Formel-1-Exklusivlieferant Pirelli geht in die Offensive
Nachdem vier Reifenausfälle das Formel-1-Rennen im britischen Silverstone am vergangenen Wochenende überschattet haben, geht Exklusivlieferant Pirelli nun einige Tage vor dem „Großen Preis von Deutschland“ am Nürburgring in die Offensive, übt deutliche Kritik, meint aber auch, aus dem sogenannten Reifen-Swapping entstehende Problem unterschätzt zu haben.
„Nach gründlicher Analyse der Reifen, die in Silverstone genutzt wurden, stellte Pirelli fest, dass die Ursachen für die Ausfälle vor allem auf eine Kombination folgender Faktoren zurückzuführen sind“, heißt es dazu deutlich in einer Mitteilung aus Mailand. Demnach hätten Teams die Hinterreifen „verkehrt herum montiert“. Das bedeutet: An den betroffenen Autos wurde der rechte Reifen links montiert und der linke rechts. „Die diesjährigen Slicks haben eine asymmetrische Struktur, sind daher nicht austauschbar. Die Seitenwände wurden entwickelt, um speziellen Belastungen innen und außen standzuhalten. Sie auszutauschen beeinflusst unter bestimmten Bedingungen ihre Funktion. Besonders die äußere Seitenwand wurde so gebaut, sehr hohen Kräften zu widerstehen, die in den langen Kurven anspruchsvoller Strecken wie Silverstone auf das Gummi wirken.“ Auch hätten Teams mitunter nicht den von Pirelli empfohlenen Reifenfülldruck genutzt. „Unterdruck führt dazu, dass die Reifen während ihrer Arbeit höherem Stress ausgesetzt sind.“ Auch seien mitunter „extreme Einstellwinkel beim Radsturz“ gewählt worden. Die in Silverstone verzeichneten Reifenausfälle seien auf diese in der Verantwortung der Rennställe liegenden Faktoren zurückzuführen, kontert Pirelli die harten Kritik und Häme. Einen Zusammenhang mit dem Problem der Ablösung der Lauffläche (die sogenannte Delaminierung), wofür Pirelli vor dem Silverstone-Rennen immer wieder kritisiert worden war, habe man durch einen anderen Klebeprozess beigelegt. Pirelli räumt indes ein, selber auch die Gefahr unterschätzt zu haben, die Reifen verkehrt herum zu montieren. Dies sei „eine Praxis, die von allen Beteiligten unterschätzt wurde – allen voran von Pirelli selbst, da das Unternehmen dies nicht verboten hatte.“ Der Reifenhersteller weiter: „Pirelli verweist darauf, dass die Reifengeneration 2013 bei korrekter Nutzung in keiner Weise die Sicherheit der Fahrer gefährdet. Sie entspricht allen von der FIA geforderten Sicherheitsstandards.“
Unterdessen kündigt Pirelli an, beim „Großen Preis von Deutschland“ an diesem Wochenende werde der Hersteller die Prototypen-Reifen liefern, die bereits im Freien Training von Montreal getestet worden waren. Damals hatten sich die Teams noch gegen die Einführung dieser Reifen ausgesprochen. Die FIA das Reglement nun allerdings kurzfristig und entsprechend ändern. „Diese Slicks passen am besten zu den technischen Eigenschaften des Nürburgrings. Die Hinterreifen, die nun genutzt werden, haben eine Kevlar-Konstruktion, welche die aktuelle Stahlstruktur ersetzt. Sie garantieren maximale Stabilität und Straßenhaftung. Da diese Slicks ebenfalls asymmetrisch sind, ist es strengstens verboten, sie von links nach rechts auszutauschen. Die Vorderreifen bleiben unverändert.“
Paul Hembery, Pirellis Direktor für Motorsport, sagte: „Die Ereignisse von Silverstone waren völlig unerwartet. So etwas ist Pirelli in über einem Jahrhundert im Motorsport noch nie passiert. Diese Vorfälle, die uns sehr verärgert haben, zeigen die Dringlichkeit der von uns vorgeschlagenen Veränderungen – die während des freien Trainings am Freitag in Deutschland eingeführt werden. Wir möchten der FIA, der FOM, den Teams und den Fahrern unsere Anerkennung aussprechen, dass sie bereit waren, schnell zu handeln und sofort eine Lösung für das Problem zu finden. Besonders betrifft das die Einführung von Wintertests durch die FIA, die besser zur Entwicklung von Reifen passen, sowie die Durchführung von Tests während der Saison. Dies wird dazu beitragen, Slicks mit deutlich verbesserten Sicherheitsstandards und mehr Performance zu realisieren. Ich möchte noch einmal an die Tatsache erinnern, dass die Reifengeneration 2013 bei korrekter Handhabung absolut sicher ist. Dennoch haben uns die Ereignisse in Silverstone dazu veranlasst, um den vollständigen Zugang zu den Echtzeitdaten der Reifen zu bitten. Nur so können wir die korrekte Nutzung und Entwicklung dieser höchst anspruchsvollen Reifen gewährleisten, um deren Entwicklung wir gebeten wurden, und deren extreme Höchstleistung die Rundenzeiten im Durchschnitt um mehr als zwei Sekunden gesenkt hat. Während wir auf eine Regeländerung warten, werden wir Reifen einführen, die einfacher zu handhaben sind.“
Paul Hembery kommentiert weiter: „Im Gegensatz zu dem Eindruck, der bei einigen entstanden sein mag, möchte ich die gute Zusammenarbeit betonen und die Unterstützung, die wir von den Teams, den Piloten, der FIA und der FOM erhalten haben. Wir möchten auf gar keinen Fall Diskussionen in Gang setzen oder jemanden attackieren. Wie unsere Pressemitteilungen zeigen, haben wir selbst die Verantwortung übernommen. Aber wir haben aktuell nicht die volle Kontrolle über alle Faktoren, die den Einsatz unserer Reifen beeinflussen. In Bezug darauf erhalten wir von allen beteiligten Parteien die volle Unterstützung. Dafür sind wir sehr dankbar.“ ab
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!