Die Zukunft der Automobilzulieferer: Chancen überwiegen
Bis 2020 wird der weltweite Markt im Automobilzuliefergeschäft auf bis zu zwei Billionen Euro anwachsen. Die vier maßgeblichen Treiber hierfür werden sein: das anhaltende Wachstum in Asien, die verstärkte Nachfrage nach kleineren Fahrzeugen, ein expansiver Ersatzteilmarkt und neue Technologien. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie mit dem Titel „New Rules for Winners – Ensuring the Competitiveness of the Automotive Supplier Industry“ von der Unternehmensberatung McKinsey & Company. Für die Studie untersuchten die Autoren die aktuellen Branchentrends und analysierten in Kooperation mit dem europäischen Automobilzuliefererverband CLEPA die hundert weltweit größten Zulieferer.
„Automobilzulieferer müssen ihre Strategien an das veränderte Umfeld anpassen, um langfristig erfolgreich zu sein“, sagt Andreas Cornet, Partner und Zuliefererexperte bei McKinsey. Zusammen mit seinem Kollegen Ralph Heck leitete er die Studie. Cornet: „Die Chancen für die Unternehmen liegen in einer starken Präsenz in den asiatischen Wachstumsmärkten, in kosteneffizienten Innovationen, einer hohen Agilität in der gesamten Wertschöpfung sowie dem Zugang zu Kapital und talentierten Mitarbeitern.“
Europäische Zulieferer wuchsen am stärksten, asiatische am profitabelsten
Die McKinsey-Analyse zeigt, dass sich die hundert größten Zulieferer anhand ihres Wachstums und ihrer Rendite in den vergangenen zehn Jahren in drei Gruppen einteilen lassen: Während die besten 30 Unternehmen um durchschnittlich mehr als zehn Prozent pro Jahr wuchsen und eine Rendite von sechs Prozent erwirtschafteten, kamen die unteren 25 Zulieferer im Mittel nur auf 0,7 Prozent Wachstum und 1,8 Prozent Rendite.
Im internationalen Vergleich wuchsen die europäischen Unternehmen im Untersuchungszeitraum mit jährlich 6,4 Prozent stärker als die asiatischen (5,2 Prozent) und nordamerikanischen Wettbewerber (2,7 Prozent). Ein anderes Bild zeigt sich jedoch bei der Rendite: Hier lagen die asiatischen Zulieferer mit 4,7 Prozent vor den europäischen (4,1 Prozent) und amerikanischen Firmen (drei Prozent).
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass sehr unterschiedliche Strategien zum Erfolg führten. Die weltweit 20 umsatzstärksten Zulieferer der vergangenen Jahre wiesen mit 6,6 Prozent jährlichem Wachstum und 4,5 Prozent Rendite überdurchschnittlich gute Kennzahlen aus. Daneben waren aber auch kleinere Firmen erfolgreich, die beispielsweise früh in Asien präsent waren, eng mit erfolgreichen Automobilherstellern zusammenarbeiteten, ein starkes Standbein im Ersatzteilgeschäft hatten oder durch starke Kostendisziplin schneller die Gewinnzone erreichten. Ralph Heck: „Erfolgsvoraussetzung war in jedem Fall die Fähigkeit, die Abläufe im Unternehmen so anpassbar zu gestalten, dass die Organisation auf Veränderungen schnell reagieren kann.“
Neue Märkte und Segmente
Das Wachstum im weltweiten Zulieferermarkt um jährlich rund fünf bis sieben Prozent wird von vier Trends geprägt:
– Asien: Derzeit sind europäische und nordamerikanische Zulieferer in Asien noch unterrepräsentiert. Um mit dem Wachstum Schritt zu halten, müssen sie Kapazitäten in die Region verlagern. 2011 hatten europäische Anbieter beispielsweise erst 20 Prozent ihrer Produktionskapazität in Asien. Allein die zehn größten europäischen Zulieferer müssten 220 neue Werke bauen, wenn sie ihre Kapazität in der Region verdoppeln wollen.
– Kleinere und Mittelklassefahrzeuge (A-, B- und C-Segment): Der Anteil kleinerer Fahrzeuge am Gesamtmarkt wird von 55 Prozent 2001 auf mehr als 72 Prozent im Jahr 2020 ansteigen. Dies bietet Wachstumschancen für Zulieferer, die sich auf dieses Segment fokussieren und gleichzeitig durch effiziente Forschungs- und Entwicklungsprozesse ihre Margen schützen.
– Ersatzteilmarkt: Das Wachstum im Ersatzteilmarkt wird sich von bisher jährlich rund drei Prozent in den kommenden Jahren auf vier bis sechs Prozent beschleunigen, bedingt durch starke Steigerungsraten in Asien sowie im Durchschnitt alternde Fahrzeugflotten. Gleichzeitig wird für etablierte Unternehmen der Wettbewerb durch neue asiatische Anbieter in Europa härter.
– Wertsteigerung durch zusätzliche Komponenten mit neuen Technologien: Gesetzliche Anforderungen, beispielsweise zur CO2-Reduzierung, sowie steigende Sicherheits- und Komfortansprüche werden weiterhin ein Wachstumstreiber für Zulieferer sein.
Für die Unternehmensstrategien der Hersteller leiten Cornet und Heck vier Prüfpunkte ab:
– Erschließt das Unternehmen neue Wachstumsquellen? Das Wachstum in Asien erfordert von den Zulieferern neben ausreichenden Kapazitäten für Produktion und Entwicklung in der Region eine veränderte Organisation und Kultur. Die enge Verknüpfung der Wertschöpfungsketten erfordert es, vor Ort nach den besten Talenten zu suchen und das gesamte Management „asiatischer“ zu machen.
– Schafft das Unternehmen kosteneffiziente Innovationen? Immer komplexere Entwicklungsinhalte bei gleichzeitig höchsten Qualitätsanforderungen der Automobilhersteller stellen die Zulieferer vor große Herausforderungen. Eine gezielte Zusammenarbeit mit anderen Zulieferern, zum Beispiel über gemeinsame Standorte in Asien, sowie die weitere Standardisierung und Modularisierung der Produkte sind mögliche Wege, um schnell auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren und damit für Hersteller attraktiv zu bleiben.
– Managt das Unternehmen die Volatilität? Die Preise von Rohstoffen und Währungen werden weiterhin stark schwanken. Die gesetzlichen Anforderungen, CO2 und Schadstoffe zu reduzieren, gehen einher mit einem Trend zu alternativen Antriebsarten. Zulieferer können hierauf mit intensiver Marktbeobachtung, schneller Entscheidungsfindung und einem szenariobasierten Risikomanagement reagieren.
– Hat das Unternehmen Zugang zu Kapital und Talenten? Der notwendige Kapitalbedarf für Innovationen wird weiter überproportional steigen. „Lean capital“ wird zum Gebot der Stunde. Gleichzeitig müssen Zulieferer die besten Talente für sich gewinnen. Denn obwohl Zulieferer rund 75 Prozent zur Wertschöpfung eines neuen Fahrzeugs beitragen, waren 2012 bei den deutschen Absolventen ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge nur drei Zulieferer unter den beliebtesten 40 Arbeitgebern. Eine stärkere Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen kann helfen, die Anforderungen an Personalbedarf und -qualifikation zu erfüllen. dv
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