MLX-Jahrestagung 2013: Die frische Brise
Jahrestagungen brauchen ein Motto. Das der MLX Marketing und Systementwicklungs GmbH & Co. KG des Jahres 2013 in Rostock-Warnemünde lautete „Frische Brise für gemeinsamen Erfolg“. Und so wie es der in Andernach ansässigen Systemzentrale der Kooperation freier Reifenhändler und Kfz-Betriebe mit gutem Reifengeschäft in jedem Jahr gelingt, eine ungewöhnliche, aber allemal ansprechende Location für das Event zu finden, so passend auch das Motto der Veranstaltung.
Das lädt förmlich ein zu Assoziationen: kalter Gegenwind fürs Reifengeschäft des Jahres 2012 und auch zum Auftakt der diesjährigen Frühjahrssaison; gegen den allgemeinen Branchentrend Aufwind vermittelnde Tagungsteilnehmer in einer Stimmung, die besser ist als die Lage; positive Eckdaten einer Verbundgruppe, während die Mitglieder einiger anderer Systeme in alle erdenklichen Windrichtungen zugleich zu streben scheinen usw. usw.
Heinz-Werner Knörnschild (62) – geschäftsführender Gesellschafter der Meyer-Lissendorf-Gruppe, die als Service- und Systemprovider für MLX wirkt – bekennt, dass er angesichts der Marktlage den Ansatz seines Redebeitrages immer wieder umgeworfen hat: Soll man angesichts verheerender Marktdaten Optimismus versprühen? Was von Realitätsferne zeugen würde. Soll man eben genau diese Wirklichkeit analytisch-kalt darstellen? Und dabei die Menschen, die mit Herzblut und besten Emotionen ihr Geschäft Reifenhandel betreiben, außer Acht lassen. Soll man in den Tenor missmutige Stimmung verbreitender Schwarzseher einstimmen? Und dabei verdrängen, dass es nach jedem Tief des Reifenmarktes auch irgendwann wieder bergauf ging.
Manches ist bei MLX auch anders als in manch anderem Verbund: Da gibt es so etwas wie einen Korpsgeist, einen geradezu familiären Zusammenhalt, von einem „Kitt“ spricht Knörnschild. Die Verbundgruppe wächst, nicht sprunghaft, aber immerhin: 13 neue Mitglieder haben sich MLX in den ersten acht Wochen dieses Jahres angeschlossen und wollen damit dem Einzelkämpferdasein entsagen oder fühlten sich bei ihrer vorherigen Kooperation nicht mehr gut aufgehoben. Und im Durchschnitt – sofern man den überhaupt ziehen darf – sind MLX-Partner etwas anders als Reifenhändler in anderen Organisationen: Überproportional viele MLX-Händler sind eher kleinere Marktteilnehmer mit einem oder zwei Outlets, oftmals im eher ländlichen Raum. Und das sind genau jene Marktteilnehmer, die sich von den seit Monaten eher miesen Marktverhältnissen erfolgreich abkoppeln konnten und können: Sie haben ein gesundes Hofgeschäft mit gefestigtem Kundenstamm und können den weitgehenden Wegfall des Wiederverkaufsgeschäftes verschmerzen. Sie sind bodenständig und stellen Kundenzufriedenheit über kurzfristiges Gewinnstreben. Kurz: Sie sind typische Reifenhändler und Kfz-Werkstattbetreiber im hergebrachten Sinne, die sich für die Ansprüche der Gegenwart und der Zukunft wappnen möchten und dabei die professionelle Hilfe einer kompetenten Systemzentrale und eines leistungsfähigen Grossisten wie Meyer Lissendorf in Anspruch nehmen wollen.
Und da gibt es auch einige Umbrüche: So hat sich der Gebietsverkaufsleiter Nord von Meyer Lissendorf Gerd Nieveler nach fast zwanzig Jahren in den Diensten des Großhändlers in den Ruhestand verabschiedet – ein Hanseat im besten Sinne, ein geradliniger „Verkäufer“, der sich dennoch seine Ecken und Kanten bewahrt hat. Kurz: ein echter „Typ“, wie es sie heute immer weniger gibt. Und Birgit Huthmann, die jetzt Hohmann heißt, hat die MLX-Leitung an Rainer Baßler übergeben. Fast zehn Jahre hat sie MLX geprägt, weiterentwickelt und „gelebt“. Wenn sie sagt, dass MLX für sie auch „Familie“ war, dann darf ihr das getrost abgenommen werden, sie wird der Kooperation und ihren Mitgliedern verbunden bleiben. Nachfolger Rainer Baßler (48) bringt Reifenindustrie- wie Reifengroßhandels- wie Kooperationserfahrung mit und dürfte damit die naheliegende „interne“ Lösung gewesen sein: Er war zuletzt Gebietsverkaufsleiter Mitte bei Meyer Lissendorf.
Baßler wird Bausteine wie MLX aktiv (derzeit 44 Mitglieder) oder MLX Truck aktiv (22 Partner) weiterentwickeln und um Aspekte wie Runderneuerung anreichern, helfen beim Transfer des neuen „Tagesnettopreises“ und bei der Nutzung der Vorteile einer repositionierten Eigenmarke Rotex (vom Budget- hin ans untere Ende des Qualitätssegmentes) und auch Neuerungen vorantreiben (Baustein Carglass ist in der Pilotphase) sowie kräftig und mit Unterstützung vor allem von Michelin an der Qualitätsschraube in den MLX-Betrieben drehen wollen zum Wohle aller Beteiligten (MMQ: Michelin Meyer Lissendorf Qualitätspartnerschaft).
Umbrüche gibt es auch im Reifenmarkt, von einem „Paradigmenwechsel“ spricht Heinz-Werner Knörnschild und von „Carsharing“, jungen Leuten, die sich kein eigenes Auto mehr wünschen und kaufen und in andere Dinge investieren als es die Generation der Älteren getan hat. Veränderungen nicht nur verbraucherseitig, auch die Anzahl derer, die Reifen vermarkten ist gewachsen. Und das obwohl der zu verteilende Kuchen nicht größer geworden ist und in der Zukunft sogar schrumpfen wird. Die Lagerbestände an Reifen haben ein Rekordniveau erreicht, gerade im Bereich des Großhandels sind neue Spieler auf den Plan getreten und bringen die gewachsenen Strukturen durcheinander. Aber: Bringen diese neuen Marktteilnehmer genügend Liquidität mit, um auch in schwierigem und von Preiserosion gekennzeichnetem Umfeld bestehen zu können? Oder ist das die Stunde althergebrachter bekannter Größen wie Meyer Lissendorf, die sich mit den Marktveränderungen gewandelt haben? Ein Beispiel: 60 Prozent der Auslieferungen von Meyer Lissendorf sind heute kleiner als fünf Stück. Sollte es beim Einzelhandel ein Lagerrisiko geben, so ist das in den letzten Jahren erheblich minimiert worden: Dazu haben sicherlich die Online-Reifenplattformen beigetragen, sei eingeräumt, aber auch Reifengrossisten in ihrer erweiterten Funktion als Serviceprovider.
Ob er bei seinem Ausblick auch mehrmals den Ansatz gewechselt hat, verrät Knörnschild nicht, wohl wissend, dass auch seine lange Branchenerfahrung nur bedingt hilft, Prognosen zu erstellen. Die letzten zwei, drei Jahre haben gezeigt, dass selbst die zahlreichen Marktauguren der Reifenindustrie immer hilfloser agieren: Der Reifenmarkt entwickelt sich manchmal eben anders, als Erfahrungswerte und nackte Zahlen erwarten lassen. Optimistisch für 2013 ist der Generalbevollmächtigte der Meyer-Lissendorf-Gruppe nicht, folgt man den gewohnten Zyklen, so sollte allerdings 2014 der Branche wieder Rückenwind bringen, eine möglichst „steife Brise“, wie man an der See im Norden Deutschlands sagt. detlef.vogt@reifenpresse.de
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