Kumho in Europa mit großen Ambitionen
Das unlängst eröffnete Kumho European Technical Centre (KETC) in Mörfelden-Walldorf soll der Ausgangspunkt für den koreanischen Reifenhersteller sein, um den Anschluss an das europäische Premiumsegment zu schaffen, erklärt Peter Becker (54), Executive Managing Director des KETC. Es gilt, anerkannter Erstausrüster der hiesigen Automobilindustrie zu werden mit durchgängig hervorragenden Produkten, denn was im OE-Bereich funktioniert, wird sich auch in den Ersatzmärkten bewähren; was die Automobilhersteller für gut erachten, wird sich auch bei den Tests der automobilen Zeitschriften in der Spitze wiederfinden; was sich in Deutschland durchsetzt, wird auch in Europa und darüber hinaus nachgefragt werden.
Freilich weiß Becker, dass so etwas nicht kurzfristig zu schaffen ist und er räumt ein, dass es „noch einige Baustellen gibt“, um dorthin zu gelangen, wohin auch der Konzern im fernen Korea will. Der wird im nächsten Jahr sein Entwicklungszentrum KRDC (Kumho Research & Development Center) von Gwangju nach Seoul verlagern, was nicht nur als ein Transfer, sondern als eine Initialzündung für eine Produktoffensive verstanden werden kann, begeistert sich Becker und nennt im Gespräch mehrfach die Jahreszahl 2013: Dann soll umgesetzt werden, was jetzt auf den Weg gebracht wird.
Peter Becker, der das Erstausrüstungsmetier und die Geheimnisse und Besonderheiten der Reifenentwicklung erst bei Dunlop, später dann bei Goodyear Dunlop gelernt hatte und zuletzt auch einige erste Erfolge bei Apollo Vredestein einheimsen konnte, hat die ersten kompetenten Kollegen bereits unter Vertrag genommen. Weitere werden folgen, in einer Pressemitteilung anlässlich der KETC-Eröffnung hatte Kumho von 25 Mitarbeitern in der Entwicklung gesprochen. Becker geht es aber weniger um die Anzahl als vielmehr um die Qualität und gerade in der Aufbauphase um Erfahrung.
Kumho soll ein langfristiger und verlässlicher Partner von Automobilherstellern wie BMW, Mercedes-Benz oder Volkswagen – bei denen wurden die Pläne bereits vorgestellt – werden. Peter Becker weiß, dass er bei diesen Automobilmarken nicht unbedingt gleich auf die anspruchsvollsten Projekte für die Neueinführung eines Automodells hoffen darf, aber er will, dass sich Kumho dafür qualifiziert. Bisher liefere man eher „moderate Volumina“ an die europäischen OE-Kunden, diese Zahl soll gesteigert werden. Runflats sind für das neue KETC ebenso ein Thema wie Winterreifen, erklärt der Leiter des KETC und verhindert damit, dass er einseitig auf die Erstausrüstungsschiene festgelegt wird. Kumho soll als ein Name genannt werden, wenn die Pkw-Reifenhersteller des Premiumsegmentes aufgezählt werden, der mehr bieten kann als Standardware und dessen Palette bis hin in das UHP-Segment reicht, auch wenn der Hersteller mit Hochleistungsreifen in Europa eher ersatzmarktorientiert ist – „noch“!
Im bestehenden KRDC von Gwangju ist Becker bei seinem Antrittsbesuch nicht nur auf ca. 280 gut ausgebildete Techniker und Ingenieure getroffen, sondern hat hochmodernes Equipment vorgefunden, das nicht einmal bei den führenden europäischen Reifenherstellern eine Selbstverständlichkeit ist. Er hat hochmotivierte koreanische Mitarbeiter im fernen Korea kennengelernt, deren Führung vor allem eines erkannt hat, was Peter Becker sich gar nicht als ersten Erfolg seiner Arbeit ans Revers heften will. Er musste die Kollegen gar nicht erst davon überzeugen, dass es einer europäischen Entwicklung bedarf, um auch zu europäischen Produkten zu gelangen.
Vom europäischen Entwicklungszentrum zum technologischen Herz Kumhos eine Brücke zu schlagen, hat sich Becker als Ziel gesetzt. Die soll dann freilich in beide Richtungen beschritten werden. Koreaner sollen in Mörfelden-Walldorf mitwirken an der Eroberung der Erstausrüstungskunden, deutsche Ingenieure in Gwangju, bald Seoul vom Potenzial eines hochmodernen Konzernentwicklungszentrums profitieren und nicht zuletzt eine lebhafte Kommunikation zwischen Korea und Deutschland etabliert werden.
Das Selbstverständnis des KETC soll über die reine Entwicklungsarbeit von Produkten hinausgehen und wird von seinem Leiter auch als eine Quelle für technische Unterstützung des Kumho-Marketings und -Verkaufs begriffen, womit gemeint ist, immer auf dem Laufenden zu sein, wo Kumho im Wettbewerb steht, Gewissheit zu haben, dass man bei einem Reifentest nicht auf den hinteren Rängen landet, und schließlich die Konzernzentrale fundiert mit Trends in den europäischen Märkten zu versorgen wie neue und vielversprechende Technologien zu identifizieren. Es muss Teilhabe stattfinden: Es ist eine Pflicht der Europäer, den Kollegen im KRDC und in den Fabriken „Input“ zu geben, damit man genau die richtigen Produkte für Europa fertigt. Und es ist eine Pflicht der Koreaner, sehr genau auf die Bedarfe der Europäer zu hören, sie aber auch an den Fortschritten in beispielsweise der Grundlagenforschung partizipieren zu lassen.
Peter Becker ist sehr prozessorientiert. Entwicklungszeiten immer weiter zu verringern, Effizienz permanent zu steigern, die operative Qualität zu verbessern oder Innovationskraft zu kreieren sind keine Ergebnisse, sondern Prozesse, die permanent ablaufen, zu Automatismen werden und zwangsläufig zu Erfolgen führen sollen. „Stimmen die Prozesse, stimmen auch die Produkte“, ist Becker überzeugt. Weil ein Team von vielleicht zwei Dutzend noch so hoch qualifizierter Mitarbeiter nicht alles selbst erledigen kann und trotz guter, aber eben irgendwo auch limitierter Ausstattung mit Testequipment in Mörfelden-Walldorf, kann der KETC-Chef zusätzlich zu den vorhandenen oder im Aufbau befindlichen europäischen Testkapazitäten auf die reichhaltigen Möglichkeiten in Korea zurückgreifen und sucht er unter anderem auch die Nähe zu Universitäten und Materiallieferanten. Angesprochen auf das Labelling, will Kumho externe Dienstleister wo immer und soviel wie möglich nutzen, um damit etwaigen Glaubwürdigkeitsproblemen von vornherein vorzubeugen.
Ein wichtiger Bereich sind Outdoor-Testmöglichkeiten in Europa: Im spanischen Idiada hat Kumho bereits eine feste Box, jetzt wurden auch die Konditionen für das Papenburger ATP festgezurrt. Idealerweise testen Teams parallel und tauschen sich permanent aus, ab 2013 wird auch der Nürburgring Bestandteil des Testprocedere. Im Winter geht’s nach Ivalo, drei, besser vier Sessions von Dezember bis März sollten es schon sein, wohl „auch bald in die Alpen“, räumt Peter Becker ein, dass dort der richtige Standort noch nicht gefunden ist. Einige Baustellen hat er noch nicht in Angriff nehmen können in der kurzen Zeit, die er bei Kumho ist. detlef.vogt@reifenpresse.de
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