“Oxxo” – Von der 3- zur 4-Rädermarken-Strategie
Der Eintritt von Reifen Gundlach in den Alurädermarkt mit einer eigenen Marke erfolgte um die Jahrtausendwende. Die Marke Com4Wheels war ursprünglich vorgesehen für die von Gundlach geförderte Reifenhändlerkooperation Com4Tires und deren Mitglieder, öffnete sich aber schnell für den gesamten Markt. „Erfahrung mit dem Geschäftsfeld haben wir also schon vor Jahren angefangen zu sammeln“, erklärt Johann Hildebrandt, der das „Wheel Department“ im Unternehmen leitet und damit ein 7-Personen-Team führt. Er selbst ist im Jahre 2005 von der Reifen- auf die Räderseite gewechselt – aus Überzeugung. Er „lebt“ das Produkt Leichtmetallrad, immer wieder fallen Begriffe wie Leidenschaft oder Emotion. Johann Hildebrandt ist damit die Idealbesetzung als Projektleiter für die Einführung einer neuen Marke, die im Rahmen der letzten Essen Motor Show enthüllt worden ist und dieser Tage in den Markt rollt, ihn – so die Ambition – vielleicht sogar ein wenig „aufrollt“: Oxxo.
Die Reifen Gundlach GmbH (Raubach) hat sich nicht nur als Reifengrossist weiterentwickelt, sondern ist gerade in den letzten gut zehn Jahren im Rädergeschäft immer professioneller geworden. 2003 gab das Unternehmen die Produktion der ersten eigenen Räder in Auftrag und avancierte damit zu einem Hersteller. 2005 kristallisierte sich mit Advanti Racing eine zweite Aluminiumrädermarke an: Als dann ein gewisser Sebastian Vettel auf Rädern dieser Marke seinen ersten Formel-1-Sieg feierte (bei der Scuderia Toro Rosso), da wurde schlagartig klar, welches Pfund Reifen Gundlach mit Advanti Racing in der Hand hatte. 2010, übrigens auch wieder aus Anlass der Essen Motor Show, wurde eine dritte Marke präsentiert, die im Übrigen global verbreitet und deren Name der eines der größten Räderherstellers der Welt ist: Enkei.
Hildebrandt weist darauf hin, dass die Entwicklung hin zu einem immer leistungsfähigeren Anbieter im Rädermarkt nicht nur an den Marken festgemacht werden sollte, sondern die Mitarbeiter des „Wheel Departments“ dazugelernt haben, in personelles und technisches Equipment investiert worden ist, sodass heute von der Konstruktion bis ins Detail, bis zur Homologation und zum TÜV-Procedere alles „inhouse“ bewältigt wird – „außer Kokillenbau und Guss im Niederdruck- oder Schwerkraftverfahren“, so der Rädermanager.
Dies Know-how will die niederländische Pon-Gruppe, zu der Reifen Gundlach seit Anfang 2012 gehört, natürlich für sich nutzen. Innerhalb der Pon-Gruppe wird der Reifenbereich „Pon Tyre Group“ gezielt gestärkt und auch das Rädergeschäft in den Fokus gestellt. Hildebrandt und seinem Team kommt dabei eine gewisse Führungsrolle im Räderbereich zu, „schon aufgrund der Größe von Reifen Gundlach“, sagt er und gibt sich bescheiden, „aber auch aufgrund des in Europa bedeutendsten Rädermarktes Deutschland. Dennoch wissen wir, dass wir von den Kollegen im Ausland bei den anderen Unternehmungen unserer Gruppe einiges lernen können.“ Denn an der Entwicklung des Konzeptes für die neue Rädermarke Oxxo waren auch die Schwesterunternehmen Amring aus Schweden und die Continental Banden Groep aus den Niederlanden beteiligt, die folgerichtig jeweils auch die Vermarktung in ihren Heimatländern übernehmen.
Oxxo als „Gruppenmarke“
Wenn bei einem Zusammenschluss mehrerer Firmen wie innerhalb der Pon-Gruppe auch mehrere verschiedene Marken zusammenkommen, dann kann man natürlich aus diesem Markenstrauß eine auswählen, die herausragende Bedeutung für alle bekommen soll. Besser aber ist es sicherlich, eine völlig neue Marke zu kreieren. Weil bei den Kollegen aus Schweden der Name zwar schon geboren, aber auf dem Rädermarkt noch nicht wirklich angekommen war, soll also Oxxo zur „Gruppenmarke“ avancieren, was auch gleichzeitig impliziert, dass „Oxxo“ eine „Volumenmarke“ sein wird.
Und für Johann Hildebrandt ist die Einführung der neuen Marke auch gleich eine Chance, die Positionierungen der einzelnen Marken zu überarbeiten, zu aktualisieren, auch voneinander abzugrenzen. Aus der bisherigen 3-Marken-Strategie wird eine 4-Marken-Strategie. Dass es dabei zu gelegentlichen Parallelitäten mit den beiden anderen Marktteilnehmern mit jeweils vier Marken – Uniwheels mit ATS, Alutec, Rial und Anzio sowie Alcar mit AEZ, Dotz, Dezent und Enzo – kommt, ist nicht gewollt, lässt sich aber auch nicht ganz vermeiden. Schließlich bewegen sich alle Aluräderanbieter im gleichen Markt und wissen um die jeweiligen Verbraucherklientel. Der Feststellung, dass Oxxo in etwa mit den Positionierungen im Markt von Rial und Dezent zu vergleichen ist, widerspricht der Gundlach-Räderverantwortliche jedenfalls nicht. Dass im Rahmen der neuen Markenstrategie manches Design nicht optimal passt, führt dazu, dass es von der bisherigen auf die eher passende Marke umgeswitcht wird.
Die Marke Enkei hat im deutschen Rädermarkt eine gewisse Bekanntheit, die bis in die 1980er-Jahre zurückreicht. Eine größere Rolle im deutschen Ersatz- und Umrüstgeschäft mit Aluminiumrädern dennoch nicht gespielt. Auch dass Enkei jahrelang für die Formel-1-Autos der Marke Mercedes bzw. McLaren Mercedes die Schmiederäder zur Verfügung stellt, ist marketingtechnisch oder werbemäßig nie ausgeschlachtet worden. Gleichwohl ist es ein Fingerzeig, wo die Marke im deutschen Rädermarkt ihren Platz finden sollte. Als sportlich-exklusiv, als Ausdruck höchster technischer Ansprüche, als emotionale Tuningmarke, „ein wenig gepaart mit japanischem Style“, schwebt Hildebrandt vor. Aktuell hat er kein Schmiederad und keines, das unter Zuhilfenahme der Flow-forming-Technologie hergestellt wurde, im Programm. Sollte Gundlach einen solchen Radtyp oder einen mit einem anderen herausragenden Technikfeature in den Markt bringen, dann wäre sein adäquater Markenname wohl am ehesten Enkei. Im Übrigen hat Reifen Gundlach auch die Enkei-Vertriebsrechte für Österreich.
Advanti Racing geht dagegen eher in Richtung „Fashion“, die „Wurzeln“ im Rennsport sollen durchaus sichtbar sein. Es geht um Design und Optik, die Marke soll „trendy“ – so auch hinsichtlich farbiger Oberflächen – sein, auch mal polarisieren und jedenfalls nie langweilig. Die durch die ABE vorgegebenen Grenzen sollen ausgereizt werden, ohne durch nennenswerte Umbauten am Fahrzeug irgendwelche Vermarktungshindernisse aufzubauen. Räder der Marke Advanti Racing sollen vielseitig einsetzbar, das heißt für viele Fahrzeugmodelle verfügbar sein, aber auch eine Spielwiese bieten, einmal etwas Neues auszuprobieren. Für diesen Mut möchte man im Markt gerne belohnt werden, dass es auch zu Flops kommen kann, gehört dazu.
Com4Wheels richtet sich an den preisbewussten Kunden, steht auch, aber eben nicht nur den Com4Tires-Partnern zur Verfügung. Hier geht es um zeitlose Stylings, um bewährte marktgängige Designs, um universelle Anwendungen für alle gängigen Autotypen, selbstverständlich mit ABE. Räder dieser Marke werden als wintertauglich positioniert sein, aber auch als eine typisch sommerliche Alternative zum wenig dekorativen Stahlrad.
Der Neuling im Rädermarkt Oxxo soll als modern, als europäisch, als Kompromiss zwischen Optik und Funktion angesiedelt sein, als technisch durchaus anspruchsvoll und ausgereift, ausgewogen und nicht provozierend. Das technisch Machbare soll mit Oxxo realisiert werden, ohne dass das als gut empfundene Preis-Leistungs-Verhältnis außer Balance gerät. Mit Oxxo wird der Spagat zwischen „standardisierten Designs“ und autoherstellerbezogenen Anwendungen vollzogen, bei denen ein Design dann die Modellpalette von beispielsweise Mercedes weitgehend abdecken soll. Üblichweise wird es Oxxo-Räder in Seriengrößen mit ABE geben, sodass nur in seltenen Fällen eine Eintragung notwendig wird. Auch hier spielen bei der Entwicklung Aspekte wie Wintertauglichkeit und Schneekettenfreigabe eine Rolle, sodass für volllackierte Räder eine vierjährige Garantie gewährt wird. Oxxo – TÜV-geprüft, oftmals gemäß ECE-Standard wie ein Original-Teil verwendbar – soll im Handling einfach für Endverbraucher wie dessen Händler sein.
Enkei-Räder werden natürlich bei Enkei, Räder der Marke Advanti Racing bei YHI hergestellt, bei Oxxo und Com4Wheels ist Reifen Gundlach frei bei der Auftragsvergabe. Das Herstellungsland kann Bosnien sein oder Italien, aber auch Fernost. Aktuell ist die Türkei als Produktionsstandort im Gespräch, China auch wegen der Strafzölle bei Null. Drei- bis viermal im Jahr besuche man die tatsächlichen und die potenziellen Räderwerke, um Projekte fortzuschreiben oder neue einzustielen. Zur Erfahrung gehört auch, dass man inzwischen sehr gut beurteilen kann, welcher Hersteller zu welchen Leistungen fähig ist und welcher eben nicht.
Die Haupt- und Mainstreammarke Oxxo soll über ein breites Vertriebsportfolio an den Endverbraucher gebracht werden. Der klassische Reifeneinzelhandel, das Autohaus, regionale Großhändler, auch wenn sich noch andere bundesweit engagierte Grossisten mit der Marke positionieren wollen – Einschränkungen, Exklusivitäten, Tabus oder Ähnliches soll es nicht geben. Dass sich die in den letzten Jahren stattgefundenen Verschiebungen vom Frühjahrs- zum Wintergeschäft (heute zwei Drittel) im Gundlach-Geschäft mit Aluminiumrädern durch die Aufnahme von Oxxo gravierend verändern könnten, erwartet Johann Hildebrandt nicht.
Mit der modernen Montagestraße hat Reifen Gundlach einen Servicebaustein im Angebot, den man bei entsprechendem Kundenwunsch natürlich nutzen will und der an dieser Stelle nicht vergessen werden darf. Gerade in der Umrüstzeit erscheint es immer mehr Händlern als früher als durchaus sinnvolle Option, solch ein Angebot zu nutzen. Sahen Reifenhändler es in der (eher ferneren) Vergangenheit geradezu als Affront, wenn ihnen ein Komplettradanbieter „die Montage des Reifens auf die Felge“ wegnahm, so hat sich doch immer häufiger die Erkenntnis durchgesetzt, in den Hochzeiten durch pures Umstecken drei- bis viermal so viele Kunden durchschleusen zu können.
Im Rahmen der 4-Marken-Strategie dürfte bezogen auf Stückzahlen allein Oxxo künftig sichtbar mehr als die Hälfte zum Räderabsatz bei Gundlach beitragen, wieviel wird man sehen. Gleich elf Felgendesigns der neuen Marke hatte Gundlach mit zur Essen Motor Show gebracht, eine zwölfte Designfamilie war zu diesem Zeitpunkt noch „in der Pipeline“. Im Frühjahrsgeschäft des Jahres 2013 wird der Markt durch Oxxo um mehr als eine Facette ergänzt. detlef.vogt@reifenpresse.de
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