Hämmerling Group: Geschäft und Geschäftsmodell im Nfz-Reifenmarkt ändern sich
Im Reifenhandel auskömmliche Margen zu erzielen, wird immer schwieriger. Entlastung kann dabei entweder zusätzlicher Druck auf Lieferanten und Kunden bringen – oder der Händler bringt sich in eine Quasi-Herstellerposition, wodurch er in der gesamten Wertschöpfungskette deutlich besser dasteht. Dies ist das Erfolgsrezept der Hämmerling Group. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutert Ralf Hämmerling, welche Rolle mittlerweile das Sortiment an Eigenmarken im Nutzfahrzeugsegment spielt und wie diese durch die eigene Runderneuerung am Standort in Paderborn ergänzt wird und in Zukunft durch eine Werksrunderneuerung noch weiter ausgebaut werden soll. Als Ralf Hämmerling 1980 als gerade einmal 23-jähriger Jungunternehmer seinen ersten Autoklaven in Betrieb nahm, war noch nicht abzusehen, wohin die Reise des Unternehmens einmal gehen würde. Vier Reifen konnte man damals gleichzeitig abheizen. Immerhin verfügte man zu der Zeit bereits über ein komplettes, hochmodernes Marangoni-Ring-Cup-System, mit dem die an der selben Anlage geraute Karkasse mit einem spleißfreien, konturierten Ringlaufstreifen belegt wurde. Dieselbe Anlage ist im Übrigen auch heute noch bei Hämmerling in Betrieb.
Wie der Firmengründer und Geschäftsführer erzählt, habe man im Laufe der Jahre auch weitere Initiativen in Sachen Runderneuerung gestartet, etwa den Einstieg in die Pkw-Reifenrunderneuerung Mitte der 1980er Jahre oder später die Lkw-Reifenheißrunderneuerung unter dem Markennamen Mäxx (dazu unten mehr). Die Hämmerling Group gehörte dabei all die Jahre zu den etablierten Runderneuerern in Deutschland und konnte dabei schon früh auf ihr wachsendes Großhandelsgeschäft sowie den ab 2004 im Aufbau befindlichen Karkassenhandel vertrauen, um die Absätze der runderneuerten Lkw-Reifen sicherzustellen. Viele im Reifenmarkt sehen Hämmerling heute immer noch zuallererst als Runderneuerer, dann als Reifenhändler und schließlich auch als Anbieter von branchennahen Dienstleistungen wie Logistik oder IT und E-Commerce.
Mit der Einführung der Lkw-Reifeneigenmarke Athos 2008 haben sich das Geschäft und das Geschäftsmodell dahinter aber deutlich verändert. Der Markt war damals offensichtlich reif für eine eigene Reifenmarke aus dem Hause Hämmerling. Produziert in China, konnte Ralf Hämmerling Athos-Reifen nicht nur in der deutschen Erstausrüstung (Trailerpositionen) fest etablieren. Die Reifen seien heute ein nicht mehr wegzudenkender Mitbewerber auf dem Ersatzmarkt, biete Hämmerling doch ein komplettes Sortiment an Athos-Reifen an. Der Vorteil der Athos-Reifen: Sie seien von hoher Qualität, was sich in Praxistests, aber auch bei den Überprüfungen durch den TÜV oder für ISO-Zertifizierungen zeige. Außerdem seien Athos-Reifen auch preislich eine sehr gute Alternative zu den Marken etablierter Neureifenhersteller. Ralf Hämmerling empfiehlt seinen Kunden, Athos-Reifen im mittleren Preissegment zu positionieren; das Preis-Leistungs-Verhältnis sei hervorragend.
Im laufenden Jahr rechnet Ralf Hämmerling damit, rund 80.000 Lkw-Reifen seiner Eigenmarken verkaufen zu können, was einem nicht zu unterschätzenden Marktanteil entspricht. Dabei sind dies nicht ausschließlich Reifen der Eigenmarke Athos. Seit zwei Jahren vermarktet Hämmerling eine weitere Eigenmarke: Mäxx. Mäxx-Neureifen – ebenfalls aus chinesischer Fertigung – ergänzen heute das Athos-Sortiment und sollen dem Unternehmen mit Sitz in Paderborn wie auch seinen Handelspartnern einen „Rohertrag sichern, mit dem das Verkaufen wieder Spaß macht“.
Ralf Hämmerling hat sich erst vor drei Jahren entschieden, eine weitere Lkw-Reifeneigenmarke aufzulegen, nachdem er sich eingestanden hatte, dass das Experiment Heißrunderneuerung nicht wie geplant funktionieren würde. 2005/2006 hatte die Hämmerling Group in eine eigene Heißrunderneuerung investiert, Extruder und Pressen gekauft. Tageskapazität: 120 Reifen. Doch schon nach rund drei Jahren war dem Unternehmer klar, dass dieses Engagement nicht zu seinem Geschäft und seinem Geschäftsmodell passte. „Wir haben feststellen müssen, dass wir sehr unbeweglich sind mit einer Heißrunderneuerung“, betont Hämmerling im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. Damit eine Heißrunderneuerung, die unter dem Markennamen „Mäxx“ eingeführt und vermarktet wurde, sich auch finanziell trägt, müssen hohe Stückzahlen von ein und demselben Produkt gefertigt werden. Außerdem machen die Anfangsinvestitionen und Herstellungskosten die Heißrunderneuerung vergleichsweise teuer, was sie wiederum bei zu geringer Auslastung zu einem echten Kostenfaktor in der Produktion werden lässt.
Neben die Überlegungen zu Kosten und Nutzen der Mäxx-Heißrunderneuerung traten noch Erwägungen, wie sich die Hämmerling Group insgesamt im Lkw-Reifensegment positionieren will, welches Vermarktungskonzept man eben verfolge. Eine hochwertige Heißrunderneuerung, die nicht nur technisch auf dem Niveau von Neureifen ist, sondern auch „so schön wie ein Neureifen“ aussieht, schien Ralf Hämmerling nicht in die überaus positiven Entwicklungen rund um die beinahe zeitgleich eingeführte Eigenmarke Athos zu passen. Das Unternehmen benötigte eine Runderneuerung, die die steigenden Absätze mit Athos-Lkw-Reifen unterstützen konnte, diese aber nicht kannibalisieren würde. Eine „preisliche Alternative“ zu Athos sollte geboten werden. 2009 fiel dann die Entscheidung, den Versuch Heißrunderneuerung zu beenden und die Hämmerling Group verkaufte wenig später die dazugehörenden und nicht mehr gebrauchten Produktionsanlagen. Während Ralf Hämmerling also keine Vollformheißerneuerten mehr fertigte, blieb der Markenname Mäxx aber erhalten – als zweite Lkw-Reifeneigenmarke.
Heute betreibt das Unternehmen demnach nur noch eine Kaltrunderneuerung. Zum Sortiment gehören dabei Lkw-Reifen von 17.5 bis 22.5 Zoll, die hauptsächlich für den Nah- und mittleren Fernverkehr gefertigt werden. 90 Prozent der Produktion sind für dieses Segment bestimmt, zu dem auch die klassischen Baustellenreifen gehören. Das verbleibende Zehntel sind Trailer- und Antriebsachsreifen für den Fernverkehr. Wie Ralf Hämmerling erläutert, werden seine 15 Mitarbeiter (europaweit beschäftigt er 400 Mitarbeiter) im Laufe dieses Jahres schätzungsweise 25.000 Kaltrunderneuerte in Paderborn fertigen, die üblicherweise unter dem Markennamen Sämm vertrieben werden. Die maximal mögliche Kapazität liege bei rund 250 Reifen pro Tag, dazu müsste aber rund um die Uhr an jedem Tag der Woche produziert werden. Gerade dabei zeige sich Hämmerling zufolge noch einmal der große Vorteil der Kaltrunderneuerung gegenüber einer Heißrunderneuerung: Flexibilität. Ohne großen zeitlichen Vorlauf und Umstellung in der Produktion könne der Output der jetzigen Anlage an die Bedürfnisse angepasst werden.
Einen Vorteil, auf den die Hämmerling-Runderneuerung dabei zählen kann, ist ihr Autoklav. Dieser ist in spezieller Zusammenarbeit mit Maschinenbau Scholz (Coesfeld) entwickelt und gebaut worden und fasst sage und schreibe bis zu 52 Reifen pro Durchgang; Standardkessel fassen 24 Reifen. Laut Ralf Hämmerling sei dieser Autoklav vermutlich der größte weltweit in einer Runderneuerung genutzte. Die Heizzeiten in diesem Hämmerling-Autoklaven liegen zwar mit rund vier Stunden deutlich über denen eines Standardkessels. Da man aber die Herausforderungen der zügigen und gleichmäßigen Verteilung der Hitze von 105 bis 108 Grad Celsius im Kessel meistern konnte und somit beim Aufheizen des XXL-Kessels nur wenig Zeit gegenüber einem Standardkessel einbüßt, rechne sich die Größe des Kessels durchaus. Man könne die Reifen auch im großen Autoklaven innerhalb von zweieinhalb Stunden komplett abheizen, nur komme man dann in einen Lastbereich, in dem die Vorteile durch die Kesselgröße durch die übermäßig steigenden Stromkosten eliminiert werden würden.
Von den schätzungsweise 25.000 in diesem Jahr kaltrunderneuerten Reifen werden knapp ein Drittel außerhalb Deutschlands vermarktet. Hämmerlings Exportmärkte liegen dabei ausschließlich in Osteuropa, während der russische Reifenmarkt für Exporte aus Deutschland immer weniger Bedeutung hat, was zuletzt am aufkommenden lokalen Wettbewerb und an den Logistik- und Importkosten (Zölle) hängt. Auch in Osteuropa nehme Ralf Hämmerling einen zunehmenden Wettbewerb heimischer Runderneuerer wahr, nur seien diese Unternehmen in der Regel noch sehr klein, wodurch sich immer wieder Probleme mit der Lieferung von Runderneuerten und deren Qualität ergeben, von Liquiditätsproblemen ganz zu schweigen. Vermarktet werden die Reifen in Deutschland derzeit aktiv von einem dreiköpfigen Außendienst, der demnächst um einen weiteren Mitarbeiter ergänzt werden soll.
Während Ralf Hämmerling also in den vergangenen Jahren mit seinen Eigenmarken Athos und später Mäxx – das Unternehmen vermarktet außerdem noch die Lkw-Stahlrad-Eigenmarke Talas – sowie mit seiner Kaltrunderneuerung Sämm zu einem der ganz großen Marktteilnehmer auf dem europäischen (Lkw-)Reifenmarkt aufgestiegen ist, entstehe bereits das Konzept für den nächsten wichtigen Schritt, um das Angebot für die Nutzfahrzeugreifenkunden noch weiter auszudehnen: eine eigene Werksrunderneuerung. „Wenn ich eine Marke wie Athos aufbaue, muss ich auch eine Werksrunderneuerung haben“, ist der Unternehmer überzeugt.
Natürlich werden bei Hämmerling in der Runderneuerung Reifen sämtlicher Premium- und Qualitätsmarken verarbeitet. Auch einige Marken aus China hätten heute ein beachtliches technisches Niveau erreicht, durch das diese Produkte in der Runderneuerung keinerlei Probleme mehr bereiteten. Dies sei in den ersten Jahren, in denen Reifen aus China in Europa auf den Markt kamen, noch anders gewesen, erinnert sich Ralf Hämmerling. Ebenfalls bedenkenlos runderneuern könne man freilich Reifen der Eigenmarke Athos. Um den Runderneuerungskunden ein komplettes Angebot für das erste und zweite Leben eines Athos-Reifens machen zu können, soll innerhalb der kommenden zwei Jahre eine Athos-Werksrunderneuerung verfügbar sein. Dies bedeutet: Die Profile wären die der Neureifen und beides könnte im Paket angeboten werden.
Eine Werksrunderneuerung bietet außerdem den Vorteil, dass ein Großteil der Athos-Karkassen im Hämmerling-Kreislauf bleiben könnte. Gerade die Verfügbarkeit von Karkassen sei auch für Hämmerling in den vergangenen Jahren mitunter eine Herausforderung gewesen. Die Karkassenknappheit habe sich zwar nur minimal auf die Produktionsabläufe in Paderborn ausgewirkt. Doch man müsse heute schon durch halb Europa reisen, um die Karkassen zu erhalten, die man benötigt. Gerade vernünftige Karkassen in den beiden Standardgrößen 315/80 R22.5 und 385/65 R22.5 seien nicht mehr leicht zu finden.
Kunden, die mit dem Athos-Neureifen gleich das zweite Leben hinzukauften, würden ihre Karkassen vermutlich nicht auf dem freien Markt an den Meistbietenden verkaufen, sondern sie für sich selber als Kundenkarkassen nutzen. Im Grunde praktizierten einige Neureifenhersteller bereits genau dieses System, indem sie ihre eigenen Runderneuerungen in die Absatzbemühungen ihrer Neureifen über Flottenverträge integrieren. In diese Quasi-Herstellerposition möchte auch die Hämmerling Group aufrücken – „zum Nutzen unserer Kunden“, so der Unternehmer weiter. arno.borchers@reifenpresse.de
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