Wie Siemens die Reifenindustrie in Sachen Vulkanisation unterstützen kann

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Ein Flaschenhals bei der Reifenproduktion ist bekanntlich die Vulkanisation, die maßgeblich den Ausstoß eines Werkes beeinflusst. Als Automatisierungsspezialist will Siemens der Reifenindustrie in diesem Bereich zu „mehr Effizienz“ verhelfen. Was das Unternehmen diesbezüglich zu bieten hat, will man einerseits im Rahmen der „Tire Technology Expo“ im Februar in Köln präsentieren und erläutert andererseits Stefan Morgenstern, Senior Business Development Manager der Industry-Automation-Division des Konzerns, im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG.

Dabei kann Siemens die Zykluszeiten des Vulkanisationsprozesses selbst natürlich nicht beeinflussen, werden die im Wesentlichen doch durch die Chemie in Abhängigkeit von Parametern wie etwa der Reifengröße oder den vewendeten Mischungskomponenten vorgegeben. Rund um das Be- und Entladen der Vulkanisationspressen – also angefangen bei der Zuführung noch unvulkanisierter „grüner“ Reifen bis hin zum fertigen Produkt, das aus der Form gehoben wird – sieht Morgenstern ebenso nur eingeschränkt Potenzial zur Optimierung der Vulkanisation. „Die Be- und Entladeprozesse nehmen nur einen kleinen Teil im gesamten Curing ein und stoßen an mechanische Grenzen. Die Mechanik zu beschleunigen, wird uns mithilfe der Elektronik nur sehr begrenzt gelingen“, erklärt er. Dafür aber könnten Siemens-Lösungen dazu beitragen, einerseits Stillstandszeiten zu verringern sowie andererseits Kosten zu reduzieren.

„Eine verbesserte Diagnose von Fehlerzuständen hilft, diese möglichst schnell zu erkennen und wieder zu beheben. Die Produktivität wird so am Maximum gehalten“, erklärt Morgenstern, was gemeint ist, wenn man von einer höheren Effizienz in Sachen Vulkanisation spricht. „Ein anderer Ansatz ist Kostenreduktion, damit der Reifenhersteller so in mehr Maschinen investieren kann“, ergänzt er. Der aus Automatisierungskomponenten resultierende Anteil am Gesamtpreis einer Heizpresse wird von ihm zwar nur mit um die zehn Prozent beziffert. Doch auch wenn die restlichen 90 Prozent auf das Konto der Mechanik gehen, so müsse man sich trotzdem beispielsweise die Frage stellen, ob bei Pressen etwa mit vier Heizstellen wie sie im Markt bei so manchem Hersteller verstärkt zum Einsatz kommen unbedingt jede ein vollständiges HMI (Human Maschine Interface/Mensch-Maschine-Schnittstelle) brauche oder eine eigene SQL-Datenbank zur Rezepturverwaltung.

„Wir haben unseren Kunden hier bereits optimierte HMI-Konzepte – zum Beispiel mit unserem Wireless Mobile Panel – vorgeschlagen. Dabei teilen sich eine Reihe von Maschinen eine tragbare HMI-Einheit, die bei Bedarf an jeder Maschine eingesetzt werden kann. Das funktioniert sogar mit Not-Aus-Funktion“, schlägt Morgenstern zugleich eine Brücke hin zum Thema Maschinensicherheit. Zumal Siemens dem Schutz von Menschen und Werten ungeachtet aller Effizienzsteigerungen oder Kostenreduzierungen höchste Priorität einräumt. Daher hat der Automatisierungsspezialist in Sachen Vulkanisationspressen ein sogenanntes „Safety-Konzept“, das den Austausch konventioneller gegen „Safety“-Komponenten vorsieht. Abgesehen von obligatorischen Dingen wie Not-Aus-Schaltern wird in diesen Zusammenhang beispielsweise auch auf Lichtvorhänge oder Radarscanner zur Erhöhung der Sicherheit verwiesen. „Unsere Netzwerke können gleichzeitig ‚Safety’- und Standardprotokolle abwickeln“, hebt Morgenstern als Vorteil hervor. Die gesamte Automatisierungsstruktur werde dadurch sehr transparent, schlank und nicht zuletzt kosteneffizient.

Denn mit der Integration von beidem gewissermaßen „unter einem Dach“ seien wiederum Einsparungen möglich, weil in diesem Fall eben gerade nicht Standardsteuerung und Absicherung in getrennten Systemen koexistierten und damit zwangsläufig höhere Kosten nach sich zögen. Bei alldem wird zudem auf die Skalierbarkeit der eigenen Automatisierungslösungen rund um Vulkanisationspressen verwiesen. Laut dem Senior Business Development Manager der Siemens-Industry-Automation-Division, der bereits seit 17 Jahren in Diensten des Konzerns steht und in seiner jetzigen Funktion dort seit rund einem Jahr unter anderem die Geschäfte mit der Reifenbranche koordiniert, gibt es nämlich sehr unterschiedliche Maschinen im Markt, und die Kosten für eine vollausgebaute Hochleistungssteuerung können seinen Worten zufolge das bis zu Zehnfache derjenigen einer einfachen Steuerung mit wenigen I/O-Schnittstellen (I/O steht für Ein-/Ausgabe) betragen.

„Nicht jede Heizpresse benötigt eine hochperformante SPS zur Steuerung. Wir denken hier an die osteuropäischen und asiatischen Märkte, in denen bereits mehr als die Hälfte aller Reifen weltweit produziert werden“, erklärt Morgenstern. Da das Siemens-Softwarepaket für Reifenheizpressen nach Firmenangaben auf einem modular aufgebauten Open-Source-Code basiert, sollen über die üblichen Funktionalitäten hinausgehende Optionen ganz nach Wunsch des jeweiligen Kunden/Herstellers integriert bzw. ergänzt werden können. Insofern biete man – ergänzt Morgenstern – ein „breites Portfolio an konventionellen und PC-basierten Steuerungen an, die alle mit der gleichen TIA-Portalsoftware [TIA steht für Opens external link in new windowTotally Integrated Automation, d. Red.] engineered werden können“. Damit wird seitens des Unternehmens zudem die Nutzung von Synergien in Bezug auf die Soft- und Hardwaremodule unterschiedlicher Maschinen verbunden – letztendlich also wieder ein Plus an Effizienz.

Übrigens ebenso wie Morgenstern es als Vorteil sieht, dass Siemens mit seinem System die Möglichkeit bietet, Energiemessungen durchzuführen und mit dem Steuerungsprozess der Vulkanisationspressen zu korrelieren. „Damit kann der Reifenproduzent seinen Energieverbrauch analysieren und optimal einteilen. Ziel ist es, die horrenden Preisaufschläge für Spitzenlasten zu vermeiden. Das ist übrigens nicht nur in Deutschland ein Thema“, sagt er. In diesem Zusammenhang verweist er beispielhaft auf weniger entwickelte Nationen, wo übermäßige Spitzenlasten von Fall zu Fall mitunter zu einem kompletten Netzausfall führen können sowie damit verbunden zu ungewollten Maschinenstillstandszeiten und einer Kostenmehrbelastung. Ergo wird auch dies als ein Vorteil entsprechender Siemens-Lösungen bzw. als ein Beitrag zu einem Mehr an Effizienz rund um den Vulkanisationsprozess gewertet.

Allen diesen Argumenten wird sich die Reifenindustrie seiner Meinung nach in Zukunft immer weniger entziehen können, wie Morgenstern unter Verweis darauf betont, dass der Konkurrenzkampf unter den Reifenherstellern „groß“ sei und über die Etablierten hinaus auch immer mehr asiatische Anbieter in den Markt drängen. „Der Preisdruck ist bereits spürbar“, sagt er. Freilich werden nicht zuletzt angesichts einer insbesondere in den sogenannten Wachstumsmärkten erwarteten weiter steigenden Nachfrage nach Bereifungen die globalen Produktionskapazitäten für Reifen immer mehr ausgebaut. Insofern verwundert nicht, dass auch Morgenstern von einer derzeit positiven Tendenz in Bezug auf die Nachfrage nach Vulkanisationspressen spricht. „OEMs geraten teilweise an ihre Kapazitätsgrenzen. Darüber hinaus ist eine regionale Verlagerung zu beobachten, da Reifen zunehmend in Asien, Osteuropa und Lateinamerika produziert werden. Neben großen Greenfield-Projekten sehen wir auch immer wieder ‚Retrofits’ im Zuge von Produktionsverlagerungen“, erklärt er.

Mit „Retrofit“ ist dabei ein steuerungstechnisches Upgrading betagter Vulkanisationspressen mithilfe von modernem (Siemens-)Know-how gemeint. „Der technologische Hub zu einer neuen SPS-Generation ist sehr hoch. Die Vorteile kommen insbesondere beim Sicherheitskonzept, der Diagnose und Fehlerbehebungszeiten zum Tragen“, meint Morgenstern. Allerdings mache eine solche Modernisierung nicht immer Sinn, sondern manchmal sei eine Investition in eine neue Presse der bessere Weg. „Die Entscheidung muss im Einzelfall getroffen werden“, so der Siemens-Manager – sie hänge von vielen Faktoren ab. „Art und Zustand der Mechanik bestimmen Produktivität und Reifenqualität. Sollten diese sich im gewünschten Rahmen bewegen, kostet eine Erneuerung der Automatisierung nur etwa zehn Prozent einer Neuinvestition. Stillstandszeiten können damit verringert, Ersatzteilkosten gespart werden“, ergänzt er. „Unsere Experten arbeiten bereits seit vielen Jahren am ‚Retrofit’ von Heizpressen“, unterstreicht Morgenstern, dass der Konzern der Branche auch in Bezug auf die Effizienz der Vulkanisation in „alten“ Reifenwerken etwas zu bieten hat. christian.marx@reifenpresse.de

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