Speedline Truck geht an den Start
Die Ronal-Gruppe ist eines der beiden marktführenden Unternehmen im Bereich der gegossenen Pkw-Aluminiumräder. Die vormalige italienische Firma Speedline – im Frühjahr 2007 von der Ronal AG (Härkingen/Schweiz) übernommen – bzw. deren Eigner-Familie Mazzucconi hatte auch gegossene Lkw-Aluminiumräder im Produktportfolio, die Fertigung aber bereits kurz vor der Veräußerung an Ronal vom Traditionswerk Bozen in das Valbrem-Werk in Lenna bei Bergamo verlagert. Jetzt wird das Geschäft wiederbelebt: Ronal hat die hundertprozentige Tochtergesellschaft Speedline Truck s.r.l. (Ponte San Pietro bei Bergamo) gegründet. Dass die von Speedline Truck vertriebenen Lkw-Aluminiumräder allerdings nicht gegossen, sondern geschmiedet sind, ist offensichtlich der Einsicht geschuldet, dass es trotz diverser Versuche verschiedener Anbieter über Jahre hinweg keinem gelungen ist, die technologische Lücke zwischen Lkw-Schmiede- und Lkw-Gussrad zu schließen.
Das geschmiedete Lkw-Rad ist leichter als das gegossene, es kommt ohne aufwändige Lackierung aus und ist daher weniger korrosionsanfällig, es bringt unerreichte Festigkeitswerte mit. Was also tun, wenn ein Räderspezialist wie Ronal an eine positive Entwicklung des Segmentes Lkw-Aluminiumräder glaubt, die enorme eigene Expertise aber eher beim Gieß- denn beim Schmiedeverfahren liegt? Das bisherige Pkw-Räderwerk von Valbrem war zwar zur Produktion von (gegossenen) Lkw-Rädern umgebaut worden, musste dann aber der großen Wirtschaftskrise und damit der allgemeinen Marktlage Tribut zollen: Das Thema gegossene Lkw-Räder hatte sich erledigt – nicht aber der Glaube an eine Zukunft des Lkw-Rades aus Aluminium an sich! Die Lösung: Es musste der richtige, das heißt ein kompetenter Produktionspartner gefunden werden.
Der Hersteller FullChamp Technologies Co. Ltd. (FCT) mit Sitz im Industriepark der Stadt Chu-Shan auf Taiwan – gegründet im Sommer 2002 von Mike Wie und zwischenzeitlich mit der Firma China Wheel liiert, die sich Pkw-seitig das Schmiede-Know-how zunutze machen wollte – ist einer von drei Schmiederadherstellern im Lande. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts hat der taiwanische Mischkonzern Mayer Steel Pipe Corporation in mehreren Schritten Anteile übernommen. Sämtliche erdenklichen ISO-Zertifikate (9001:2008, ISO 14000, TS16949) und TÜV-Bescheinigungen liegen selbstverständlich vor, Ronal hat sich für das Unternehmen mit der höchsten Reputation entschieden, der FCT-Slogan lautet „The leader of Metal Forging“.
Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Räderproduzenten FullChamp und Speedline Truck ist ein klassisches Offtake und beinhaltet Exklusivstatus für Europa. Die Räderentwicklungen, Zeichnungen etc. stammen von Speedline Truck/Ronal, die Formen gehören ebenfalls zu dem Unternehmen aus der mit so viel Rädertradition behafteten Umgebung von Bergamo. FCT schmiedet außer Pkw- und Lkw-Rädern auch solche für Motorräder und darüber hinaus ein breites Portfolio an Produkten beispielsweise für die Luftfahrt und militärische Anwendungen. Weil FullChamp im Werk Chu-Shan einen zweistufigen Produktionsprozess und Flow-forming bietet, dürften sich die Fertigungstechniker aus dem Hause Ronal/Speedline und die Taiwanesen gleich verstanden haben, die Produktionsphilosophien ähneln einander.
Erste Tests mit FullChamp-Rädern unter Federführung des F+E-Zentrums von Ronal fanden im Sommer 2010 statt – und waren direkt erfolgreich. Zwar damals noch nicht mit den für Europa passenden Anschlussmaßen, aber die Schmiederäder dieses Herstellers haben sich längst auf beispielsweise australischen oder amerikanischen Straßen bewährt. Im Herbst letzten Jahres folgten dann die Freigaben, seit Anfang 2011 liegen die ABEs für die europäischen Standardanwendungen vor. Speedline Truck startet mit den drei Rennerausführungen 9.00×22.5 und 11.75×22.5 mit den beiden Einpresstiefen Null sowie 120. Weitere Größen und sogenannte „Peripherieprodukte“ sind in Vorbereitung.
Speedline Truck wird sich messen lassen müssen vor allem mit dem Marktführer (Alcoa) und einem zweiten Newcomer (Otto Fuchs). Der banalste Vergleichstest ist das Radgewicht, vor allem bei den Traglasten werden kritische Kunden allerdings nachhaken: Speedline Truck hat in dieser Hinsicht bereits nachgebessert und sieht sich in einer Liga mit den anderen Anbietern von geschmiedeten Lkw-Aluminiumrädern.
Die noch junge Firma in Presezzo, deren Mitarbeiterzahl bereits zweistellig ist und die weiter wachsen soll, wendet sich an die drei relevanten Segmente: Lkw-Erstausrüstung, Traileranbieter und das Ersatzgeschäft. Im Ersatzmarkt ist die Suche nach potenziellen Distributions- und Handelspartnern (wofür sich auch der Reifenhandel anbietet) noch nicht abgeschlossen. In dem kleinen Städtchen nur wenige Kilometer westlich von Bergamo wird derzeit ein Zentrallager aufgebaut, von wo aus die Belieferung der europäischen Kundschaft erfolgen soll. Ein Qualitätsmanagement in Presezzo hat bereits die Arbeit aufgenommen.
Speedline Truck tritt als Hersteller im Markt an und will zu den signifikanten Wettbewerbern aufrücken. Muttergesellschaft Ronal erwartet eine sukzessive Verschiebung weg vom traditionellen Stahl- hin zum Aluminiumrad und will diesen Markt aktiv mitgestalten, dabei aber eigene Wege gehen. Im Gegensatz zu den bereits genannten Märkten Australien und Nordamerika gilt Europa als kostenorientierter, sodass sich der von Marktteilnehmern bereits in den 90er Jahren prognostizierte Siegeszug des Lkw-Aluminiumrades verschleppt hat. Doch mit dem aktuellen Bedeutungszuwachs ökologischer Argumente und erst recht in Verbindung mit ökonomischen Aspekten werden die Karten neu gemischt. Speedline Truck will Bekanntheit gewinnen und engagiert sich bei den Endkunden mit den Argumenten, die „pro Alurad“ sprechen. detlef.vogt@reifenpresse.de
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