Verbindende Elemente: Leichtmetallräder von Mercedes-Benz
Ohne Räder läuft gar nichts – diese elementare Feststellung beschreibt nicht nur die technische Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Automobil, sondern auch die Bedeutung des Rades für ein überzeugendes Fahrzeugdesign. Deshalb tragen bei Mercedes-Benz anspruchsvoll gestaltete Räder, die mit dem Karosseriekörper harmonieren und als gestalterisch logische Fortsetzung erscheinen, entscheidend zur hohen Designgüte der Gesamtfahrzeuge bei. Im Designzentrum von Mercedes-Benz werden die Leichtmetallräder für die Serien- oder Sonderausstattung von Spezialisten in jenem Bereich gestaltet, der auch die gesamten Exterieurformen entwirft. Eine umfassende Darstellung des Fahrzeugherstellers zum hauseigenen Aluminiumräderprogramm, die auch Mercedes-Benz Accessories abdeckt.
Die Gene eines Mercedes-Benz-Raddesigns
Grundsätzlich folgen alle Mercedes-Benz-Räder einer bestimmten Gestaltungsrichtung, die jedoch genügend Spielraum für vielfältige Formen lässt, um die Individualisierungsmöglichkeiten nicht einzuschränken. Räder mit dem Stern folgen mit ihrer Ausprägung vor allem dem Grundsatz, das Fahrzeugdesign in den jeweiligen Modellfamilien zu betonen. Dazu nutzen die Gestalter vor allem skulpturhafte, modellierte Flächen mit kraftvoll fließenden Linien, eine reine Grundgeometrie wird immer ausgeschlossen. Dabei kann es durchaus auch in einer Baureihe zu völlig unterschiedlichen Gestaltungsansätzen kommen. Beispiel S-Klasse: Hier verlangen die meisten Kunden elegante Räder, die einerseits zu einem feingliedrigen und vielspeichigen, aber auch zu einem großflächigen, weniger strukturierten Design führen können. Beide Lösungen erzielen am Fahrzeug die gewünschte Eleganz. SUV-Modelle und Geländewagen verlangen im Gegensatz dazu immer markante, kraftvolle, fast muskulöse Räder. Bei den Roadstern und Coupés steht die Sportlichkeit im Vordergrund. Die Räder wirken unter anderem durch eine maximale „Außenanbindung“ möglichst groß: Die Radspeichen gehen meist glattflächig ohne Unterbrechung in das Felgenhorn über. Dadurch stehen diese Modelle kraftvoll, beinahe geduckt und zum Sprung bereit, auf der Straße.
Die Entwicklungsingenieure definieren für die Designer den zur Verfügung stehenden Gestaltungsraum. So entstehen Räder, die einerseits durch ihre außerordentliche Leistungsfähigkeit die Fahrdynamik, den Komfort und die Sicherheit der Mercedes-Benz-Fahrzeuge unterstützen. Andererseits können die Formgestalter den zur Verfügung stehenden Raum für die Modellierung in der gewohnten Designqualität frei nutzen.
Blick in die Räderwelt von morgen
Wie die Fahrzeugdesigner müssen auch die Räderdesigner in die Zukunft blicken können, denn ihre Entwürfe kommen bedingt durch den komplexen Entwicklungsprozess mit einiger Zeitverzögerung auf den Markt. Dabei wird natürlich nicht mithilfe einer Kristallkugel orakelt. Zukunftsforschung und Trenderkennung gelingt mit Unterstützung der weltweit ansässigen „Mercedes-Benz Advanced Design Studios“, intensiven Kundenbefragungen, Kontakten zu den Händlerbetrieben, Marktbeobachtungen und spezialisierten Agenturen. Aus diesen Untersuchungen folgen bestimmte Grundvorgaben:
• Der Trend zu größeren Rädern mit einer zur Karosserie außenbündigen Montage hält in allen Fahrzeugklassen an. Diese Bauart signalisiert Kraft, Dynamik und Fahrstabilität
• Mercedes-Benz-Kunden wollen in Zukunft noch höherwertigere Räder mit aufwendig bearbeiteten Oberflächen und anspruchsvoller Farbgestaltung
• Mercedes-Benz und Mercedes-Benz Accessories werden ihre Angebotsvielfalt an Rädermodellen weiter ausbauen, um den Kunden noch mehr Individualisierungsmöglichkeiten zu geben
Es geht rund bei der Produktentwicklung
Mit einem umfangreichen Entwicklungsprogramm sichert der Fahrzeughersteller die Qualität neuer Radmodelle. Dabei gehen die Prüfungen und Untersuchungen weit über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Auch bei der Räderentwicklung gilt der Grundsatz: Mercedes-Benz orientiert sich in der Entwicklungs- und Erprobungsphase am tatsächlichen Belastungsprofil von Leichtmetallrädern unter realen Betriebsbedingungen und stimmt darauf die Programme ab, damit Leichtmetallräder mit dem Stern zu den sichersten, leistungsfähigsten und langlebigsten Produkten im gesamten Automobilmarkt gehören. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein Rad der Serien- und Sonderausstattung oder einen Typ aus dem breiten Zubehörangebot der Mercedes-Benz Accessories handelt. Der Prozess liegt immer auf gleich hohem Niveau.
Digitale Welten bestimmen die Entwicklung
In der frühen Entwicklungsphase eines neuen Leichtmetallrades legen die Ingenieure zunächst die groben Rahmenbedingungen fest: In enger Kooperation mit den Verantwortlichen der Fahrzeugbaureihen werden für die Automodelle die neuen Radtypen bestimmt. Gleichzeitig untersuchen die Räderspezialisten, welche Tendenzen der Rädermarkt zeigt. Diese Parameter definieren dann die nötigen Raddimensionen. Es folgt die technische Grundauslegung: Daten wie die maximal zulässige Achslast, die Größe des Radhauses oder der nötige Bremsenfreigang ergeben den Bauraum, innerhalb dessen die Designer ihren Gestaltungsfreiraum haben – natürlich immer in Abhängigkeit von der für Mercedes-Benz typischen Designsprache. Nach einer technischen Machbarkeitsstudie folgt die endgültige Festlegung des Raddesigns.
Mit modernen 3-D-Computerprogrammen entsteht anschließend ein dreidimensionales Volumenmodell. Mit diesem Modell können die Entwickler zur Visualisierung und Diskussion im Entwicklungsteam dreidimensionale Zeichnungen ableiten oder Bauteileigenschaften wie Gewicht, Bearbeitungsmöglichkeiten im späteren Produktionsprozess, Materialverteilung oder auch Eigenresonanzen und Trägheitsmomente bestimmen. Basierend auf diesen Datensätzen wird mithilfe der Finite-Elemente-Berechnung (kurz: FE-Berechnung) das Rad mit virtuellen Testdaten optimiert. Die digitale Welt kann anspruchsvolle mechanische oder thermische Betriebsbedingungen simulieren: zum Beispiel das Durchfahren einer Kurve mit maximaler Radlast oder eines Schlaglochs, das Anfahren eines Randsteines oder die Bremshitzebelastung bei einer Passabfahrt. Es können ebenso Aussagen über den späteren Produktionsprozess und dessen Verbesserung getroffen werden: Lässt sich das angestrebte Radmodell in eine Kokillenform gießen, läuft die Materialerstarrung wie erforderlich ab, lässt sich der gegossene Radrohling problemlos aus der Form entnehmen? Nach Fertigstellung des Leichtmetallrades in dieser virtuellen Welt entsteht ein digitales Mock-up, also ein computergestütztes Radmodell, das als Datenbasis für alle weiteren Schritte dient.
Aufgrund des Mock-ups kreiert dann der mit der Fertigung beauftragte Radhersteller die nötigen Formen, Produktionswerkzeuge und -verfahren, anschließend entstehen die ersten Musterräder. In dieser „Prototypenphase“ führt der Radhersteller in Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz detaillierte Untersuchungen der entstehenden Räder und des gesamten Produktionsprozesses durch. Die Vorgabe: eine optimale Fertigung auf qualitativ hohem Niveau. Ist dieses Ziel erreicht, wartet ein wahres Folterprogramm auf die neuen Räder, die aus dem Testlauf der abgestimmten Großserienfertigung entnommen werden.
In Zusammenarbeit mit den Fahrzeugentwicklungsbereichen können auch aerodynamische Aspekte in die Formgebung mit einfließen. Strömungssimulationen haben ergeben, dass aerodynamisch optimierte Leichtmetallräder und Reifen die Gesamtaerodynamik des Fahrzeugs verbessern, was im realen Fahrbetrieb den Kraftstoffverbrauch reduziert und zu einer CO2-Minderung von einem Gramm pro Kilometer führen kann.
ZWARP ersetzt sechswöchige Testfahrt auf dem Hockenheimring
Eine der effektivsten Testmethoden zur Beurteilung eines neuen Leichtmetallrades ist der Zwei-axiale Räder-Prüfstand, kurz ZWARP. Im Gegensatz zur herkömmlichen Abrollprüfung, bei der die Räder mit einer bestimmten Aufstandskraft gerade auf einer Außentrommel laufen, werden die Räder beim ZWARP in einer überdimensionalen Trommel durch zusätzliche Querbewegungen der Testanlage in zwei Richtungen mit Aufstands- und Seitenkräften belastet – deshalb der Name ZWARP.
Zunächst werden die Räder mit der entsprechenden Reifengröße bestückt und zur Verschärfung der Prüfbedingungen durch eine simulierte Bordsteinanfahrt mit 2,5-facher Radlast am inneren Felgenhorn vorgeschädigt. Diese Vorschädigung gilt gleichzeitig als Einzelprüfung „Innenhornschlag“, die Verformung darf dabei höchstens einige Millimeter betragen. Ist diese Eingangsforderung erfüllt, folgt der eigentliche Prüflauf, der in 22 Belastungsblöcke aufgeteilt ist. Die Belastungsblöcke orientieren sich an dem späteren Einsatzprofil am Fahrzeug – je nachdem, ob das Rad für eine Limousine, einen Roadster, einen Geländewagen oder eine Großraumlimousine vorgesehen ist. Die Bedingungen sind heftig: Die Räder werden im Prüflauf über mehrere Tausend Kilometer – was einer Fahrleistung im realen Betrieb über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeuges entspricht – mit einer Aufstandskraft bis zu 35 kN beaufschlagt. Durch die Lenkbewegungen wird das Rad zusätzlich mit einer Seitenkraft bis zu 25 kN an die seitlichen Wülste der rotierenden Trommel gepresst und werden damit die Radbelastungen bei scharfen Kurvenfahrten simuliert. Die Mercedes-Benz-Anforderung für diesen Marathon: Trotz der mechanischen Vorschädigung darf das Testrad über die Prüfdistanz keine Risse zeigen. Besteht ein Rad die ZWARP-Prüfung, hält es erfahrungsgemäß im normalen Fahrbetrieb ein Mehrfaches der Lebensdauer eines Fahrzeugs.
Ein Rückblick bestätigt die Bedeutung des ZWARP: Früher wurden diese Belastungen am Fahrzeug auf der Rennstrecke in Hockenheim bei Testfahrten durchgeführt und dauerten rund sechs bis acht Wochen. So konnten zu dieser Zeit zusammen mit den anderen Prüfungen im Jahr nur zirka zehn Leichtmetallräder geprüft und final freigegeben werden. Der ZWARP läuft in wenigen Tagen mit einer wesentlich höheren Reproduzierbarkeit ab, weil er im Gegensatz zu den Praxisfahrten in Hockenheim unter wechselnden Witterungseinflüssen immer unter den gleichen, festgelegten Bedingungen abläuft. Eine komplette Gesamtfreigabe dauert heute rund vier Wochen. Innerhalb eines Jahres können die Ingenieure und Techniker deshalb zirka 150 neuen Leichtmetallrädern die Freigabe erteilen. Völlig ohne Praxistests läuft allerdings auch heute das Prüfprogramm nicht ab: Meist tragen Prototypen neuer Fahrzeugmodelle bei ihren Test- und Erprobungsfahrten auch neue Rädertypen. Diese Testergebnisse laufen ebenfalls in die Beurteilung und Freigabe neuer Typen mit ein. Eine Randnotiz: Deshalb sind auf Erlkönigfotos meist nicht nur neue Fahrzeuge, sondern auch neue Räder zu bestaunen.
Auf Biegen bis zum Brechen: Der Umlaufbiegetest
Eine weitere Stressprüfung ist der Umlaufbiegetest. Dabei spannen die Mitarbeiter Räder mit der Felgeninnenseite formschlüssig auf einen Messtisch, die Radschüssel wird über die normalen Löcher der Radschrauben wie bei der herkömmlichen Montage am Fahrzeug auf einer Nabe befestigt. Diese stresst das Radgefüge mit Lastwechseln durch taumelnde Bewegungen, die maximale Kurvenfahrten simulieren; es werden Biegemomente zwischen 1.900 und 11.000 Newtonmeter eingesetzt. Der Umlaufbiegetest läuft parallel mit mehreren Rädern und unterschiedlichen Lastfällen ab:
• vier Räder absolvieren mit hundert Prozent Biegemoment 200.000 Lastwechsel
• vier Räder absolvieren mit 75 Prozent Biegemoment 800.000 Lastwechsel, das entspricht dem 4-Fachen der gesetzlichen Forderung
Alle Räder müssen diese Bedingungen ohne Rissbildung überstehen. Allerdings wird der Test so lange gefahren, bis sich erste Anrisse zeigen. Dabei zeigt sich, dass Leichtmetallräder von Mercedes-Benz viele Millionen Lastwechsel schadlos überstehen. Das reicht bei normalen Betriebsbedingungen für mehrere Autoleben.
Schlagende Beweise für die Stabilität
Neben dem in die ZWARP-Prüfung integrierten Schlag auf das Felgeninnenhorn müssen Leichtmetallräder, die den Stern tragen wollen, zwei weitere Angriffe meistern. Dabei geht es im übertragenen Sinne mittelalterlich zu, denn die Räder kommen unter eine Art Guillotine. Beim sogenannten Impacttest, der die schräge Anfahrt auf ein Hindernis wie einen Bordstein simuliert, wird das Rad liegend mit einem leichten Kippwinkel unter einem stumpfen Fallbeil fixiert. Danach saust das Fallbeil mit einem nach der zulässigen Radlast berechneten Gewicht (0,6-fache Radlast plus 180 in Kilogramm) aus einer definierten Höhe auf das äußere Felgenhorn. Es resultiert nicht nur ein ohrenbetäubender Schlag, sondern auch eine Verformung des getroffenen Felgenbereichs, die ein bestimmtes Maß nicht überschreiten darf. Es dürfen keine Ausbrüche oder Undichtigkeiten auftreten. Der montierte Reifen muss nach dem Schlag den Luftdruck halten, um im Praxisfall eine Weiterfahrt zu ermöglichen.
Das zweite Guillotinieren läuft ähnlich ab, nur wird beim Radialschlag die Reifenlauffläche des senkrecht stehenden Rades von dem Fallbeil getroffen, das mit großer Wucht bis auf die Felgenhörner durchschlägt. Auch hier darf die Schädigung nicht zum Ausfall des Rad-Reifen-Systems führen.
Verkannte Größe: Die Radverschraubung
Wie wichtig eine sichere Radverschraubung ist, bedarf keiner Erklärung. Der Weg dorthin ist allerdings nicht so simpel, wie gemeinhin angenommen wird. Deshalb wird mit einer speziellen Prüfanlage das Verschraubungssystem – bestehend aus Radschrauben, dem neuen Leichtmetallrad und der Fahrzeugradnabe – überprüft und gegebenenfalls optimiert. Entscheidende Größe für eine korrekte Radverschraubung ist das vorgeschriebene Drehmoment, mit der die Radschrauben angezogen werden müssen. Daraus ergibt sich eine definierte Vorspannung. Und diese Vorspannung ist für die Verbindung zwischen Rad und Fahrzeug verantwortlich. Hier betreiben die Ingenieure im MTC (Mercedes Technology Center) ein ausgiebiges Feintuning, damit die Verschraubung die höchstmögliche Sicherheit garantiert. Denn die Vorspannung wird von mehreren Faktoren beeinflusst: durch die Reibung des Schraubengewindes im Gewindegang der Radnabe, durch die Reibung des Schraubenkopfes in der Radkalotte und von den Kontaktflächen zwischen Rad, Bremsscheibe und Radnabe.
Wäre die Reibung bei der Verschraubung zu gering, könnte sich die Radschraube bei dem vorgeschriebenen Anzugsmoment aufgrund der zu hohen Vorspannung überdehnen. So paradox es klingt, aber dieser Zustand kann zu einem Lockern der Verschraubung führen. Deshalb sollten die Radbolzen bei der Montage auch nicht eingefettet werden, weil dadurch die Reibung minimiert wird. Ist im umgekehrten Fall die Reibung zu hoch, hätte die Verschraubung bei dem gegebenen Anzugsmoment nicht die nötige Vorspannung, das Rad könnte sich ebenfalls lösen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, ausschließlich Mercedes-Benz-Originalradschrauben zu verwenden, die eine optimale Reibung und damit die sichere Verschraubung garantieren. Mercedes-Benz vertraut hier auf die Verschraubung mit Radbolzen, die sich mit einer kugelförmigen Kalotte hinter dem Schraubenkopf exakt in die ebenfalls kugelförmige Vertiefung um das Schraubenloch des Rades fügen. Eine korrekte Vorspannung unterstützt auch die leicht konkave Kontaktfläche, mit der das Rad an der Radnabe des Fahrzeugs anliegt.
Finales Okay nach 3-D-Messmaschine und Sichtprüfung
Zu dem Abnahmeprozess neuer Leichtmetallräder gehört auch die Kontrolle der geometrischen Daten mit einer 3-D-Messmaschine. Dieser Prozess läuft vollautomatisch ab. Nach dem Einspannen des Testrades überprüft die Anlage mit höchster Präzision im Mikrobereich 20 Hauptmaße an 150 Punkten und vergleicht diese mit den abgespeicherten CAD-Daten. Nur wenn mehrere Räder auch diese Prüfung wie alle anderen Tests innerhalb der engen Toleranzen absolviert haben, führt das Team der MB-Räderentwicklung eine finale Prüfung zur Erteilung der endgültigen Freigabe durch. Trotz aller technischen Möglichkeiten sind diese Bewertungen mit dem „Faktor Mensch“ wichtig. Im Einzelnen begutachtet das Team:
• Lackqualität: In Ergänzung der Prüfungen im Korrosionsprüfzentrum wird die Lackierung auf Farbgebung, Schichtdicke, Einschlüsse oder Poren untersucht; außerdem müssen die Bereiche der Anlagefläche und die Radlöcher lackfrei sein
• Gussqualität: keine Porosität oder oberflächliche Lunker
• Mechanische Bearbeitung: saubere Entgratung
• Kontrolle des vorgegebenen Gewichts
• Korrekte Kennzeichnung
• Problemlose Montage des Ventils und des Sensors der Reifendruckkontrolle
• Zugänglichkeit des Ventils bei der Reifendruckkontrolle mit tankstellenüblichen Befüllarmaturen
• Korrekter Sitz des Nabendeckels
• Rundlaufkontrolle
Die Prüfungen nach den scharfen Mercedes-Benz-Anforderungen und den gesetzlichen Vorgaben im Überblick sind der Darstellung 1 zu entnehmen.
Röntgen, Computertomografie und Metallografie
Ein wichtiger Bestandteil im Entwicklungsprozess neuer Leichtmetallräder sind Untersuchungen, die sich mit der inneren Gefügestruktur bis hin zum Atomaufbau beschäftigen. Während die Untersuchungen in den verschiedenen Test- und Prüfanlagen Aufschluss darüber geben, ob die Leistungsfähigkeit eines neuen Rades den hohen Anforderungen des Autobauers genügt, ermöglichen die ergänzenden Untersuchungen im Auflicht- oder Rasterelektronenmikroskop, in der Röntgenanlage und im Computertomografen Rückschlüsse, warum verschiedene Radprototypen widerstandsfähiger sind als andere.
Ein Beispiel: Wie beschrieben werden Räder beim Umlaufbiegetest bis zum Materialbruch belastet. Der Umlaufbiegetest gibt also Aufschluss darüber, wie lange ein Leichtmetallrad unter genormten Bedingungen hält, und er liefert durch die Lage der Risseinleitung und den weiteren Bruchverlauf erste Erkenntnisse über bestimmte Schwachstellen. Den Grund dafür kann die Anlage allerdings nicht liefern. Ursache für diese Schwachstellen können geometrischer Art sein oder an den unzureichenden Basiseigenschaften des verwendeten Werkstoffs liegen. Unregelmäßigkeiten aus dem Gießprozess kommen ebenfalls in Betracht. Hier werden zur Analyse modernste Untersuchungsmethoden eingesetzt: Metallmikroskopie, Rasterelektronenmikroskop (REM), Röntgenanlage und Computertomografie (CT) liefern detaillierte Erkenntnisse, die hochspezialisierte Ingenieure zur Optimierung der Räder nutzen. Die unterschiedlichen Methoden kommen je nach Zielsetzung der Prüfungen zum Einsatz: Während mit der Metallmikroskopie und unter dem Rasterelektronenmikroskop vor allem metallografische Ursachen bestimmt werden können, liefern Röntgenanlage und CT Erkenntnisse über Lunker (Hohlräume), Gasporen oder Fremdeinschlüsse.
Ursachenforschung mit Auflösung im μ-Bereich
Der Einblick in den Mikrokosmos eines Leichtmetallrades beginnt beim Auflichtmikroskop mit einer Vergrößerung von 20- bis zu 1.000-facher Vergrößerung. Von dem zu untersuchenden Rad wird eine wenige Gramm schwere Probe entnommen, diese fein geschliffen und poliert. Durch eine anschließende Kontrastierung wird die Gefügestruktur der kristallinen Metalllegierung sichtbar gemacht. Das so erhaltene zweidimensionale Bild dieser Fläche erlaubt Rückschlüsse auf das verwendete Rohmaterial und die Verarbeitungsgüte im Gießprozess. Zeigen sich hier Unregelmäßigkeiten, wird der Radzulieferer über die Probleme informiert und vor dem Serienanlauf zur Beseitigung aufgefordert.
Die Bewertung der Bruchstellen nach den Testläufen kann nur im Rasterelektronenmikroskop erfolgen, weil diese Anlage ein dreidimensionales Bild bei wesentlich höherer Auflösung im μ-Bereich (1 μ = 0,001 mm) liefert. Hier können die Spezialisten im Werk Stuttgart-Untertürkheim die Bruchstelle genau analysieren und Aussagen darüber treffen, ob die Rissbildung von einem Gießfehler oder beispielsweise von einer ungünstigen Phasenausbildung im Metallgefüge ausgeht. Ein Riss, der von einem intakten Metallgefüge ausgeht, weist auf eine eventuelle konstruktive Schwachstelle hin. Auch hier folgt die Rückmeldung an die betreffenden Entwicklungsbereiche oder den Zulieferer, wie diese Schwachstellen beseitigt werden müssen.
Industrielle Computertomografie
Während bei den Untersuchungen mit dem Auflicht- oder Rasterelektronenmikroskop zur Herstellung der Proben immer eine Zerstörung des Testrades notwendig ist, ergänzen zerstörungsfreie Prüfungen die Entwicklungsphase und leisten einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle der späteren Serienproduktion beim Zulieferer. Zerstörungsfreie Analysen sind notwendig, wenn beispielsweise ein Leichtmetallrad nach den Untersuchungen für weitere Tests zur Verfügung stehen muss. In den Röntgenanlagen im Daimler-Werk Mettingen werden die Räder in der Abnahmephase durchleuchtet. Im Röntgenbild erkennen die Spezialisten Lunker und Fehlstellen ab einer Größe von 0,3 Millimetern.
Sollten noch genauere zerstörungsfreie Einblicke nötig werden, kommt die Computertomografie (CT) zum Einsatz. Dieses aus der Medizin bekannte Verfahren hat die Daimler AG bereits 1995 für die industrielle Nutzung eingeführt. Zurzeit steht im Werk Stuttgart-Untertürkheim der wohl modernste industriell genutzte CT weltweit. Daimler hat diese Anlage, die eine Auflösung von 5 μ bietet, komplett selbst entwickelt und gebaut. Diese hohe Kompetenz hat sich inzwischen in der gesamten Industrie herumgesprochen. So konnten die Tomografie-Mitarbeiter oftmals auch „artfremde“ Hilfestellung geben, zum Beispiel EADS bei der Optimierung der Ariane-Triebwerke.
Im Unterschied zur Röntgenuntersuchung, die nur ein zweidimensionales Bild liefert, ergeben sich im CT dreidimensionale Darstellungen. Sie entstehen durch das schichtweise Röntgen der Räder. Das dreidimensionale Bild errechnet ein Computerverbund (Cluster) mit einem Arbeitsspeicher von 54 Gigabyte aus den bis zu 2.880 einzelnen Röntgenschichtbildern, die der CT in einem komplett bleigekapselten Raum horizontal und vertikal von dem Rad erstellt.
Somit können Schwachstellen aus dem Gießprozess wie Lunker oder Gaseinschlüsse räumlich und größenmäßig exakt bestimmt werden. In Verbindung mit den Tests auf den Prüfständen lassen sich mit diesen CT-Auswertungen Aussagen treffen, wo kleinste Störungen möglicherweise große funktionelle Auswirkungen haben. Diese Bauteilbereiche werden gießtechnisch und konstruktiv optimiert. Außerdem lassen sich diese Erkenntnisse auf zukünftige Radentwicklungen übertragen.
Vorgaben für die Serienproduktion
Der am Daimler-Stammsitz in Stuttgart-Untertürkheim ansässige Unternehmensbereich Produktions- und Werkstofftechnik übernimmt eine wichtige Rolle bei der Planung und Kontrolle der externen Räderfertigung. Die Spezialisten legen die Basis-Metalllegierung fest, die einerseits gute Gießeigenschaften bieten muss und gleichzeitig beste Voraussetzungen für die Einstellung der geforderten mechanischen Eigenschaften besitzt. Das Gießverfahren nach dem Niederdruckkokillenguss (siehe weiter hinten) muss in der späteren Fertigung ebenfalls unter optimalen Bedingungen ablaufen. Ebenso wichtig sind die vom Fahrzeughersteller geforderte 100-Prozent-Röntgenprüfung im laufenden Produktionsprozess und eine exakte Wärmebehandlung zur Einstellung der mechanischen Eigenschaften.
Beschichtungssysteme: Mehr Sein als Schein
In der Entwicklungsphase eines neuen Leichtmetallrades, besonders bei glanzgedrehten Bicolor-Rädern, sind Aussagen über die Korrosionsbeständigkeit sehr wichtig. Hier übernehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Korrosionsprüfzentrum und in der Lackentwicklung eine wichtige Aufgabe und untersuchen unter genormten Bedingungen Materialproben oder komplette Räder. Zusätzlich kontrollieren sie auch die Materialien und Prozesse in der laufenden Produktion. Dazu steht eine Reihe von effektiven Verfahren zur Verfügung.
Spezielle Testreihen für glanzgedrehte Räder
Glanzgedrehte Leichtmetallräder erfordern einen ganz speziellen Lackaufbau, der besonders die scheinbar blanken Metallflächen vor korrosiven Angriffen zuverlässig schützt. Im Herstellungsprozess werden diese Räder zunächst komplett lackiert. Anschließend wird der Lackaufbau in bestimmten Bereichen der Radschüssel, meist auf den Speichen, durch eine Drehmaschine mit sehr feinen Bearbeitungswerkzeugen wieder entfernt. Es entsteht eine hochglänzende Metalloberfläche, die in einem erneuten Lackierungsprozess transparent versiegelt wird. Ihren besonderen Reiz beziehen diese Räder aus dem Kontrast zwischen den farbig lackierten Bereichen und der hochglänzenden Metalloberfläche.
In der Entwicklungsphase definierten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lackentwicklung anspruchsvolle Ziele. Die Herausforderung: Die bei glanzgedrehten Rädern auftretende „Filiform“-Korrosion – dabei wird der Lack im Bereich der metallisch glänzenden Flächen zunächst fadenförmig (filiform) unterwandert – sollte zuverlässig verhindert werden. Meist folgen die Filiform-Fäden den mikroskopisch kleinen Riefen, die durch das Drehwerkzeug beim Glanzdrehen verursacht werden. Im fortgeschrittenen Stadium können sich dann die Lackschichten teilweise ablösen – es kommt zur sogenannten Delamination. Mit den neu entwickelten Korrosionsschutzlacken, die bei allen Zulieferern im Produktionsprozess für glanzgedrehte Räder von Mercedes-Benz zum Einsatz kommen, gehört die Filiform-Korrosion der Vergangenheit an.
Folterkammern für Lackierungen stressen die Räder
Zur Entwicklung der neuen Korrosionsschutzlacke für glanzgedrehte Räder wurden härteste Testmethoden eingeführt: Es sind ultimative Prüfungen für die Räderbeschichtungen. Zunächst präparieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Korrosionsprüfzentrum einzelne Radsegmente im glanzgedrehten Bereich mit tiefen Ritzen, die bis auf das blanke Leichtmetall reichen. Anschließend kommen die so präparierten Radsegmente für 24 Stunden in den sogenannten CASS-Test (copper accelerated salt spray test = beschleunigter Kupfer-Salzsprühtest). In der truhenähnlichen Anlage werden die Lackierungen permanent verschiedenen, hoch korrosiven Salznebeln ausgesetzt. Anschließend wartet die Filiform-Kammer auf die Probanden. Hier müssen die teilweise mit einer Salzkruste aus dem CASS-Test bedeckten Prüfteile einem 28-tägigen Klimawechselprogramm trotzen. Bei der anschließenden Begutachtung bewerten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die von den Ritzen fadenförmig ausgehende Filiform-Korrosion. Es erhalten nur diejenigen Korrosionsschutzlacke eine Freigabe, die eine Unterwanderung auf ein Minimum reduzieren und sich gleichzeitig nicht negativ auf andere Eigenschaften auswirken.
Der Klimawechseltest-Daimler, kurz KWT-D, orientiert sich an den extremsten Klimaanforderungen weltweit. In speziellen Klimakammern werden einzelne Räder ständig wechselnden Umweltbedingungen ausgesetzt. Die unterschiedlichen Klimabelastungen basieren auf weltweiten Wetterdaten, Schmelzwasseranalysen und Schadstoffangaben der Luft. Der KWT-D bildet verschiedene Klimazonen ab. So wurden beispielsweise eine Heiß-Feucht-Phase zur Simulation eines Tropenklimas und eine Kältephase zur Simulation der Kaltländer integriert. Aus dem automobilen Alltag kommen die verschiedenen Feuchte- und Klimaverläufe wie eine morgendliche Betauung und eine nachmittägliche Abtrocknung. Zusätzlich wird das zu prüfende Rad vier Mal pro Woche mit einer Salzlösung besprüht, damit die korrosive Belastung initiiert und verstärkt wird. Der KWT-D stresst die Korrosionsschutzmaterialien der Leichtmetallräder erheblich mehr als der Klimawechseltest nach Angaben des VDA und läuft zudem schneller ab. In der gleichen Zeitspanne können also mehr Testreihen durchgeführt werden. Letztendlich profitieren auch Kunden in Ländern, die das Korrosionsschutzsystem weniger belasten, von dem Stressmarathon und den daraus resultierenden erhöhten Schutzmaßnahmen. Denn einen Unterschied zwischen Rädern, die in Gegenden extremer Klimate oder im heimischen Markt ausgeliefert werden, gibt es nicht.
Labortests untersuchen die Widerstandsfähigkeit der Lacke
In Ergänzung des Klimawechseltests-D sowie der CASS- und Filiform-Prüfungen werden in den Labors unterschiedlichste Steinschlagtests, Ritz- oder Kratzprüfungen oder eine Dampfstrahlprüfung durchgeführt, die Kältebeständigkeit überprüft und damit die mechanische Widerstandsfähigkeit der Lackierung unter genormten Laborbedingungen beurteilt. Zusätzlich können die so vorgeschädigten Proben aggressiven Korrosionsbelastungen ausgesetzt werden. Mit diesen Versuchsreihen können die Labormitarbeiter die Unterwanderung der Lackschichten durch Korrosion auch bei herkömmlich lackierten Rädern beurteilen.
Bei aller Auswertetechnik und Laboranalyse spielt auch die praktische Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wichtige Rolle. So können langjährige Angehörige des Mercedes-Korrosionsprüfzentrums die Qualität einer Lackierung recht genau im Schnelldurchgang „erfühlen“. Dazu kratzen sie mit einem Messer eine kleine Lackprobe ab und zerreiben das Material zwischen den Fingern. Die Konsistenz und der spezifische Widerstand der Lackprobe gibt ihnen einen ersten Eindruck über die Qualität der Lackierung.
Die Einhaltung der Farbe und den Glanz der Lackoberflächen beurteilen die Farbspezialisten in eigenen Lichtkabinen mit konstanter Farbtemperatur und Lichtintensität. Dazu greifen sie auf ein umfangreiches Archiv mit Lackmusterkarten zurück.
Praxistest auf den Dächern der Produktionshallen
In der Versuchsreihe „Freibewitterung“ werden Räder aus dem laufenden Produktionsprozess und aus Betriebsversuchen, in denen neue Lacke erprobt werden, ausgeschleust und für einen besonderen Langzeittest vorbereitet. Nachdem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Lackierung einer detaillierten Qualitätsprüfung unterzogen haben, wird die lackierte Oberfläche in genau definierten Bereichen mit tiefen, bis auf das Leichtmetall durchdringenden Ritzen vorgeschädigt. Das kommende Jahr verbringen die so vorbereiteten Radabschnitte auf dem Dach einer Produktionshalle und müssen dort den natürlichen Umweltbedingungen im schwäbischen Sindelfingen und zusätzlichen regelmäßigen Salzsprühattacken eines Mitarbeiters trotzen. Diese Testreihe wird mit allen Leichtmetallrädern durchgeführt und ergänzt das umfangreiche Prüfprogramm in den Labors.
250 Radmodelle durchlaufen jährlich das Korrosionsprüfzentrum
Rund 250 Räder im Jahr durchlaufen den Testmarathon. Es kommen jedoch nicht nur neue Radmodelle zur Freigabe auf den Prüfstand. Das umfangreiche Prüfprogramm führen die Spezialisten auch dann durch, wenn ein Radzulieferer neue Materialien wie Basislacke, Klarlacke, funktionelle Lacke wie Korrosionsschutzlacke, Grundierungen oder Vorbehandlungen einsetzen will. Die Änderungen erhalten nur dann eine „Materialgrundsatzfreigabe“, wenn alle Prüfungen anstandslos absolviert sind. Gleichzeitig werden auch aus der laufenden Produktion Räder auf die Einhaltung der strengen Qualitätskriterien überprüft. Wie stressig die Testreihen in den Klimakammern wirklich sind, beweist auch der enorme Salzverbrauch im Korrosionsschutzzentrum: Rund fünf Tonnen benötigen die Anlagen jährlich. Verbrauchtes Salz wird im Keller der Prüfhallen aufgearbeitet.
Produktion: Beste Qualität von den Zulieferern
Mercedes-Benz vertraut bei der Herstellung von Leichtmetallrädern weltweit nur wenigen Zulieferern. Diese Unternehmen verfügen über ein hohes Know-how und fertigen nach den Mercedes-Vorgaben. Zahlreiche Prüfprozesse sowohl in der laufenden Fertigung wie in den Labors garantieren das Qualitätsniveau. Dazu gehören unter anderem die Kontrolle des Rohmaterials bei der Anlieferung und der Weiterverarbeitung, eine 100-prozentige Röntgenprüfung, Dichtheitsprüfungen, die laufende Kontrolle der engen geometrischen Daten und des Rundlaufs bei der mechanischen Bearbeitung sowie die Überwachung des Lackierprozesses. Am Beispiel eines Werkes eines solchen Zulieferers lässt sich die Radproduktion auf dem von Mercedes-Benz geforderten Qualitätsniveau gut beschreiben:
Heißer Beginn in der Gießhalle
Als Grundmaterial für die Leichtmetallräder kommen immer Primärlegierungen zum Einsatz, ergänzt mit den Metallrückständen aus der eigenen Produktion, wie Bearbeitungsspäne und fehlerhafte Räder aus der laufenden Produktion. Die Temperatur im Schmelzofen muss in einem engen Korridor von um die 775 Grad Celsius gehalten werden. Nach dem Abstich der flüssigen Aluminiumlegierung und dem anschließenden Reinigen der Schmelze mit speziellen Zusätzen transportieren die Mitarbeiter die sogenannte Transportpfanne zu den eigentlichen Gießmaschinen und füllen das flüssige Metall um.
Aluminiumgussräder für Mercedes-Benz werden ausschließlich im Niederdruckkokillenguss hergestellt. Das funktioniert so ähnlich wie eine althergebrachte Espressomaschine, die man auf die Herdplatte stellt. Hier wie dort treibt ein Überdruck im unteren Behälter die Flüssigkeiten über ein Steigrohr nach oben. Bei der Espressomaschine fließt das Wasser durch den Filter in die obere Kanne, bei der Gießmaschine fließt die flüssige Aluminiumschmelze in die oben liegende Gussform. Auch hier gilt es, einen engen Temperaturkorridor einzuhalten, damit das Metall durch die Form fließen kann und nach einem genau eingestellten Ablauf erstarrt. Sowohl das Gießverhalten als auch der Erstarrungsprozess werden in der Entwicklungsphase eines neuen Rades exakt simuliert. Nach der Erstarrung wird die mehrteilige Kokille geöffnet und der Radrohling vollautomatisch zur nächsten Station befördert.
Alle Räder durchlaufen nach dem Gießen eine vollautomatische Röntgenanlage. In gekapselten Kabinen durchleuchtet die Röntgenanlage die noch unbehandelten Rohlinge und analysiert die entstehenden Bilder in Echtzeit. Gießfehler wie Lunker (Lufteinschlüsse) oder Poren, die zu einer verminderten Stabilität des Rades führen können, werden zuverlässig diagnostiziert. Die betreffenden Räder schleust die Anlage aus, anschließend werden diese Teile erneut eingeschmolzen.
Mercedes-Benz-Räder werden ausschließlich aus der warm ausgelagerten Aluminiumlegierung Gk-AlSi7 gefertigt. Dieses Material erreicht durch eine dem Gießprozess folgende, dreistufige Wärmebehandlung seine außerordentlich hohe Festigkeit. Vor dem Abschrecken im Wasserbad werden die Radrohlinge beim „Lösungsglühen“ zunächst auf eine Temperatur von rund 530 Grad Celsius gebracht, abschließend erfolgt das mehrstündige Warmauslagern bei rund 150 Grad Celsius. Dabei erhält der Aluminiumwerkstoff seine endgültige Festigkeit.
„Flowforming“
Das „Flowforming“-Verfahren ist in Verbindung mit gegossenen, einteiligen Aluminiumrädern ein relativ junges Bearbeitungsverfahren. Grundsätzlich bieten Räder, die nach dem „Flowforming“ bearbeitet wurden, das Beste aus zwei Welten. Zum einen bleibt für die Designer die große Gestaltungsfreiheit eines gegossenen Rades erhalten, zum anderen bekommt das „Flowforming“-Rad Vorteile sehr teuer und aufwendig zu produzierender Schmiederäder: eine hohe Festigkeit bei optimiertem Bauteilgewicht.
Der Fertigungsablauf beim „Flowforming“: Zunächst wird wie bei der bereits beschriebenen Radproduktion ein Rohling gegossen, der allerdings ein sehr schmales Felgenbett mit einer deutlich höheren Wandstärke hat. Nach dem Erhitzen auf rund 350 Grad Celsius wird dieser Rohling auf einen nach oben leicht konisch verlaufenden Zylinder gespannt. Rohling und Zylinder rotieren, während sich von außen drei ebenfalls rotierende Rollköpfe mit hohem Druck von rund 120 Tonnen an den Rohling pressen und nach unten fahren. Dabei wird das Metall über dem Zylinder in die gewünschte Form gebracht, also fließend verformt („Flowforming“) und gleichzeitig verdichtet. Das so entstandene Felgenbett hat ein schmiedeähnliches Gefüge mit höchster Stabilität bei geringstmöglichem Gewicht. Die anschließende Wärmebehandlung verleiht dem „Flowforming“-Rad dann seine endgültige Festigkeit.
Die mechanische Bearbeitung
Alle Räderrohlinge werden anschließend in mehreren mechanischen Bearbeitungsschritten in ihre finale Form gebracht. In diesem Produktionsbereich, wo eine zuverlässige Maßhaltigkeit im Fertigungsprozess und eine hohe Genauigkeit unbedingt nötig sind, kommen ausschließlich computergesteuerte Bearbeitungsmaschinen zum Einsatz, die Fertigungstoleranzen von wenigen Hundertstel Millimetern einhalten. Folgende Radbereiche werden hier in Dreh-, Fräs- und Bohrzentren ausgeformt:
• Felgenbett – der Teil des Rades, auf dem später der Reifen sitzt
• Äußeres Felgenhorn – Abschlussprofil am Umfang des Rades
• Anlagefläche – hiermit liegt das Rad an der Radnabe des Fahrzeugs an
• Mittenzentrierung – das korrekte Maß garantiert einen zentrischen Sitz des Rades auf der Radnabe
• Klemmsitz – Nut in der Mittenzentrierung; hier wird später der Nabendeckel eingefügt
• Radschraubenlöcher – alle Mercedes-Benz-Räder haben eine kugelförmige Kontaktfläche (Kugelkalotte) zwischen Radloch und -schraubenkopf
• Ventilloch – die exakte Ausrichtung ist sehr wichtig für die Reifendruckkontrollsensoren, die mit dem Ventil verbaut werden
• „Bremskontur“ – an der Innenseite der Radschüssel und der Felge, die den nötigen Freigang für die Bremsanlage garantiert
Im laufenden Produktionsprozess kontrollieren in die einzelnen Fertigungszentren integrierte Messeinrichtungen die Güte der Bearbeitung. Sollte sich ein Bearbeitungsschritt den engen Toleranzgrenzen nähern, korrigiert sich die Maschine vollautomatisch. Zusätzlich fordert Mercedes-Benz autarke 100-Prozent-Kontrollen: So wird die Mittenzentrierung gesondert vermessen, eine weitere Messstation detektiert zuverlässig unzulässige Unwuchten.
Im letzten Prüfdurchgang vor der Lackiererei durchlaufen alle Räder eine automatisierte Dichteprüfung. Dabei wird das Rad zwischen zwei gummibeschichteten Stahlplatten eingeklemmt und mit dem Edelgas Helium beaufschlagt. Heliumsonden außerhalb des Rades erkennen kleinste Mengen austretendes Gas und können so Leckagen diagnostizieren. Die betreffenden Räder werden aus dem Produktionsprozess ausgeschleust. Da das Edelgas eine wesentlich kleinere Molekülstruktur hat als Luft, werden auch kleine Undichtigkeiten erkannt.
Glänzende Ergebnisse in der Lackiererei
Im ersten Schritt des Produktionsbereiches Lackiererei durchlaufen die Räder eine gigantische Spülmaschine von knapp hundert Meter Länge. Hier werden die Räder gewaschen und entfettet. Danach wird eine Grundbeschichtung aufgebracht, die als Haftvermittler zwischen dem blanken Metall und der folgenden Beschichtung fungiert und gleichzeitig einen ersten Korrosionsschutz bewirkt. Mit der folgenden, elektrostatisch aufgebrachten Pulverbeschichtung, die in einem Ofen eingebrannt wird, bekommen die Räder ihre volumenmäßig stärkste Schicht; sie dient zum Ausgleich winziger Rauigkeiten an der Radoberfläche. Im Anschluss kontrollieren besonders geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit viel Fingerspitzengefühl in speziellen Lichtkammern das Ergebnis der ersten Beschichtung und können minimale Unebenheiten bearbeiten. Ist dies nicht möglich, wird das entsprechende Rad aus dem Produktionsprozess ausgeschleust. Danach applizieren Lackierroboter unter Reinraumbedingungen den farbgebenden Basislack und – als finale Versiegelung – den Klarlack. In einer finalen Prüfstation werden die Räder für den Versand freigegeben.
Abgedrehte Bearbeitung für Bicolor-Räder
Mercedes-Benz und Mercedes-Benz Accessories bieten besonders attraktive Bicolor-Räder an, die einen interessanten Kontrast zwischen der scheinbar blanken Metalloberfläche und der Lackierung bieten. Diese Räder werden mit einem erheblichen Zusatzaufwand hergestellt, spezielle Beschichtungen verhindern korrosive Angriffe.
Nach der oben beschriebenen Lackierung schleust die Anlage diese Räder aus dem Fertigungsprozess aus und transportiert sie zu besonderen Drehmaschinen, die mit Diamantwerkzeugen die Lackschichten in genau definierten Bereichen wieder entfernen – meist auf den Speichen oder im äußeren Felgenbett. Durch dieses sogenannte „Glanzdrehen“ entstehen metallisch hochglänzende Bereiche, die im Kontrast zur verbleibenden Lackierung stehen. Natürlich müssen diese mit einem erneuten Lackierprozess wieder versiegelt werden. Dies geschieht mit einem dreischichtigen Aufbau: Nach einer erneuten Vorbehandlung folgt der Auftrag eines speziell transparenten Korrosionsschutzlacks; den glänzenden Abschluss bilden verschiedene Klarlacke. (Siehe Darstellung 2)
Fertigungskontrolle in den Werkslabors
Natürlich wird der laufende Produktionsprozess auch in den Labors des Herstellers nach den Maßgaben von Mercedes-Benz genau überwacht. Hier führen die Labormitarbeiter unter anderem folgende Untersuchungen durch:
• Eingangskontrolle der angelieferten Primärlegierung Gk-AlSi7 im Spektrometer
• Prüfung der Zugfestigkeit mit speziell präparierten Radproben
• Mikroskopische Untersuchung des Metallgefüges im fertig produzierten Leichtmetallrad
• Kontrolle der Maße in einer 3-D-Messmaschine
Eine direkte Anbindung des Labors an den Produktionsprozess und standardisierte Kommunikationsstrategien erlauben im Bedarfsfall eine schnelle Korrektur der Fertigung. dv
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