BRV-Vorstand (wieder-)gewählt
Auf der diesjährigen Jahreshauptversammlung (JHV) des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e. V. (BRV/Bonn) am 10. Juni in Frankfurt standen turnusgemäß die Neuwahlen des Verbandsvorstandes an. Wie erwartet zum geschäftsführenden Vorstand wiedergewählt wurde Peter Hülzer (56), der dieses Amt seit 2005 innehat, aber erklärtermaßen nach Ablauf der jetzt folgenden dreijährigen Amtsperiode nicht mehr kandidieren wird, um im Jahre 2014 „den Platz wieder für einen ehrenamtlichen Präsidenten/Vorsitzenden zu räumen“. Ebenso mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt wurden der stellvertretende BRV-Vorsitzende Lothar Kerscher sowie seine Vorstandskollegen Nikolaus M. Ehrler, Norbert Lange, Roland Richter und Michael Schnickmann als Beisitzer. Für die vier nicht wieder angetretenen bisherigen Vorstandsmitglieder Claudia Gressel-Holthaus, Werner Johann, Joachim Kleppe und den kurzfristig wegen eines etwa einjährigen Australien-Aufenthaltes verzichtenden Paul Rösler jun. rückten Marc Johann, Markus Tiemann und Goran Zubanovic nach, die sich im Vorfeld der JHV zur Kandidatur bereit erklärt hatten. Damit verringert sich die Anzahl der Beisitzer von acht auf sieben. Der kurzfristig vom Bremer Reifenhändler und team-Mitglied Harald Emigholz für eine Vorstandsmitgliedschaft vorgeschlagene point-S-Geschäftsführer Jürgen Benz kandidierte nicht.
In den Vorstandswahlen würde Brisanz stecken, war im Vorfeld der „Jubiläumsveranstaltung“ geunkt worden. Der Grund: Vor der Wahl galt es erst, die Verbandssatzung zu ändern, damit der vom noch amtierenden Vorstand vorgeschlagene Kandidat Goran Zubanovic überhaupt die Voraussetzungen erfüllt, um in das höchste Gremium des BRV aufgenommen zu werden. Bereits einmal hatte – damals allerdings in völliger Übereinstimmung – ein „Nicht-Reifenhändler“ den Sprung nicht nur in den Vorstand, sondern sogar auf den Platz des Vorstandsvorsitzenden geschafft: Peter Hülzer, der ja auch die Geschäfte der Verbandsgeschäftsstelle führt. Bis zum 10. Juni konnten ansonsten nur operativ tätige Reifenfachhändler in den Vorstand gewählt werden, womit die Geschäftsführer/Manager der (aktuell) 834 Unternehmen des Reifenfachhandels mit 1.184 Outlets der industrienahen Kooperationen ausgeschlossen waren. Diese Ausgrenzung ist nach erfolgter Satzungsänderung entfallen, jetzt heißt es dort: „Mitglied des Vorstandes kann jede natürliche Person sein, die über mehr als fünfjährige Erfahrung in der Reifenbranche verfügt. Das Amt des Vorsitzenden kann vom Hauptgeschäftsführer in Personalunion ausgeübt werden.“
Mehr als hundert BRV-Mitglieder haben der Satzungsänderung zugestimmt, nur fünf votierten mit „Nein“, Widerstand wurde vor der Abstimmung nicht artikuliert. Das ist angesichts der vorher verbreiteten angeblichen Unruhe ein äußerst klares Ergebnis. Ein bekannter Branchenteilnehmer stellte immerhin fest: Er habe „mit der Faust in der Tasche zugestimmt“ (Michael Immler), wahrscheinlich war er nicht der Einzige, aber doch nur einer von wenigen. Immler bemängelte weiter, dass im Vorstand das Handwerk nach dem Ausscheiden der letzten verbliebenen Vulkaniseur-Meisterin Claudia Gressel-Holthaus nun überhaupt nicht mehr vertreten sei.
Mit Goran Zubanovic ist nun also der Chef der der Goodyear-Dunlop-Gruppe zuzurechnenden GDHS (steht ja auch für Goodyear Dunlop Handelssysteme) im BRV-Vorstand vertreten. Er erhielt mehr Gegenstimmen als die anderen Kandidaten, die Zustimmung war dennoch überwältigend.
Der BRV hatte die vom Vorstand einstimmig beschlossene Nominierung von Zubanovic folgendermaßen begründet: „Tatsache ist, dass sich Herr Zubanovic in den vergangenen Jahren äußerst engagiert in die verbandliche Arbeit eingebracht hat und insbesondere der Arbeitskreis des BRV durch zahlreiche Vorschläge und konkrete Projektarbeit gestärkt hat. Dabei ging es ihm stets um die Weiterentwicklung der Gesamtbranche. Gruppenspezifische Hintergründe waren bei all diesen Aktivitäten nicht erkennbar. Herr Zubanovic gehört ohne Zweifel zu den angesehensten Retailmanagern im deutschen Reifenersatzgeschäft und wird seinen sach- und fachkundigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Branche und des BRV (…) leisten.“ Und zur Beruhigung etwaiger Kritikaster wird hinterhergeschoben, dass da ja noch eine klare Mehrheit selbstständiger Reifenfachhändler im BRV-Vorstand ist, sodass die Befürchtung „einer gewissen Industriedominanz im Vorstand“ nicht verfange.
2010: ein Superjahr für den Reifenfachhandel – aber …
2010 sei „ein Superjahr für den Reifenfachhandel“ gewesen, blickt der geschäftsführende Vorsitzende Peter Hülzer zurück – gibt es einen erfreulicheren Einstieg in einen Bericht zur Lage der Branche? Die Erwartungen der Verbandsspitze aufs vergangene Jahr sind durch die Bank übertroffen worden, satte Zuwächse bei den Stückzahlen in allen Produktgruppen sind Ausdruck dessen.
Wo viel Licht ist, da ist bekanntlich auch viel Schatten. Und Peter Hülzer ist nicht gerade dafür bekannt, auf Mitgliederversammlungen über Fehlentwicklungen und Missstände einen Mantel des Schweigens zu werfen: Der Reifenfachhandel hat als Distributionskanal in der vergangenen Dekade etwa 14 Prozent Marktanteil verloren, nicht an das „traditionelle Feindbild“ Autohäuser, sondern vor allem an freie Kfz-Werkstätten, aber auch an die verschiedenen Internetportale (bei denen es allerdings Hinweise gibt, dass eine Sättigungsgrenze erreicht ist).
2011 ist für den deutschen Reifenhandel (Zeitraum Januar bis April) gut angelaufen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind auch für die Reifenbranche prima, das ist die gute Nachricht zum aktuellen Stand. Leichte Skepsis allerdings durchzieht Hülzers Markteinschätzung angesichts eines zu verzeichnenden Lagerbestandsaufbaus beim Groß- wie Einzelhandel und eines „vielbeschworenen Verkäufermarktes“, wobei er nicht „in Pessimismus macht“, sondern einer teils im Markt anzutreffenden euphorischen Erwartungshaltung eine „Rückkehr zur Normalität“ entgegensetzt.
Der oberste Repräsentant des Verbandes mahnt bei den Mitgliedern mehr Professionalität an, die neuen Kommunikationstechnologien müssten „Eingang in den unternehmerischen Alltag finden“ und dürften nicht „nur negativ besetzt“ sein. Professionalität heißt auch, die seit Jahren abwärts gerichtete Preisspirale zu stoppen und umzukehren – was sich angesichts knapper werdender Ware doch umsetzen lassen müsste. Professionalität heißt auch, Dienstleistungsverrechnungskonditionen (so bei Flottenkunden) wenigstens auskömmlich zu taxieren. Professionalität heißt für den Reifenfachhandel auch, wenigstens bei den reifennahen Dienstleistungsbausteinen nicht nachzulassen usw. usw. Die Liste ist lang und den meisten einsichtig, nur gemacht werden muss es halt.
Dazu gehört auch, Bausteine abzurufen. Kooperations- und Handelskettenzentralen kennen das: Sie entwickeln und bieten ihren Mitgliedern und Niederlassungsleitern ausgefeilte Bausteine, sie fördern und fordern – aber die Resonanz ist unbefriedigend. Ebenso dürfte es gelegentlich in der BRV-Geschäftsstelle sein. Wenn Hülzer zum Abschluss seiner Jahresbilanz einen „stärkeren berufsständischen Zusammenhalt“ einfordert, dann ist damit auch ein höheres Engagement des Einzelnen verbunden, nicht „jeder gegen jeden“, sondern mehr Solidarität statt „Entsolidarisierung“. Dann ließe sich auch Hülzers Vision denken: „Ein gewisses Maß an Berufsethos könnte der Branche nicht schaden.“
In diesem Sinne auch der Ausblick Hülzers nach seiner wie erwarteten Wiederwahl (lediglich eine Nein-Stimme) zum Vorsitzenden: Vom Selbstverständnis her verstehen sich die Vorstandsmitglieder „als Reifenfachhändler, die zum Wohle der Gesamtbranche arbeiten“, vom Fachhandel wird ein „strategisch-politischer Schulterschluss“ erwartet, wenn mit guten Worten gegenüber den Herstellern nichts zu bewirken ist. So etwas wie eine „paramilitärische Eingreifgruppe“ sei der BRV-Vorstand indes nicht.
Referenten prägen Veranstaltungen
Ob es richtig ist, dass externe Referenten auf der Jahreshauptversammlung eines Verbandes einen großen Part einnehmen, darüber mag man trefflich streiten. Einer, der zum Thema „Power your Life – Kraft zur Erneuerung – Wie kann der Abstand vom Alltag mentale Stärke für die nächste Etappe schaffen?“ sprechen sollte, ist schon mal gar nicht erschienen. Vermisst wurde er wohl nicht, denn BRV-Geschäftsführung und -Vorstand haben seit Jahren ein gutes Händchen bei der Auswahl bewiesen und auch dieses Mal glänzte mit Manfred Maus (76) ein Persönlichkeit ausstrahlender Redner zum Thema „Internehmenspositionierung des Facheinzelhandels in einem sich verschärfenden Wettbewerbsumfeld“ auf dem Podium. Ob das dem einzelnen Reifenfachhändler bei der Bewältigung seiner alltäglichen Aufgaben hilft, das sei dahingestellt – einen weiten Blick über den berühmten Tellerrand kann ein Vollblutunternehmer wie Obi-Gründer Maus dem Auditorium mit seinem fesselnden Vortrag aber allemal bieten.
Dass es da jemand wie Jens Lönneker, Geschäftsführer des „rheingold Instituts für qualitative Markt- und Medienanalysen“ (Köln), mit „Erwartungen des Verbrauchers an den Facheinzelhandel der Zukunft“ schwer haben würde als Folgereferent von Professor Maus weiß der Psychologe selber – dabei ist er einer, der jedenfalls auf der Veranstaltung in Frankfurt der Branche allgemein und dem Fachhandel im Besonderen einige Provokationen zumutete (so aus der Innenansicht der Branche) bzw. mit unangenehmen Wahrheiten konfrontierte (so aus der Außenansicht eines Branchenfremden): Der Konsument ist mit dem Buchstaben- und Zahlensalat auf der Reifenseitenwand beispielsweise schlicht überfordert, er verlangt nach Einfachheit: Die Verringerung der Komplexität ist ein übergeordneter Trend unserer Zeit. Die Reifenbranche bewegt sich mit ihrem Produkt „in der Unterwelt“ des Autos: Wer aus der Unterwelt kommt, der hat es schwer, Vertrauen aufzubauen; wer aus der Unterwelt kommt und meint, jedem Trend hinterherhecheln zu müssen, der wird ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen. Eigenschaften wie Authentizität oder Nachhaltigkeit sind gefragt, sodass Lönneker mit einem Satz schließen kann, den jeder versteht: „Don’t shit the consumer!“
Anmoderiert vom erfahrenen Branchenkenner Helmut Wolk (wolk after sales experts), zeichnete darüber hinaus Roland Adler von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK/Nürnberg) eine „Stärken-Schwäche-Analyse des Reifenfachandels und Maßnahmenempfehlungen“ auf, die als Basis das GfK-Pkw-Reifenpanel und eine BRV-Reifenstudie hat und sicherlich nachlesenswert ist (die Unterlagen wurden den Tagungsteilnehmern ausgehändigt), wenn auch die abschließende Profilierungsempfehlung gegenüber anderen Reifenvertriebswegen an den Reifenhandel, die Öffnungszeiten unter der Woche (bislang Montag bis Freitag bis 18.00 Uhr) auszuweiten nicht gerade besonders tiefschürfend oder die Ausweitung der Autoserviceangebotes nicht besonders neu ist. Professor Dr. Stefan Reindl (stellv. Direktor am Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen) nahm sich des Themas „Zeitenwende im Automobilservice – Neuaufstellung der Akteure im Kfz-Servicegeschäft – Entwicklungslinien und Herausforderungen“ an, berichtete von Wachstumsgrenzen des Servicegeschäfts (eine verstärkte Hinwendung zum Autoservice hatte Adler empfohlen), von aktiven Treibern im Verdrängungswettbewerb (wie es für den Reifenhandel Kfz-Werkstattsysteme sind) und neuen Technologien – auch alles nachschlagenswert.
Niveau wird hochgehalten
Einen Monat vor der 25. Jahreshauptversammlung war der Anmeldestand noch so spärlich gewesen, dass sich die BRV-Geschäftsstelle genötigt sah, den Anmeldetermin hinauszuschieben. Mit mehr als 220 Anmeldungen, mehr als die Hälfte davon waren als stimmberechtigte Mitglieder erschienen, war das Ergebnis dann doch recht passabel und bleibt nicht hinter früheren Mitgliederversammlungen zurück. Angesichts des wieder auf einem hohen Niveau gehaltenen Programmes – ein Reifenhändler lobte coram publico auch ausdrücklich das am Tage vor der Versammlung gebuchte Unterhaltungsprogramm (Dinner und Show im Frankfurter Tigerpalast) – kann man sich immer eine stärkere Beteiligung wünschen, verdient wäre sie gewesen. detlef.vogt@reifenpresse.de
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