Autoservice – Nichts für jedermann
Auch in dieser Fachzeitschrift für den Reifenfachhandel ist in der Vergangenheit dem Kfz-Service schon oft das Wort geredet, pardon geschrieben worden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass „Systemanbieter“ bzw. deren Zentralen – ob Vergölst, GDHS, point S oder eine der sonstigen im Reifenhandel engagierten Handelsketten – sich ja um ihre Standorte kümmern müssen. Ketzerische Stimmen meinen, die Zentralen würden mit der Erarbeitung von Bausteinen zur Nutzung im Handel erst ihre Daseinsberechtigung erhalten.
Es sei unbestritten, dass zahlreiche Reifenhändler beim Autoservice einen ausgezeichneten Job inzwischen machen und in ihrem individuellen Geschäftsmodell diese Säule nicht mehr missen möchten, wahrscheinlich sogar gar nicht mehr darauf verzichten können. Tatsache ist aber auch, dass schon mancher Reifenhändler am Kfz-Service schier verzweifelt ist: Bereits am sogenannten 1-2-3-Service (Bremse, Auspuff, Stoßdämpfer), der typischen Domäne der Schnellreparaturketten, scheiden sich die Geister. Für die meisten Werkstätten ist das zur selbstverständlichen Erweiterung des Kerngeschäftes geworden. Einige aber sind froh, wenn das Auto statt bei ihm in die Einfahrt der nächsten Kfz-Werkstatt abbiegt, wenn solch eine Leistung gefragt ist.
Ein Reifenfachhändler – und zwar ein äußerst erfolgreicher sowie branchenweit anerkannter noch dazu – gegenüber dieser Fachzeitschrift: „Mit dem Autoservice habe ich mir in so einigen Filialen eine blutige Nase geholt.“ Was er damit aber gleichzeitig wohl auch zum Ausdruck bringt: In anderen Filialen ist die Implementierung des Autoservice durchaus gelungen. Es kommt also auf einige Faktoren an, ob Autoservice in einer Reifenfachwerkstatt erfolgreich ist.
Zunächst einmal dürfte Einigkeit darin bestehen, dass es ganz wesentlich aufs Personal ankommt. Wenn es zwar willig ist, aber in den Möglichkeiten limitiert, dann hat es keinen Zweck. Wenn eigentlich die Lernfähigkeit da ist, der oder die Mitarbeiter aber nicht mitziehen, dann ist das ärgerlich und der Betreiber des Betriebes sollte sich fragen, ob er bei der Personalauswahl wirklich eine glückliche Hand gehabt hat. Wer aber einen Kfz-Meister im Betrieb hat, für den liegt Kfz-Service auf der Hand.
Manchmal ist ein paar Schritte weiter eine freie Kfz-Werkstatt angesiedelt, die beim Autoservice – möglichweise befähigt durch ein Konzeptangebot von AC Auto Check, AutoCrew, ad Augros etc. – einfach einen guten Job macht und im lokalen Markt einen solch guten Ruf hat, dass es schwer ist, da mitzuhalten.
Autoservice scheint nicht das Patentrezept für jedermann und jeden Standort zu sein, das Geschäftsmodell Reifenhandel und Reifenwerkstatt zu erweitern. Vielleicht ist es in manchen Fällen einfach besser, sich aufs Kerngeschäft zu fokussieren. Hier permanent an der Professionalisierung zu arbeiten, der kompetente lokale Reifenspezialist auch in Produktnischen zu sein, das Geschäft mit Notlaufreifen zu beherrschen, die im Markt angebotenen Reifendruckkontrollsysteme nicht nur zu kennen, sondern deren Handling auch zu beherrschen. Die Chancen, dann im lokalen Markt das Image des kompetenten Reifenexperten schlechthin zu haben, sind äußerst gut.
Denn Autohäuser und Kfz-Betriebe scheitern allzu oft jämmerlich, wenn sie mit Aufgaben konfrontiert werden, die über Standardreifen hinausgehen. Manch ein Reifenhändler macht sich das gar zunutze und kooperiert ganz direkt mit den Autohäusern und Kfz-Werkstätten nach dem Motto: Das Problem nehme ich Dir ab! Das ist eigentlich ein ganz „alter Hut“ und nur die Fortsetzung des Wiederverkäufergeschäftes lokaler Reifenhändler, die schon immer – mehr oder weniger intensiv – die Kollegen mit Reifen beliefert und so eine lokale Großhandelsfunktion erfüllt haben.
Gelegentlich werden von Reifenherstellern und auch vom Reifenfachhandelsverband BRV (Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk) teure Studien in Auftrag gegeben, die dem einzelnen Händler den Weg in die Zukunft weisen sollen. Der Industrie ist dabei daran gelegen, ihren Absatzkanal Reifenfachhandel zu sichern und zukunftsfähig zu machen. Für den BRV ist es eine ureigene Aufgabe, ihre Klientel gegen andere Absatzkanäle von Reifen zu schützen. Gegen beider Bemühungen lässt sich ja nichts sagen. Wenn aber solche Studien Banalitäten beinhalten wie „Öffnungszeiten auszuweiten“, dann fällt es einem schon schwer angesichts der hohen Kosten, die solch weisen Ratschlägen zugrunde liegen, nicht in schärfsten Sarkasmus zu verfallen.
Die Dinge sind viel einfacher: Ich benötige gut geschultes und engagiertes Personal. Die Preise für Produkte und Dienstleistungen müssen seriös durchgerechnet und einträglich, die Kosten gedeckt sein. Werkstatt und Verkaufs-/Präsentationsraum sollten technisch und optisch ansprechend ausgestattet werden, sodass sie ihren Aufgaben gerecht werden können. Ich muss leistungsfähige Lieferanten (Industrie, Großhandel) haben. Der Standort muss gut erreichbar und im lokalen Markt bekannt sein (nur auf Mund-zu-Mund-Propaganda sollte man sich nicht verlassen). Ich muss die Kommunikation mit dem Kunden suchen, um dessen Bedürfnisse überhaupt zu kennen.
Ein Patentrezept für den Erfolg eines Reifenhändlers oder Erklärungen für dessen Misserfolg gibt es auch an dieser Stelle nicht. Jeder Mensch ist anders, jeder Standort hat seine Besonderheiten. Für den einen ist Autoservice als Ertragsbringer geeignet, der nächste lässt besser die Finger davon. detlef.vogt@reifenpresse.de
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!