Michelin-Performance-Konzepte: Was bedeuten sie für die Entwicklung?
Wer zuletzt viel mit Michelin und den Produkten der Franzosen zu tun hatte, dem fiel unter anderem auch die Umbenennung von Produktkonzepten auf. Begrifflichkeiten, an die man sich über Jahre hinweg gewöhnt hatte, werden ersetzt. So spricht man bei Michelin heute etwa vom „Total-Performance“-Konzept und nicht mehr vom „Balance-of-Performance“-Konzept. Auch in Bezug auf die Runderneuerung tritt Michelin heute mit einem neuen Konzept am Markt auf: Was bisher das „Vier-Leben“-Konzept war, ist heute das „Mehr-Leben“-Konzept. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erklärten Vertreter des französischen Reifenherstellers, welche Beweggründe hinter diesen Umbenennungen stehen und ob diese sich auf die Entwicklung neuer Reifen auswirkten.
Es ist insbesondere die „Balance of Performance“, also die Balance oder Ausgewogenheit der Leistungseigenschaften eines Produktes – hier in der Regel die eines Pkw-Reifens –, die im Zentrum von Michelins Entwicklungsstrategie stand. Davon angetrieben entwickelte sich eine umfassende Konzernkommunikation. Es ging darum, neue Produkte nicht einseitig auszulegen, etwa nur auf Rollwiderstand, Nassgriff, Laufleistung etc. Stattdessen haben Michelin-Reifenentwickler die Ausgewogenheit der Eigenschaften neuer Reifen stets als oberstes Primat ihrer Arbeit empfunden, als ihren genetischen Code sozusagen. Auch wenn sich die Produktentwicklung bei Michelin vor einigen Jahren einen kleinen Schritt in Richtung Reifentester erlaubte, die Bremsen auf Nässe oftmals als noch wichtiger erachteten als Michelin selbst, so hat sich an dem Ziel, eine möglichst optimale Ausgewogenheit aller Leistungseigenschaften eines Reifens zu erreichen, in den Jahren grundsätzlich nichts verändert.
Seit diesem Sommer nun spricht man im Hause Michelin von „Total Performance“ und nicht mehr von „Balance of Performance“; anlässlich der Vorstellung des neuen Energy Saver Plus in diesem Sommer gab Michelin erste Erläuterungen zu den Hintergründen der Neuerung ab. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erklärte jetzt Gary Guthrie, ob damit auch eine Neuausrichtung in der Produktentwicklung verbunden sei. „Es ist unsere Designphilosophie, stets alle Leistungskriterien eines Reifens voranzubringen und damit die Erwartungen unserer Kunden zu erfüllen“, so der Marketingdirektor der Michelin-Gruppe für die Produktlinie Pkw- und Leicht-Lkw-Reifen. Das Wichtigste sei natürlich stets die Sicherheit eines Reifens für den Endverbraucher. Aber auch der Kraftstoffverbrauch – also der Rollwiderstand – und die Langlebigkeit eines Reifens seien zentrale Produkteigenschaften eines Michelin-Reifens. Daran habe sich nichts geändert, so Guthrie weiter. Man wolle daher nicht Vorteile bei einem Leistungskriterium eines Reifens mit Nachteilen bei einem anderen erkaufen. Folglich sei bei Michelin auch eine Optimierung von Reifen nur mit Blick auf eine erstklassige EU-Reifenlabelklassifizierung undenkbar.
Die alte Nomenklatur mit ihrer „Balance of Performance“ sei aber für die allgemeine Öffentlichkeit, also für einen durchschnittlichen Endverbraucher, „schwer zu verstehen“ gewesen, so Guthrie weiter. „Die Erläuterung unserer Designphilosophie hat mehr Zeit in Anspruch genommen als sie sollte. Und diese Zeit hat man zumeist nicht.“ Folglich habe Michelin sich um eine eingängigere Formulierung bemüht. „Die ‚Total Performance’ ist ein anderer Ausdruck dessen, was immer im Mittelpunkt der Michelin-Designphilosophie gestanden hat“, so der Marketingdirektor weiter. Der Inhalt habe sich nicht verändert, nur der Aufdruck auf dem Etikett ist neu. Guthrie betont, Michelin werde künftig insbesondere in seiner Endverbraucherkommunikation stets das „Total-Performance“-Konzept in den Vordergrund rücken, auch wenn das bisherige „Balance-of-Performance“-Konzept in der Kommunikation mit dem Fachhandel sicherlich noch länger nachwirken werde.
Mehr statt vier Leben in der Michelin-Runderneuerung
Brachte man früher Michelin-Nutzfahrzeugreifen stets mit dem sogenannten „Vier-Leben“-Konzept in Verbindung, so müssen sich Marktteilnehmer auch hier jetzt an eine neue Nomenklatur gewöhnen. Der Marktführer bei neuen und runderneuerten Lkw-Reifen spricht seit diesem Sommer stattdessen von einem „Mehr-Leben“-Konzept. Auf Nachfrage der NEUE REIFENZEITUNG erläuterte Rainer Harter, Michelin-Vertriebsdirektor für Nutzfahrzeugreifen Deutschland, Schweiz, Österreich, was es mit der begrifflichen Neuausrichtung auf sich hat: „In bestimmten Segmenten können Michelin-Karkassen in gutem oder sehr gutem Zustand durchaus mehrfach runderneuert und erneut nachgeschnitten werden. Das ist beispielsweise bei Nutzfahrzeugreifen für den Baustelleneinsatz der Fall. Um diese mehrfachen Nutzungszyklen noch deutlicher herauszustellen, hat Michelin entschieden, das Vier-Leben-Konzept europaweit in Mehr-Leben-Konzept umzubenennen.“ arno.borchers@reifenpresse.de
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