Uniwheels – aber wer ist Rasch?
Man erinnere sich: Die Hauptwurzeln der Uniwheels (gegründet 2005) sind weniger bei der Traditionsrädermarke Rial (Räder in Aluminium) zu finden, sondern eher bei der bereits 1996 gegründeten Alutec Leichtmetall GmbH des Ralf Schmid, Sohn eines gelegentlich in der Branche umstrittenen, aber gewiss höchst erfolgreichen Pioniers der Aluminiumfelgenbranche namens Günter Schmid. Dieser umtriebige Unternehmer hatte erst die Marke ATS (mit)aufgebaut und dann mit Rial erfolgreich ein zweites Mal die Branche vorangetrieben. Schmid wurde über die Felgenbranche hinaus auch durch sein Engagement im Motorsport bekannt und gründete jeweils die Formel-1-Teams ATS und Rial. Im Dezember 1998 kaufte Sohn Ralf seinem Vater dann in einer Ratenzahlungsvereinbarung die Firma Rial ab. Mit der nachfolgenden Gründung der polnischen Rial Aluguss Sp z .o.o. im Jahre 2001 und dem damit stark anwachsenden und hoch lukrativen Volumengeschäft im Ersatzmarkt schuf Ralf Schmid Voraussetzungen, um das Rädergeschäft des größeren Wettbewerbers ATS im Jahre 2008 zu übernehmen, als der in die Insolvenz gerasselt war.
Unter dem neu gegründeten Uniwheels-Dach kam damit zusammen, was vielleicht irgendwie zusammenkommen musste, weil zu viele Wurzeln miteinander verbunden waren. Allerdings war bereits zuvor durch vereinzelte OE-Engagements von Rial zu erahnen gewesen, dass die Weichenstellungen strategisch waren und das Ziel hatten, sowohl im Ersatzmarkt als eben auch im OEM-Markt eine im Rädergeschäft führende Position in Europa einzunehmen.
Ralf Schmid hält 92 Prozent an der Uniwheels Holding (Malta) Ltd., Cousin Michael „Mike“ Schmid die restlichen acht Prozent. Weniger interessant vielleicht für die Marktteilnehmer, sondern eher etwas für Konstrukteure von Firmenkonglomeraten: Die Rasch Holding Ltd. (British Virgin Islands) ist Konzernobergesellschaft der Uniwheels-Gruppe und hat als Alleingesellschafter Ralf Schmid, das Pendant von Cousin Michael heißt Misch Holding Ltd. (natürlich ebenfalls British Virgin Islands).
Es passte geradezu ideal, dass im polnischen Stalowa Wola Rial-Werk und ATS-Werk lediglich durch eine Straße voneinander getrennt waren und sich produktionstechnisch Synergien förmlich aufdrängten. Während das bis dato nie richtig in die Gänge gekommene US-Werk an Borbet ging und sich das Engagement des Südafrikaners Eddie Keizan doch nicht als der strategische Königsweg für ATS erwiesen und erledigt hatte, fielen das ATS-Werk in Polen und der Standort Werdohl mit einer sehr erfahrenen Entwicklungsabteilung an Schmids Uniwheels.
Seitdem wurde die Produktion im polnischen Uniwheels-Stammwerk (Werk 1) sowie den beiden neu hinzugekommenen ATS-Fabriken in Polen (Werk 2) und Werdohl (Werk 3) mit Investitionen von über hundert Millionen Euro sukzessive ausgebaut, sodass bis heute eine Gesamtjahreskapazität von acht Millionen Leichtmetallrädern erreicht wurde. Da kann man natürlich auch mal Pech haben, wenn sich die Inbetriebnahme einer neuen Lackieranlage wie 2012 geschehen um ein halbes Jahr verzögert, so etwas ist anderen auch schon passiert. Dass die Produktionsabläufe allerdings beeinträchtigt waren, hat auch einen weiteren Hintergrund: Uniwheels ist bestrebt, seinen Marktanteil bei höherwertigen Rädern – das sind größer dimensionierte, solche mit sehr anspruchsvollen Oberflächen und solche mit bestmöglicher Gewichtsoptimierung – zu erhöhen. Jeder, der sich ein wenig mit den Produktionsabläufen in Räderfabriken auskennt, weiß: Das kostet ganz automatisch Kapazität. Zumal: Wer sich auf neue, noch nicht eingespielte Technologien einlässt, der geht das Risiko von Fertigungsproblemen ein, die bei Auftragsentgegennahme schlicht nicht vorhersehbar waren. So erging es wohl auch Uniwheels. Wenn jetzt von einer Jahreskapazität von acht Millionen Einheiten die Rede ist, dann ist das letztlich eine theoretische Ziffer, die nicht erreicht werden kann, wenn der Anteil höherwertiger Räder steigt – und der ist bei Uniwheels kontinuierlich gewachsen! Tatsächlich wurden in 2012 knapp sechseinhalb Millionen Stück produziert (davon etwa drei Viertel für das OE-Geschäft), und im Jahre 2013 liegt man nun direkt an der 7-Millionen-Grenze. Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Uniwheels begleitet die technologische Orientierung an Premiumrädern für Premiumautos mit einer Marketingmaßnahme in Form der Einführung eines speziellen Warenzeichens „Light Forming“ und will damit Gewichtseinsparungen auf dem Niveau des Flowforming erreichen, mit geringeren Werkzeugkosten, zu geringeren Kosten als beim Flowforming. Gleichwohl wird diese Technik ja nicht bekämpft, sondern werden entsprechende Produktionskapazitäten 2014 in Polen aufgebaut, sodass in Stalowa Wola die gleichen technischen Möglichkeiten wie im deutschen Werk Werdohl bestehen.
Und von jetzt an wird es ein wenig spekulativ und beruht auf Informationen sogenannter „Insider“: Ralf Schmid ging mit Verve an das Projekt der durch die ATS-Übernahme in neue Dimensionen vorgedrungene Uniwheels, wollte umbauen, modernisieren, neue Strukturen schaffen, investieren und den Abstand zu den beiden Großen in der europäischen Aluräderszene Ronal (Schweiz) und Borbet (Deutschland) verkürzen, zumindest zur unumstrittenen „Nummer 3 in Europa“ aufsteigen – was ihm auch gelang! Sukzessive erfolgte ein Kapazitätsaufbau (auf zwei plus 4,5 Millionen Räder in den beiden polnischen Fabriken pro Jahr), Werdohl (bei einer Kapazität von 1,3 Millionen) poliert und fit gemacht für Kleinserien und großdimensionierte sowie technologisch besonders anspruchsvolle Räder. Die Investitionen dürften größer ausgefallen sein, als Ralf Schmid sich das gedacht haben mag, aber er hat am Ende wesentlich mehr als geplant durchgezogen.
Und es war schlicht nicht vorhersehbar, dass all das zeitlich genau in die „Nach-Lehman-Zeit“ fiel, den Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die auch an der Automobilindustrie und den Zulieferern nicht vorüberging. Über den Erwartungen liegende Verschuldung und genauso wenig vorhersehbare Absatz- und Umsatzrückgänge kamen zusammen. Unternehmerische Pläne wie der Aufbau einer Produktion in China wurden erst auf die lange Bank geschoben und dann aufgegeben. Weiterer Kapazitätsaufbau über acht Millionen Stück hinaus verbot sich angesichts des ungebremsten Expansionsdranges der beiden Branchenführer Ronal und Borbet sowie der „Follower“ Hayes Lemmerz (später Maxion) ebenso in der Türkei wie CMS. Ist das CMS-Projekt mit dem Bau eines neuen Werkes abgeschlossen und eine Kapazität von neun Millionen erreicht, summiert man bei Maxion die Werke in der Türkei (vier Millionen), Tschechien und Italien – dann findet sich Uniwheels nicht (mehr) auf Platz 3 in der europäischen Hitliste wieder, sondern möglicherweise bezogen auf Quantität auf Platz 5. Aber bezogen auf Qualität …
Und Ralf Schmid, den es nie in die große Öffentlichkeit gedrängt hat? Von dem war kolportiert worden, er habe die Absicht gehabt, sich immer mehr aus dem operativen Rädergeschäft zurückziehen, sich um geschäftliche Dinge außerhalb der Branche kümmern zu wollen bzw. stärker zu „privatisieren“. Aber wenn’s nicht läuft wie erhofft, gehört der Kapitän auf die Brücke, seit September 2012 fungiert Schmid als CEO der Uniwheels Holding und steht damit auch offiziell an der Spitze der obersten Managementebene, wo er über die nachgelagerten Holdingstrukturen sowieso eigentlich immer stand. Die zweite Hierarchiestufe hat er ausgedünnt bzw. ausgewechselt, von „schlanken Strukturen“ kann wohl gesprochen werden. Auch von einer Phase der Konsolidierung mit berechtigtem Ausblick auf eine positive Zukunft.
Finanziell heißt das: Die Entschuldung (nach der ATS-Übernahme auf mehr als hundert Millionen Euro angestiegen) wurde weiter zurückgeführt (seit 2013 wieder mit zweistelliger Millionenzahl), die Finanzkennzahlen zeigen sich weiter verbessert. Was sich im Übrigen dann auch gleich in zwei Rating-Upgrades durch Euler Hermes bemerkbar machte. Unternehmensstrategisch heißt das: ein Abenteuer wie China ist zu riskant und gehörte gecancelt, statt dessen war man 2013 auf der Suche nach einem Investor, der durchaus aus der Branche hätte kommen können (also sich mit einem Mitbewerber – bevorzugt aus Asien-, Nord- und/oder Südamerika, um mit Uniwheels auch außereuropäisch Fuß zu fassen – verbünden). Dieses Vorhaben wurde zwischenzeitlich mangels geeigneter Kandidaten allerdings wieder ad acta gelegt. Produktstrategisch heißt das (und wurde im Übrigen schon weitgehend umgesetzt): die gestiegene Flexibilität in der Produktion vor allem für Premiumautomobilmarken und deren Premiummodelle (ab 17 Zoll aufwärts und mit den anspruchvollsten Techniken wie Schmieden, Fräsen, Polieren, Flowforming …) sowie sukzessive Ausweitung des bestehenden OE-Kundenportfolios bestehend vor allem aus Audi, VW, Volvo, Mercedes/AMG, PSA, BMW und Mini (so geschehen zum Beispiel durch Nissan/Renault und Skoda). Markenstrategisch heißt das: das neue Logistikzentrum in Bad Dürkheim nutzen, um als einer der beiden Marktführer im europäischen Ersatzgeschäft (neben der Alcar-Gruppe) mit dem Markenquartett ATS, Rial, Alutec und Anzio Vorteile im so wettbewerbsintensiven Aftermarket hinsichtlich der Logistikkosten pro Rad, der Verfügbarkeit und der Lieferfähigkeit zu kreieren und mit ausländischen eigenen Vertriebsgesellschaften (Schweiz, Polen, Schweden usw.), die einen Absatz von 50.000 plus X erwarten lassen, sowie über die USA hinaus mit Importeuren in Südamerika oder Asien noch potenzielle Märkte anzugehen.
Quintessenz: Die Uniwheels-Gruppe hat aus Sicht dieser Zeitschrift in 2013 immer festeren Boden unter die Füße bekommen, drohender Treibsand wurde vermieden, nicht alle Bäume wachsen in den Himmel, es ist viel erreicht, aber es gibt immer noch viel zu tun. Das tiefe Tal der Jahre 2011 und 2012 ist durchschritten, die Früchte der Hinwendung hin zu höherwertigen Rädern fallen aber nicht in den Schoß, sondern müssen immer wieder aufs Neue mühselig geerntet werden. Sofern sich keine unvorhersehbare krisenhafte Situation wie 2008/2009 einstellt, sofern die Spielregeln im Erstausrüstungsgeschäft nicht nur akzeptiert, sondern verinnerlicht sind, dann wird Uniwheels im europäischen Aluminiumrädermarkt auf Jahre hinweg eine feste und verlässliche Größe sein – ob bezogen auf das Volumen als Nummer 3 oder als Nummer 5, das ist doch völlig egal. detlef.vogt@reifenpresse.de
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!