Neue Eigner für Neumayer Tekfor kommen aus Indien
Im Spätsommer letzten Jahres erschreckte die Schieflage des Mittelständlers Neumayer Tekfor (Holding in Offenburg), der unter anderem klarer Marktführer bei Muttern für Lkw-Räder ist und ein Qualitätsgarant angesichts immer wieder in den Markt lancierter Produkte zweifelhafter Herkunft. Jetzt hat der indische Automobilzulieferer Amtek Auto den Zuschlag erhalten und konnte sich somit gegen erst mehr als 60, zuletzt noch gegen einen Interessenten durchsetzen.
Die Vertreter der Neumayer Tekfor Gruppe unterzeichneten einen Kaufvertrag mit Amtek Auto Ltd. (Neu Delhi), die alle Vermögensgegenstände der Neumayer Tekfor Holding – neben Patenten und Grundstücken vor allem die Anteile an den in- und ausländischen Tochtergesellschaften – übernimmt („Asset-Deal“). Die Transaktion soll bis spätestens Ende Mai abgeschlossen sein, über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Damit erscheint der Erhalt der Unternehmensgruppe mit allen Standorten weltweit und über 1.600 Arbeitsplätzen allein in Deutschland gesichert.
„Gut fünf Monate nach der Einleitung des Schutzschirmverfahrens haben wir damit bereits unsere wesentlichen Ziele erreicht. Neben dem Erhalt der Gruppe und der einzelnen Standorte ist dies vor allem eine möglichst hohe Befriedigung der Gläubigerforderungen. Wir stellen mit dieser Transaktion nicht nur die Gläubiger besser als bei allen alternativen Sanierungsmöglichkeiten, sondern realisieren insgesamt die beste Lösung für alle Beteiligten“, betonten Eigenverwalter Joachim Exner und der vom Amtsgericht Offenburg bestellte Sachwalter Dr. Jan Markus Plathner.
In einem parallel zur betriebswirtschaftlichen Sanierung der Neumayer Tekfor seit Ende September 2012 laufenden, weltweiten Investorenprozess waren insgesamt Gespräche mit über 60 Interessenten geführt worden. Organisiert und maßgeblich gelenkt wurde der Prozess durch ein spezialisiertes Team von Ernst & Young M&A-Advisory EMEIA unter der Führung von Stephan Hellmann und Bernhard Ploenes. Nach mehreren intensiven Verhandlungsrunden lagen schließlich zwei verbindliche Angebote für eine Übernahme aller in- und ausländischen Tochtergesellschaften und für die Gruppe insgesamt vor. Die Entscheidung der Gläubigerausschüsse fiel schließlich zugunsten von Amtek. Neben dem Kaufpreis gaben die Gläubigervertreter auch dem Gesamtkonzept ihre mehrheitliche Zustimmung.
Amtek beobachte Neumayer Tekfor, ihre Produkte und ihre Kundenstruktur seit Jahren, heißt es in einer Pressemitteilung, und sei von einem Zusammenschluss überzeugt. Das Unternehmen bekenne sich deshalb klar zur nachhaltigen Fortführung des bestehenden Geschäftsbetriebs auf Grundlage einer soliden Finanzierung und unter Nutzung des hohen gemeinsamen Wachstumspotentials. Die Unternehmensstrategie beinhaltet die Erhaltung aller Standorte von Neumayer Tekfor und sieht insbesondere in Deutschland keine Betriebsschließungen oder Betriebsverlagerungen vor. Neumayer Tekfor und Amtek würden sich hervorragend ergänzen, ohne zu überlappen.
„Nach dem Abschluss der Transaktion ist die Amtek-Neumayer-Tekfor-Gruppe ein weltweit führender Hersteller von Motoren-, Getriebe- und Fahrwerkskomponenten für die Automobilindustrie mit einem Umsatzvolumen von über zwei Milliarden US-Dollar und mehr als 50 Produktionsstandorten in Asien, Europa, Nord- und Südamerika“, erläutert Ulrich Mehlmann, CEO und Präsident von Neumayer Tekfor, und unterstreicht damit die herausragende Bedeutung der Übernahme durch Amtek.
Für die Mitarbeiter an den deutschen Produktionsstandorten in Hausach, Rotenburg und Schmölln gab es neben dem Erhalt ihrer Arbeitsplätze noch weitere gute Nachrichten: „Die gegenwärtige Planung sieht auch keine Personalkosteneinsparungsprogramme für die deutschen Standorte der Gruppe vor; und wir gehen davon aus, auf umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen verzichten zu können. Selbstverständlich werden wir uns auch an alle geltenden Betriebsvereinbarungen und die einschlägigen Tarifverträge halten“, so Norbert Loers, CFO der Unternehmensgruppe.
„Wir wollen uns künftig eng mit den Arbeitnehmervertretungen über die Belange und Interessen der Mitarbeiter austauschen und insgesamt vertrauensvoll mit diesen Gremien zusammenarbeiten, um die Zukunftsfähigkeit der Neumayer Tekfor Gruppe in einem Gesamtkonzern zu sichern“, betonte abschließend Ulrich Mehlmann.
Mehlmann und Loers hatten im September 2012 die Einleitung der Schutzschirmverfahren beantragt und damit die Sanierung von Neumayer Tekfor nach den Vorgaben des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) bzw. der Insolvenzordnung vorangetrieben, nachdem sich die Absatzzahlen der Gruppe speziell in Südeuropa eingetrübt hatten.
Bis das Verfahren endgültig abgeschlossen werden kann, sind noch einige formelle Hürden zu nehmen. Zunächst sollen bis Mitte März die detaillierten Insolvenzpläne für die operativen Tochtergesellschaften, die Neumayer Tekfor GmbH (Hausach), die Neumayer Tekfor Rotenburg GmbH, die Neumayer Tekfor Schmölln GmbH sowie die Tekfor Services GmbH beim Insolvenzgericht Offenburg eingereicht werden. Nach der Bestätigung durch das Gericht müssen die Gläubiger der einzelnen Gesellschaften diesen in separaten Abstimmungsterminen zustimmen. Erst dann können auch die für die Gesellschaften noch laufenden Insolvenzverfahren wieder aufgehoben werden. Dies soll noch im zweiten Quartal 2013 erfolgen.
In den gut fünf Monaten seit Einleitung des Schutzschirmverfahrens im September 2012 sei es durch die Optimierung von Abläufen und Produktionsprozessen in allen deutschen Werken auch gelungen, heißt es, die Produktivität zu steigern und Qualitätsverbesserungen zu erzielen. Auf dieser Basis seien dann auch trotz der weiterhin schwachen Automobilkonjunktur in Europa die gesetzten Planziele in Umsatz und Ergebnis erreicht oder sogar übertroffen worden. Dies war eine wesentliche Voraussetzung für den jetzt besiegelten Abschluss der Investorengespräche.
Weitere Informationen
Neumayer Tekfor ist ein globaler Partner der Automobilindustrie in der Konzeption, Entwicklung und Produktion von Lösungen für Getriebe, Motor, Antriebsstrang, spezielle Applikationen sowie Sicherheitsmuttern. Kunden sind nahezu alle namhaften Automobilhersteller. Im Geschäftsjahr 2012 hat die Firmengruppe einen Umsatz von rund 500 Millionen Euro erwirtschaftet. Neumayer Tekfor beschäftigt aktuell rund 3.300 Mitarbeiter weltweit. Davon sind über 1.600 in Deutschland an den Produktionsstandorten Hausach (623), Schmölln (316), Rotenburg a.d. Fulda (287) sowie über die Tekfor Services (519) an allen drei Standorten tätig.
Die Amtek-Gruppe zählt mit einem Umsatz von rund 1,3 Milliarden US-Dollar zu den weltweit führenden Herstellern von Motoren-, Getriebe- und Fahrwerkskomponenten für die Automobilindustrie. Amtek verfügt über 43 nationale und internationale Produktionsstandorte in den Bereichen Schmiedetechnik, Eisen- und Aluminiumguss, sowie Metallverarbeitungs- und Montagetechnik. Dank eines breiten Kundenstamms, zu dem internationale Automobilhersteller zählen, ist Amtek der führende indische Hersteller von Schmiedeteilen und gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Hohlrädern. Mehr als die Hälfte des Umsatzes generiert Amtek heute im Pkw-Bereich, darüber hinaus ist die Gruppe auch im Geschäft mit Zwei- und Dreirädern, Nutzfahrzeugen und Schienenfahrzeugen für die Industrie präsent.
Amtek ist ein Familienunternehmen mit gleichzeitigem Zugang zum Kapitalmarkt (Börsennotierung an der indischen Börse NSE in Mumbai sowie Bombay Stock Exchange). Die Gründerfamilie Dham bildet heute – zusammen mit ihr verbundenen Aktionären – Ankeraktionäre, während weitere signifikante Anteile von internationalen institutionellen Investoren gehalten werden. dv
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