150 Jahre Italien, 40 Jahre Alufelgenmarke OZ
In Italien ist in diesem Jahr der 150. Staatsgeburtstag ein großes Thema, sichtbar an den vielen grün-weiß-roten Nationalfahnen an Geschäften und Privathäusern. Zahlreiche Firmen des Landes haben das Jubiläum zum Anlass genommen, auf angemessene Weise mitzufeiern. Erst recht wenn ein Unternehmen ebenfalls „nullt“ wie der 1971 gegründete Aluminiumräderhersteller OZ SpA mit Sitz in S. Martino di Lupari (Padua). Zwar bezieht auch OZ inzwischen einen Teil der vermarkteten Räder (hauptsächlich der Zweitmarke MSW und der ebenfalls vermarkteten Sparco) aus einer Fernostfabrik des Minderheitsgesellschafters YHI, aber einerseits – um gewissermaßen ein Produktversprechen für die beiden zusätzlichen Marken und die zweite OZ-Linie Xline abzugeben – „designed by OZ“, und andererseits stellt OZ-Chairman und -Gesellschafter Claudio Bernoni (60) klar: „OZ ist eine italienische Firma.“
Tatsächlich hält Bernoni zusammen mit einer befreundeten italienischen Unternehmerfamilie bis zum heutigen Tage die Majorität am Unternehmen. Der langjährige Partner Enkei aus Japan und die in Singapur gelistete YHI, die ja auch beide Aluminiumräder herstellen, sind auch bei Addition ihrer Anteile immer noch Minderheitsgesellschafter. Dennoch hat der Einstieg von YHI vor gut einem halben Jahrzehnt das Geschäftsmodell der „italienischen Firma“ verändert. Stand OZ damals an der Schwelle, die Produktionskapazität am heimischen Standort auf eine Million Einheiten jährlich hochzufahren, so werden jetzt in S. Martino di Lupari „nur“ noch etwa 200.000 Räder hergestellt – allerdings jetzt allesamt im Niederdruckkokillenguss und mit besonderen Features wie dem Flow-forming oder in dreiteiliger Bauweise; oder die Räder werden geschmiedet, ob aus dem Rohmaterial Magnesium oder Aluminium. Das Werk ist endgültig zu einem absoluten Hightech-Standort für die Räderfertigung geworden, für den geringe Losgrößen und besondere technische Herausforderungen das Tagesgeschäft sind. Räder der Zweit- und Drittmarke werden ebenso in einer der vier YHI-Fabriken (und zwar jener in Malaysia) gefertigt wie Räder der „Einstiegsproduktlinie“ Xline in die Premiummarke OZ. Eine Entscheidung, die sich bewährt habe, wie Robert Kuschnierz, Verkaufsleiter bei der OZ Deutschland GmbH, betont. Die in Biberach ansässige OZ Deutschland wird von Wolfhard von Heyking (69) geführt, ist mit einem Anteil von etwa einem Viertel der größte OZ-Vermarkter vor Italien sowie der Schweiz und eine direkte Tochtergesellschaft der italienischen Renommiermarke wie auch die Vertriebsfirmen in Großbritannien, Singapur und Japan.
Aus den beiden fernen Ländern waren denn auch ebenso die Vertriebsfreunde zu einem Event im Großraum Turin gekommen wie die europäischen Distributeure und zahlreiche Journalisten. Es galt, „OZ, the Italian Experience“ zu begehen, eine Großveranstaltung wie OZ sie mit Freunden des Hauses in unterschiedlichem Rahmen jedes Jahr und zusätzlich mit der Presse alle paar Jahre begeht und damit sicherlich in der Räderbranche ein Alleinstellungsmerkmal hat. Man muss allerdings auch bedenken, dass der Aufwand für ein solches Event bei einem mittelständischen Unternehmen – derzeit arbeiten in der OZ-Gruppe mehr als 200 Menschen (davon etwa 180 in Italien) und haben im vergangenen Jahr einen Umsatz in Höhe von 43 Millionen Euro generiert – ein enormer Kraftakt ist.
Hauptprogrammpunkte des diesjährigen Events waren eine Ausstellung („Futuro nelle mani. Artieri domani“), ein Besuch auf dem Gelände des Stardesigners und seit 2005/2006 OZ-Kooperationspartners Giugiaro (dessen Italdesign im letzten Jahr mehrheitlich vom Volkswagen-Konzern übernommen worden ist), Fahrtests auf dem Testgelände Balocco (gehört zur Fiat-Gruppe) und ein Galadiner vornehmlich für die „OZ-Familie“. Dieser Familie wurde im Übrigen auch schon präsentiert, mit welchen Designs OZ im Jahr 2012 aufwarten wird und im Markt für Furore sorgen will. Wobei zu diesem Zeitpunkt nur soviel verraten sei: OZ dürfte im kommenden Jahr mit der umfangreichsten Produktpalette in der 40-jährigen Unternehmensgeschichte an den Start gehen. Einen Großteil davon und vor allem die Neudesigns wird das Unternehmen sicherlich Ende dieses Jahres auf der Essener Motor Show präsentieren, wohin OZ mit einem großen und repräsentativen eigenen Messestand zurückkehren wird.
OZ ist in der früher so ruhmreichen italienischen Aluminiumräderlandschaft eines der letzten Schwergewichte mit weltweiter Reputation im gesamten Autozubehörbereich. Räderseitig hat neben OZ bzw. OZ Racing auch international sicherlich nur BBS einen ähnlichen Markenstatus. Auf die Interviewfrage an Claudio Bernoni, warum so viele andere italienische Rädermarken die Fahne gestrichen haben und BBS derzeit in Turbulenzen steckt, triumphiert er keineswegs, sondern bedauert, dass wohl Wettbewerber von ihrem Weg, ihrer Firmenphilosophie abgewichen seien und darum vom Markt abgestraft worden sind.
Der Weg von OZ mag mit Blick auf die letzten beiden Jahrzehnte zwar auch so einige Male eher experimentellen Charakter – so hinsichtlich der Produktlinien bzw. auch bei der Frage, ob man nun Volumenhersteller werden oder exklusiver Nischenhersteller bleiben solle – gehabt haben, Konstanten waren aber immer die Bekenntnisse zur produkt- und produktionsseitigen Hightech-Ausrichtung sowie zum Engagement im Spitzenmotorsport.
Bezüglich der Technologie hat OZ im Italien-Werk dem Schwerkraftgießverfahren endgültig den Garaus gemacht. Mehrteilige Räder haben es in den letzten Jahren im Markt schwer gehabt, und auch bei OZ hat das Spuren hinterlassen: Zweiteilige Räder sind derzeit eine Auslauftechnologie, an dreiteiligen Rädern wolle man festhalten, der Markt hat sich schließlich schon so oft gedreht. Auf der anderen Seite hat OZ das auch in der Erstausrüstung immer populärer werdende und durch die Forderung nach immer geringer werdenden Radgewichten entwickelte Flow-forming im eigenen Werk etabliert und sich auch um das verglichen mit Aluminium nochmals leichtere Material Magnesium intensiv gekümmert: Das war lange Zeit in der Rallye-Weltmeisterschaft sogar verboten wegen angeblicher Brandgefahr. Das ist Geschichte, berichtet der CEO-Chairman, auf den OZ-Magnesiumrädern sind beispielsweise die Citroën-Piloten aktuell unterwegs, um ihren WM-Titel bei der Fahrer- wie Team-Weltmeisterschaft aus dem Vorjahr zu verteidigen. „Die Magnesiumräder, die wir heute in den Rallyesport liefern, halten zwei- bis dreimal so lange wie die aus Aluminium“, begeistert sich Bernoni.
Die Liste der Motorsporterfolge von OZ Racing ist extrem lang, hat viel Geschichte, aber reicht bis in die Gegenwart: Soviel Teams wie OZ rüstet derzeit kein anderer Räderhersteller in der Formel 1 aus, darunter das Team Red Bull mit Weltmeister Sebastian Vettel. Übrigens: Die Herstellung der F1-Räder ist alles andere als ein Routineprozess, sondern wird aktuell immer (zeit)aufwändiger, weil die F1-Fahrzeugdesigner das Kriterium Aerodynamik auch hinsichtlich des Bauteiles Rad entdeckt haben. Ob Audi in Le Mans siegt oder wer auch immer in Indianapolis triumphiert, eines ist gewiss: auf OZ-Rädern. International Rallye Challenge, FIA GT1 und GT3, DTM – im Rennsport ist OZ „gesetzt“ und als Partner der Rennteams nicht nur anerkannt, sondern gewollt. Aktuell produziert OZ im italienischen Räderwerk alljährlich so zwischen 6.000 und 7.000 Aluminium- und Magnesiumräder für den Rennsporteinsatz. Der Wert dieser Räder trägt im Übrigen wesentlich mehr zum Umsatz des Unternehmens bei als der Stückanteil, schiebt Claudio Bernoni nach, wohl um dem Vorurteil zu begegnen, die berühmten großen Rennställe würden sich die Räder allesamt kostenlos oder wenigstens zu einem Vorzugspreis liefern lassen. Bei OZ ist Racing eine Säule des Geschäftsmodells.
Übersichtlich mag die Gesamtzahl der Räder für die Rennstrecke aus OZ-Produktion zwar sein, zu bedenken ist aber darüber hinaus, dass in nahezu allen Rennserien jeweils andere Größen und Spezifikationen benötigt werden. Das gilt ebenso in dem bei den Italienern kleinen, aber feinen Bereich Erstausrüstung. Wie am Rande der Veranstaltung zu erfahren war, habe gerade erst Ferrari bei OZ wegen einer verstärkten Zusammenarbeit über die bereits getroffenen Vereinbarungen bei geschmiedeten Rädern (zum Beispiel für das Modell California) hinaus nachgefragt. Großserienlieferant ist OZ nicht und wird es auch nicht werden, Losgrößen für Fahrzeugserien von um die hundert Stück seien hingegen durchaus willkommen, so Bernoni schmunzelnd. Denn so manches Projekt hatte noch wesentlich geringere Stückzahlen. So zu besichtigen in der „Car Gallery“ bei Giugiaro: Der erste Bugatti, der im Volkswagen-Konzern hergestellt wurde, trug Räder „by OZ“, die Sondereditionen zum Auslaufen des auf insgesamt 300 Exemplare limitierten Bugatti-Programmes werden wohl auch wieder Räder aus dem Hause OZ tragen, die Projektentwicklung ist noch in vollem Gange. Tatsächlich dürfte OZ auch Ansprechpartner sein für Projekte, bei denen es um vier Räder geht, weil von dem Auto nur ein Unikat gebaut wird. Gegebenenfalls auch noch vorne mit anderer Rädergröße als hinten und ebenfalls gegebenenfalls fahrtrichtungsgebundene Designs, das hieße auf der linken Seite andere Räder als rechts, ergo: Losgröße Eins! Alles schon dagewesen.
Im klassischen Ersatzmarkt nimmt OZ aufgrund seiner exklusiven Premiumpositionierung mit der „Dachmarke“ eine Nischenpositionierung ein. Mit der Xline will das Unternehmen hauptsächlich eine junge und (noch nicht) so zahlungskräftige, aber durchaus von der anspruchsvollen Fahrzeugaufwertung beseelte und bereits vom Namen OZ infizierte Klientel an Spitzendesigns wie Superleggera, Ultraleggera oder Superturismo heranführen. Sparco ist die Marke für Rennsportfans bis hin zum „Hard-core-Racing“; und die vor vier Jahren reanimierte alte Hausmarke MSW hat ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sowie ist stilistisch so ausgelegt, dass sie sich vor allem fürs Wintergeschäft anbietet. Derzeit verfügt der Markenstrauß der Gruppe über mehr als 70 Rädertypen mit mehr als 25 Finishes und angefangen bei 14 bis hin zu 22 Zoll. Wobei – wie es sich für den Premiumanspruch gehört – die High-Performance- und die mit dem Zusatz „Racing“ versehenen und von enormen Gewichtsoptimierungen charakterisierten OZ-Räder im Marktdurchschnitt ganz zweifellos bei den großdimensionierten Produkten deutlich überrepräsentiert sind.
Namensgeber von OZ waren vor vier Jahrzehnten Silvano Oselladore und Pietro Zen. Deren erste Kreation war ein Rad für den damaligen Mini Cooper. Womit auch schon der Keim der Leidenschaft für den Rennsport, der das Unternehmen bis heute durchzieht, gelegt war. Die Zeit und die Marktgegebenheiten haben sich seitdem völlig gewandelt. Aber im nächsten Jahr kehrt BMW mit der Marke Mini wieder in den Rallyesport zurück und lässt unwillkürlich die legendären Mini-Auftritte bei der Rallye Monte Carlo wieder lebendig werden. Der Markt für Leichtmetallräder ist sicherlich „ärmer“ geworden, weil Räderpioniere wie Oselladore und Zen mit Benzin im Blut im banaler gewordenen Geschäftsbetrieb der Automobilzuliefererbranche ein Anachronismus geworden sind. OZ hat sich – auch dank des Enthusiasmus eines Claudio Bernoni – den Spirit der damaligen Zeit bewahrt und ist darum im exklusiven Marktsegment der Hochleistungs- und der Motorsporträder ein Leuchtturm für die Räderbranche. Und das ist gut so. detlef.vogt@reifenpresse.de
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