Goodyear bei Lkw-Reifen: „Kundenbedarf im Fokus“
Während der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover hat die NEUE REIFENZEITUNG mit George Rietbergen, Vice President Commercial Tires in der Goodyear-Region EMEA, und Rupert Kohaupt, Direktor Nutzfahrzeugreifen Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH, ein Interview geführt. Dabei ging es um Themen, die über die Präsentationen auf der Messe hinausgehen.
NEUE REIFENZEITUNG: Herr Rietbergen, sehen Sie als Verantwortlicher in der Region EMEA das Nfz-Reifengeschäft eher von Brüssel aus „zentralistisch“ gesteuert bzw. welches Maß Eigenständigkeit haben regionale Organisationen, in diesem Falle die DACH-Organisation in Hanau?
George Rietbergen: Wir sind nun einmal eine große internationale Gesellschaft, die weltweit tätig ist, da gibt es selbstverständlich auch Bereiche wie zum Beispiel Strategieentwicklung, die aus unserer Zentrale in Brüssel gesteuert werden. Aber jeder Markt ist anders und kann am besten von unseren lokalen Organisationen bearbeitet werden. Den Teams wie dem von meinem Kollegen Kohaupt enge Vorgaben machen zu wollen würde nicht funktionieren.
NEUE REIFENZEITUNG: Sie sind in Ihrer Funktion auch für Landwirtschafts-, EM- und Industriereifen verantwortlich. Wir sind hier zwar eher auf einer Lkw-Messe, aber erlauben Sie mit dennoch zwei kurze Fragen zu Landwirtschafts- und EM-Reifen. Wie ist der Stand hinsichtlich der Trennung vom Landwirtschaftsreifengeschäft in der Region EMEA, wobei immer nur die Rede vom Produktionsstandort Amiens ist, in den türkischen Fabriken Izmit und Adazapari aber doch auch Landwirtschaftsreifen hergestellt werden? Vom weltweiten Boom für große EM-Reifen scheinen doch eher andere als die EM-Reifenmarken Goodyear und Dunlop zu profitieren; was kann getan werden, damit auch Ihr Unternehmen von der starken Nachfrage Nutzen hat?
George Rietbergen: In der Türkei werden nur wenige Landwirtschaftsreifen produziert, daher ist das kein großes Thema. Ja, das Landwirtschaftsreifengeschäft in der Region EMEA steht nach wie vor zum Verkauf, Sie werden aber verstehen, dass ich zum aktuellen Verhandlungsstand nichts sagen kann. Bezüglich EM-Reifen sind wir gut aufgestellt. Unsere Konzernphilosophie ist es, Produkte für die Bedürfnisse unserer Kunden zu entwickeln, und mit dieser Strategie sind wir sehr erfolgreich.
Rupert Kohaupt: Wenn von einer großen Nachfrage die Rede ist, dann meinen Sie wahrscheinlich die großen 57- und 63-Zoll-Reifen, die im Tagebau vor allem in Nordamerika oder Australien benötigt werden. In unserem europäischen Markt spielen diese „Giant Tires“ eigentlich keine große Rolle. Die Größen und Ausführungen, die wir hier zur Abdeckung des Marktes benötigen, haben wir sehr wohl. Natürlich beobachten wir die Entwicklung des Marktes sehr genau, um entsprechend reagieren zu können.
NEUE REIFENZEITUNG: Zurück zu Lkw-Reifen: Wo sieht sich Goodyear Dunlop im Verhältnis zum französischen Marktführer und den anderen starken Marktteilnehmern positioniert?
George Rietbergen: Es geht nicht darum, der Größte zu sein. Es geht uns darum, den Kunden die Produkte zu bieten, die sie brauchen. Dank der Innovationskraft unserer Ingenieure werden wir diesem Anspruch gerecht, im Übrigen über die Kriterien, die für das Reifenlabel wichtig sind, hinaus. Und die Rückmeldung unserer Kunden bestätigt, dass wir ausgezeichnete Produkte auf den Markt gebracht haben.
NEUE REIFENZEITUNG: Wie ist das Verhältnis von Erstausrüstung zu Ersatzgeschäft bei Lkw-Reifen in Ihrem Hause?
George Rietbergen: Wir sind immer da besonders gut positioniert, wo man diese gerade von mir angesprochene Innovationskraft braucht und sie zeigen kann. In der Erstausrüstung wird das erwartet und wir sind bei allen renommierten Herstellern vertreten.
NEUE REIFENZEITUNG: Goodyear Dunlop leistet sich als einziger Reifenkonzern den Luxus zweier Premiummarken. Stehen Goodyear und Dunlop tatsächlich auf der gleichen Ebene?
George Rietbergen: Ja, aber sie bedienen unterschiedliche Kundengruppen. Goodyear bietet wirklich für jeden Einsatz und Kundenbedarf den passenden Reifen und hier haben wir speziell auf Einsatzgebiete entwickelte Reifen wie unsere „Marathon II+“-Serie für den Fernverkehr oder die „Regional II“-Serie für den Regionalverkehr im Programm. Dunlop hingegen bietet ein etwas kleineres Produktportfolio als Goodyear an. Hier richten wir uns mit dem SP 344, SP 444 und SP 244 an Verbraucher, die einen hochwertigen Reifen sowohl für den Fern- als auch für den Regionalverkehr benötigen. Mietflotten sind hier zum Beispiel eine der Hauptzielgruppen, da in diesem Bereich heute nicht klar ist, in welchem Einsatz das Fahrzeug morgen fährt. Bei unseren beiden Premiummarken Goodyear und Dunlop werden wir auch weiterhin neuartige Technologien entwickeln und zum Einsatz bringen.
NEUE REIFENZEITUNG: In der Erstausrüstung findet man Goodyear und Dunlop vor allem auf den Zugmaschinen, Fulda auf Trailern/Anhängern, also hat sogar drei Marken.
George Rietbergen: Auf Trailern/Anhängern sind die Marken Goodyear und Dunlop inzwischen auch sehr gut vertreten. Und die Marke Fulda wird nach wie vor von Trailerherstellern verbaut.
NEUE REIFENZEITUNG: Inwieweit arbeiten die Entwicklungszentren Akron und Luxemburg bei Lkw-Reifen zusammen, können sich befruchten oder gehen eher eigene Wege?
George Rietbergen: An beiden Entwicklungsstandorten gibt es Grundlagenforschungen, bei denen natürlich eine intensive gegenseitige Befruchtung erfolgt. Darüber hinaus aber gibt es abweichende Anforderungen wie in Europa an Winterreifen für Lkw. Entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen der Märkte richten wir den Fokus der Forschungszentren aus.
NEUE REIFENZEITUNG: Findet ein Produktaustausch mit Märkten/Werken außerhalb EMEA statt?
George Rietbergen: Wir sind ein global aufgestellter Konzern, der weltweit Produktionsstätten unterhält und auch die Planung der Produktion erfolgt weltweit. Dank der hohen und einheitlichen Produktionsstandorts hat der Produktionsstandort keinerlei Einflüsse auf unsere Produkte und wir können eine gleichbleibende Qualität garantieren. Aber im Prinzip gilt: Wir produzieren in Europa für Europa.
NEUE REIFENZEITUNG: Wie wichtig sind die europäischen Lkw-Reifenwerke in Wittlich und den anderen europäischen Ländern in ihrer Abstufung/Bedeutung/Größe, gibt es „Spezialisierungen“?
Rupert Kohaupt: Gewisse Spezialisierungen gibt es schon, beispielsweise der Schwerpunkt auf 17,5-Zoll-Reifen in unserem slowenischen Werk. Aber bei jeder neuen Investition fragen wir nicht nur danach, in welches Werk sie fließen soll, sondern auch ob das unserer Flexibilität dient. Grundsätzlich wird für jede Fabrik angestrebt, dass sie über die neuesten Technologien verfügt.
George Rietbergen: „Flexibility is the name of the game.“ Und hier sind wir in all unseren Werken sehr gut aufgestellt, sodass wir entsprechend den Markanforderungen reagieren können. detlef.vogt@reifenpresse.de
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