche Mehrmarkenstrategie mit Centra als – wie man heute sagen würde – Mainstreammarke, ACT als Gegenstück zum Premium schlechthin BBS (dass die jeweiligen drei Buchstaben typographisch einander so ähnelten, war wohl kein Zufall) und Gotti als Marke für automobile Avantgardisten (heute würde man vielleicht sagen tuningaffin oder „Freaks“). Kurzfristig gab’s auch wohl mal eine Marke „Vial“, die dem Verfasser begegnet ist, aber markenrechtlich wohl nicht so zu halten war.
Jetzt ist das Thema „Marken“ wieder aktuell – auch weil mit der Speedline-Akquisition nicht nur das Asset Räderwerk, sondern auch das „Asset Marke Speedline“ zugefallen war –, wenn auch die alten Schätzchen nicht reanimiert werden: Ronal Group dient als Dachmarke, Ronal als Hauptmarke für den Volumenmarkt, mit Speedline Corse wird das eher sportliche und/oder technologieaffine Pkw-Premiumsegment (gegossen, flowgeformt und geschmiedet) bedient, mit Speedline Truck (geschmiedet) der Bereich Lkw und Omnibusse. Mit der Marke Carbon Revolution besetzt die RonalGroup einen Bereich, der heute noch extrem exklusiv und auch extrem teuer ist, aber gewiss das Interesse der Premiumhersteller für ihre Premiummodelle finden wird und im Edeltuning sowie Ersatzgeschäft Begehrlichkeiten bei den Reichen und Superreichen wecken wird, sofern sie denn Freude am exklusiven und technisch sich am aktuellen Optimum bewegenden Automobil haben. Die „Öffnung“ der Ronal Group geht einher mit einer stärkeren Emotionalisierung bei den Marken. detlef.vogt@reifenpresse.de
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!