Ronal: Schritt für Schritt nach vorne
Wenn in der Aluminiumräderindustrie in den letzten Jahren Unternehmen zum Verkauf standen, dann wurde die Ronal AG (Härkingen/Schweiz) eher selten als Interessent genannt. Zur Unternehmensphilosophie hat es seit Gründung im Jahre 1969 in Forst, wo noch immer die deutsche Vertriebsgesellschaft Ronal GmbH beheimatet ist, immer gehört, vornehmlich aus eigener Kraft zu wachsen und – wenn es denn sein sollte – neue Werke in strategisch wichtigen Märkten nach eigenen Vorstellungen hochzuziehen anstatt vorgefundene Strukturen an die eigenen anzupassen.
Als Ronal im Jahr 2007 Italiens Speedline mit Räderfabriken in Santa Maria di Sala (bzw. Tabina) und Lenna (bekannt als Valbrem) übernahm, herrschte allgemein Überraschung, dass Ronal aktiv an der Konsolidierung der Branche mitwirken würde. Gleichwohl blieb sich Ronal treu und klotzte nicht mit den zusätzlichen Kapazitäten, sondern betrieb auch intern Konsolidierung: Das Lkw-Aluminiumgussräderwerk in Bozen hatte noch der Alteigentümer Mazzucconi geschlossen; als dann in Folge der Lehman-Pleite ein Jahr später die Automobilmärkte zusammenbrachen, nahm auch Ronal Kapazitäten vom Markt: Valbrem wurde als Standort für die Herstellung von Pkw-Aluminiumgussrädern aufgegeben, immerhin ein Volumen von etwa 700.000 bis 800.000 Einheiten jährlich.
Als sich zum Jahreswechsel 2010/2011 allerdings die Option zu eröffnen schien, dem in Schwierigkeiten geratenen Wettbewerber BBS dessen Werk Herbolzheim (in dem im Offtake übrigens schon geraume Zeit Ronal-Räder gefertigt wurden) abzukaufen, hätte Ronal das wohl gerne gemacht. Wie man weiß zerschlug sich das ursprünglich durch eine Absichtserklärung vom 30. Dezember bekanntgegebene Unterfangen allerdings, bei Redaktionsschluss schien Ronal „aus dem Rennen“ um diesen Standort zu sein. Ob damit das letzte Wort im Pokerspiel um Herbolzheim und damit von allen relevanten Spielern eigentlich benötigte Kapazitäten gesprochen ist, entzieht sich der Kenntnis dieser Fachzeitschrift.
Vor dem Wiederanziehen der Konjunktur hätte das Interesse in der Branche und wohl auch bei Ronal an einem weiteren Werk jedenfalls gewiss ganz anders ausgesehen. Denn auch an den nach der Valbrem-Schließung verbliebenen acht anderen Produktionsstätten für Aluminiumgussräder ging die Krise nicht vollständig vorbei: Ronal verringerte, wenn auch nur behutsam, Personal, ohne allerdings in größerem Stile Equipment zu demontieren. Statt dessen nutzte das Unternehmen den gravierenden Nachfrageeinbruch durch die Automobilhersteller, um gezielt zu modernisieren und zu automatisieren. Schließlich hatten einige Aluminiumräderfabriken auch schon einige Jährchen auf dem Buckel: Das Werk Tabina war bereits 1967 errichtet worden, die Fabriken in Teruel (Spanien) im Jahre 1985 und Landau 1988. Die Standorte Jicin (Tschechien/1994), Walbrzych (Polen/1996), Queretaro (Mexiko/ 2001), Jelcz-Laskowice (Polen/2002) und Pardubice (Tschechien/2006) dürften allerdings als relativ jung und daher technologisch sehr weitgehend auf der Höhe der Zeit angesehen werden.
Insgesamt hatte Ronal mit diesen acht Fabriken im Jahre 2010 eine Jahreskapazität von 15 Millionen Stück, kein Werk überdimensioniert (Jelcz-Laskowice ist auf 3,2 Millionen Einheiten jährlich ausgelegt und damit das größte im Verbund), keines zu klein, um überlebensfähig zu sein (in Tabina können 1,3 Millionen Räder jährlich gefertigt werden). Von den ca. 4.800 Mitarbeitern des Unternehmens sind etwa 95 Prozent dem Räderbereich zuzurechnen, die übrigen stehen bei der im Sanitärbereich tätigen Sanswiss in Diensten. In den drei Zentren zur technischen Kundenbetreuung Härkingen, Landau und Tabina beschäftigt Ronal mehr als 80, in der hauseigenen Werkzeugherstellung (außer in der Schweiz auch bei der PT-Cantanhede in Portugal) etwa 135 Mitarbeiter. Der Standort Southfield (bei Dearborn/Michigan, USA) ist dem Unternehmen mit der Speedline-Übernahme zugefallen und hat die Funktion, die nordamerikanischen Erstausrüstungskunden zu betreuen. Entwicklungsprojekte obliegen der Ronal AG und der Ron AG in Härkingen.
Mit den Fabriken in Europa und dem mexikanischen Werk ist Ronal ein internationaler Zulieferer der Automobilindustrie, ein „Global Player“ jedoch eher nicht, dazu fehlt – von einigen eher losen Verbindungen einmal abgesehen – die Verankerung in den sich stark entwickelnden BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China). Für einen der weltweit größten Hersteller von Aluminiumgussfelgen ist dies angesichts der Globalisierung der Kunden auf Dauer kaum akzeptabel. Und sicherlich wird Ronal dieses Defizit ausmerzen wollen, aber erstens gewiss nicht überhastet und zweitens ebenso gewiss nicht in allen vier Wachstumsregionen auf einmal, sondern Schritt für Schritt und unter sorgfältiger Prüfung aller Optionen. Die Kundenbasis von Ronal gilt als vorbildlich diversifiziert, ausbaufähig erscheinen bestenfalls Renault und Hyundai/Kia.
Think Global, Act Local
Bewusst wird den einzelnen Werken Verantwortung mit klar definierten Zielen für ihr jeweiliges Geschäft zugewiesen. Die Managementteams in den Fabriken haben sich gewissermaßen „mit den eigenen Nägeln zu kratzen“, aktuell läuft ein Projekt zur weiteren Automatisierung des Werkes Walbrzych, teilweise nach dem Vorbild von Pardubice. Der Standort Härkingen wird denn auch weniger als Zentrale denn als unterstützende Koordinierungsstelle verstanden und übt die Funktionen aus, für die ein dezentraler Ansatz auch keinen Sinn machen würde. Die Ronal AG folgt einer Strategie des „Think Global, Act Local“.
In allen Werken gleich ist die prinzipielle Herstellungsmethode Niederdruckkokillenguss und dass sie autark sind, also alle Produktionsschritte vom Schmelzen bis zur Räderbeschichtung unabhängig von Schwesterwerken abdecken. Besonderheiten wie ein gewichtsreduzierender Hinterschnitt werden sukzessive und bei Kundenbedarf produktionstechnisch umgesetzt. Ein allerdings bekannteres Beispiel ist das Flow-forming, das bei großdimensionierten Rädern Anwendung findet und die Automobilhersteller von ihren Premiumzulieferern erwarten. Übrigens wäre es unvollständig, im Flow-forming lediglich die Möglichkeiten der Gewichtsverringerung zu sehen, vielmehr dient diese Technologie auch der Sicherheit im Bereich des Felgenhorns, wo große, konventionell gefertigte Räder schon mal zur Rissbildung neigen können. Mit der Übernahme Speedlines vor einigen Jahren hatte Ronal nicht nur Flow-forming-Anlagen (inzwischen sechs an der Zahl, die fast die gesamte Werkskapazität in Tabina abdecken) akquiriert, wie es sie in dieser Größenordnung sonst nirgendwo gab, sondern auch die dazugehörige Erfahrung. Zwar senkt die Einführung eines neuen Produktionsschrittes erst einmal die Werkskapazität und muss der Materialfluss bzw. die Verkettung erst wieder neu justiert und optimiert werden, aber ein Standort wie Landau (Kapazität ca. zwei Millionen Räder jährlich), der relativ nah an den Automobilwerken mit Premiummodellen angesiedelt ist, bietet sich für Flow-forming an, drei Anlagen sind aktuell installiert. Seit dem letzten Jahr verfügt auch die Fabrik in Queretaro (Kapazität ca. 2,2 Millionen Räder jährlich) über eine erste Flow-forming-Fertigungsinsel, werden von dort schließlich nicht nur beispielsweise die amerikanischen Autobauer mit Rädern versorgt, sondern auch die Werke deutscher Automobilhersteller in den Vereinigten Staaten.
Die Entwicklung des „Multi Color Rim“ (MCR, vorgestellt in der NEUE REIFENZEITUNG Ausgabe 11/2010) erfolgte sehr weitgehend durch die Kooperation der Oberflächenexperten mit der Designabteilung am Standort Landau, ergo werden entsprechende Räder dort auch gefertigt. Denn das ist die wesentliche Innovation der MCR-Räder: Während man sich bei anderen im Markt erhältlichen „bunten“ Rädern mit Klebefolien und farbigen Lacken behilft, ist die MCR-Innovation reproduzierbar und lassen sich nahezu alle erdenklichen Farben, Nuancen und Kombinationen so umsetzen, dass sie den Ansprüchen einer industriellen Fertigung genügen.
Ob MCR-Räder von der Erstausrüstung angenommen werden, wird sich zeigen. Denkbar sind sie aufgrund der relativ geringen Losgrößen, in denen sie aufgelegt werden können, für automobile Sonderserien á la Funcars, aufgrund der ökologischen Lacksysteme aber auch eventuell für spezielle „Umwelt“- oder beispielsweise Elektroautos. Immerhin: Die Automobilhersteller haben jetzt die Möglichkeit, nach OE-Standards gefertigte Farbräder zu ordern. Diese Option war vorher im Markt nicht gegeben. Erfahrungsgemäß werden solche Designideen aber erst im Aftermarkt erprobt. Akzeptiert der Verbraucher dort die neue Optik, fällt es einem Automobilhersteller leichter, den entsprechenden Mut zur Umsetzung auch in der Erstausrüstung aufzubringen.
Dass Ronal stark erstausrüstungslastig ist, ist offenkundig. Auf das Ersatzgeschäft mögen bezogen auf Stückzahlen lediglich etwa drei Prozent aller produzierten Räder entfallen. Vom Um- und Nachrüstmarkt wird Ronal dennoch nicht lassen. Zumal das Unternehmen auch für renommierte Kleinserienhersteller bzw. Tuner – in einer Präsentation werden Namen wie AC Schnitzer, Alpina, Brabus, Carlsson, Hartge, Irmscher und Lorinser genannt – fertigt und schon dadurch ein Feeling für den Markt durch die automobilen Trendsetter quasi frei Haus geliefert bekommt.
Mit den beiden Marken Ronal und Speedline Corse sieht sich das Unternehmen im Ersatzgeschäft gut positioniert, produziert und vertreibt Designs von 14 bis 22,5 Zoll und investiert beispielsweise am deutschen Standort Forst in Service und Logistik. Der „Industriebereich“ soll vom Aftermarkt profitieren. Sollten irgendwann die Marken Ronal und Speedline Corse für die Abdeckung des Aftermarkts nicht mehr ausreichen, hätte das Unternehmen aus dem Stand ein Markenportfolio, gegebenenfalls auf neue Trends schnell reagieren zu können. Mehrteilige Räder sind aktuell out, eine Marke ACT allerdings ist nur eingemottet. Jederzeit wiederbelebt werden könnten bei Bedarf und neuer Konstellation auch ehemalige Marken wie Centra – oder (siehe gesonderten Beitrag in dieser Rubrik) bei Lkw-Rädern „Speedline Truck“. detlef.vogt@reifenpresse.de
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