Neuer Bohnenkamp-Chef Christoph Geyer im Interview

Der vor wenigen Wochen nach 17 Jahren im Amt in den Ruhestand verabschiedete Vorstandsvorsitzende Willi-Bernd Bothe hat die Osnabrücker Bohnenkamp AG bis zur eindeutigen Marktführerschaft im Landwirtschaftsreifenbereich geführt. Das konnte er nur mit einem hochkompetenten und loyalen Mitarbeiterteam, an dem auch sein Nachfolger Christoph Geyer (50) in vollem Umfang festhalten will. Geyer, der seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Stadt Osnabrück lebt, kommt zwar eher aus dem produzierenden Bereich eines international agierenden Unternehmens (der KME-Gruppe), bringt aber durchaus auch Handelserfahrung mit und lässt auch nicht unerwähnt, dass er in den frühen Jahren seiner beruflichen Karriere sogar drei Jahre im Außendienst auf der Straße unterwegs war. Im Juli 2010 bereits in den Bohnenkamp-Vorstand berufen und öffentlich zum designierten Bothe-Nachfolger erklärt, hat er im September den Vorstandsvorsitz übernommen. Jetzt hat sich Christoph Geyer in einem ersten Interview für eine Fachzeitschrift nach Amtsantritt erstmals zu seinen Plänen für Bohnenkamp in der Landwirtschafts- und Reifenbranche geäußert. Als langjährig Branchenerfahrener nahm der Gesamtvertriebsleiter der Bohnenkamp AG Wolfgang Lüttschwager an dem Gespräch teil.

NEUE REIFENZEITUNG: Herr Geyer, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch im noch neuen Job und in einer spannenden Branche, in der viel Spezialistenwissen gefragt ist.

Christoph Geyer: Vielen Dank. Ich habe tatsächlich in den letzten Monaten schon viel gelernt und musste erkennen, dass die Reifenbranche doch eine ganze Reihe Besonderheiten hat. Die Entwicklung der Bohnenkamp AG, die erst unlängst ihren 60. Geburtstag begehen konnte, in den letzten ein, zwei Jahrzehnten zum klaren Marktführer im Segment der Landwirtschaftsreifen und zur jetzigen Größe habe ich als eine enorme Leistung begriffen, für die nicht zuletzt mein Vorgänger und sein engstes Management, letzten Endes aber eine höchst kompetente und loyale Mannschaft höchsten Respekt verdienen. In personeller Hinsicht will ich daher unbedingt auf Kontinuität setzen und freue mich auf die kompetente Unterstützung dreier langjähriger Prokuristen: Wolfgang Lüttschwager (Gesamtvertriebsleiter, d. Red.), Harm Jonkeren (Einkaufsleiter) und Peter Steinkamp (Logistik).

NEUE REIFENZEITUNG: Die Bohnenkamp AG ist klarer Marktführer im deutschen Landwirtschaftsreifengroßhandel und auch in der Erstausrüstung gut verankert sowie mit allerlei geschäftlichen Verbindungen in weitere europäische Länder gut vernetzt in dieser Branche. Ist es Ihr Ziel, diese Position zu halten?

Christoph Geyer: Das wäre mir zu wenig. Die altbekannte Weisheit „Stillstand ist Rückschritt“ entspricht meiner vollsten Überzeugung. Ich bin nicht zum Unternehmen gekommen, um einen Istzustand zu verwalten, sondern will neue Schwerpunkte setzen und die langfristige Strategie – wobei ich von einem Zeitraum von erst einmal etwa zehn Jahren ausgehe – neu ausrichten. Völlig neue Wege werden wir nicht beschreiten, aber neue Akzente setzen.

NEUE REIFENZEITUNG: Der Abstand zur Nummer 2 im deutschen Großhandel ist beachtlich, der zur Nummer 3 riesig. Ist da überhaupt noch Potenzial?

Christoph Geyer: Aber ja, zum Beispiel den Abstand, den Sie nennen, noch zu vergrößern. Bohnenkamp hat es über die letzten Jahre – das Krisenjahr 2009 müssen wir da als Sonderfall herausnehmen – immer wieder geschafft, organisch zu wachsen, und zwar kräftig und über dem Durchschnitt der Marktentwicklung. Das soll so bleiben. Ich werde aber keinen sinnlosen Kampf um Marktanteile vom Zaun brechen, Marktanteilsgewinne sind kein Selbstzweck. Wir wollen einfach jeden Tag noch ein wenig besser werden, zum Beispiel und vor allem im Service. Die Beurteilung, ob es uns gelungen ist, unsere Leistungen nochmals zu verbessern, liegt ohnehin nicht bei uns, sondern beim Markt.

NEUE REIFENZEITUNG: Potenzielles Wachstum liegt auch in weiterer Internationalisierung. Bohnenkamp hat 2006 in der Stadt Modra (Slowakei) ein eigenes Tochterunternehmen gegründet und den Großhändler Agriband in Veenendaal (Niederlande) übernommen. Akquisitionen oder Neugründungen im Ausland? Gibt es da Präferenzen? In der Landwirtschaftsbranche wird häufig das Potenzial osteuropäischer Länder herausgestellt.

Christoph Geyer: Einen Königsweg gibt es nicht, das ist jeweils von Fall zu Fall zu entscheiden und abhängig von ganz individuellen Begleitumständen. Die aus meiner Sicht sehr geglückte Übernahme von Agriband konnte ich ja bereits als neues Bohnenkamp-Vorstandsmitglied begleiten und ich sehe durchaus, dass eine Akquisition den großen Vorteil bietet, neben einer eingespielten Mannschaft auch einen Markt zu übernehmen. Aber die Unternehmenskultur einer übernommenen Firma muss auch zur Unternehmenskultur des Übernehmers passen, dabei spielt sich viel auf einer menschlichen Ebene ab. Und die Anpassung bestimmter Prozesse, die ja Synergien bringen soll, ist nicht so einfach, wie man sich das vielleicht von außen vorstellt, beispielsweise hinsichtlich einer einheitlichen EDV. Wir blicken jedenfalls sehr unaufgeregt in alle Himmelsrichtungen, nicht nur nach Osteuropa, und haben das finanzielle Polster, Gelegenheiten, die uns vorteilhaft erscheinen, zu ergreifen. Etwas übers Knie brechen werden wir nicht.

Wolfgang Lüttschwager: Bohnenkamp ist durch die langjährige Geschichte auch mit Großhandelsunternehmen in Nord-, West- und Südeuropa partnerschaftlich verbunden. Sollte es da bei der einen oder anderen Adresse einmal Bedarf für ein Gespräch geben, weil beispielsweise eine Unternehmensnachfolge nicht intern geregelt werden kann, stünden wir gewiss parat. Aber natürlich realisieren wir auch, dass langfristig bei der Verteilung der EU-Subventionen Osteuropa profitieren wird und dort eine landwirtschaftliche Infrastruktur herrscht, die mehr Möglichkeiten bietet als schon aufgrund der Kleinflächigkeit manche westeuropäischen Regionen. Der Bedarf an modernem Equipment in Osteuropa ist da, und es sei auch nicht verschwiegen, dass uns auch große Erstausrüster fragen, ob wir sie nicht dorthin aktiv begleiten können.

NEUE REIFENZEITUNG: Landwirtschaftsreifen stellen ganz gewiss die Kernkompetenz des Unternehmens dar. Darüber hinaus widmet sich das Unternehmen aber – wie ein Blick auf das Angebotsportfolio zeigt – auch anderen Subsegmenten des Reifenmarktes. Ist das als eine Diversifikation innerhalb des Reifenbereiches zu verstehen?

Christoph Geyer: Unser Produktportfolio ist sehr präzise aufgestellt. Richtig ist, dass Bohnenkamp immer stärker neben der langjährigen Domäne der Land- und Forstreifen auch in das Segment der EM-, MPT- und Industriereifen hineinwächst. Das ist auch durchaus so gewollt und hängt auch mit den Produktangeboten von Industriepartnern zusammen, die sich als OTR-Anbieter verstehen. Bohnenkamp ist nutzfahrzeugorientiert und wird das auch bleiben. In welche Teilsegmente und Nischen wir gehen, das wird bei uns durchaus diskutiert. Wenn wir uns aber entschlossen haben, eine Ergänzung des Programmes aufzunehmen, dann können unsere Kunden gewiss sein, dass das keine kurzfristige Aktion ist, sondern die gleiche Kontinuität haben wird, die mit dem Unternehmen assoziiert wird.

Wolfgang Lüttschwager: Ein gutes Beispiel dafür ist das Geschäft mit Lkw- und Trailerreifen der Marke Wind Power (produziert bei Aeolus, d. Red.). Das Angebot hat sich etabliert. Von unserem Selbstverständnis her als Großhändler verstehen wie uns als ein dem Einzelhandel dienendes Unternehmen. Und die Reifenhändler bedienen wir täglich mit Reifen und Stahlrädern unserer Partner. Wenn wir schon diesen ausgezeichneten Zugang zu den vielen Outlets haben und die auch von uns mit anderen Reifen als denen für die Agrarwirtschaft beliefert werden wollen, warum dann nicht? Gut angelaufen ist in diesem Segment auch die Zusammenarbeit mit Kumho, erste vielversprechende Ansätze einer Zusammenarbeit mit Sumitomo bzw. deren Marke Falken sind kein Geheimnis.

NEUE REIFENZEITUNG: Ab einer bestimmten Größenordnung fragen sich Grossisten gerne, ob sie nicht eine Eigenmarke entwickeln sollten.

Christoph Geyer: Unsere Kernkompetenz ist das Handeln mit Produkten. Die jahrelange tiefe Zusammenarbeit mit der Premiummarke Michelin, die bei Nutzfahrzeugreifen die Nummer Eins des Marktes ist, belegt das. Auch für im Markt wichtige Marken wie beispielsweise Trelleborg sind wir ein natürlicher Vertriebspartner. Wir pflegen gute Beziehungen zu Anbietern von Premiumansprüchen über „Value“- bis hin zu Budgetmarken. Darüber hinaus ist Bohnenkamp seit mehr als einem Jahrzehnt für BKT und seit knapp einem Jahrzehnt für Alliance in einer ganzen Reihe von europäischen Märkten Exklusivpartner beim Vertrieb. Das sind international ganz hervorragende und anerkannte Nutzfahrzeugreifenhersteller, deren Produkte wir vermarkten, als seien sie unsere eigenen. Kurzfristig ist also keine Notwendigkeit zu erkennen, zusätzlich eine Eigenmarke zu entwickeln.

Wolfgang Lüttschwager: Gerade mit der Marke BKT schreiben das Industrieunternehmen und wir als Handelspartner derzeit gemeinsam eine große Erfolgsstory, die alle Partner begeistert.

NEUE REIFENZEITUNG: Ist das Produkt- und Markenportfolio damit ausgereizt?

Christoph Geyer: Es wird immer wieder neue Bewegungen geben. Wir gleichen unser Angebot zum Beispiel mit ökologischen Entwicklungen ab, die wir begleiten wollen. Diesen Zug wird Bohnenkamp nicht verpassen.

Wolfgang Lüttschwager: Vor Jahren noch fast undenkbar, kommen jetzt sogar auf Erntemaschinen Stahlgürtelreifen zum Einsatz. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, ob es für diese Hightech-Produkte nicht ein zweites Leben geben muss, sprich eine Runderneuerung. Wie im Lkw-Bereich der Spediteur, so ist ganz ähnlich im Landwirtschaftsbereich der Lohnunternehmer ständig auf der Suche nach kostengünstigen Lösungen. Auf seine Fragen werden wir Antworten geben.

NEUE REIFENZEITUNG: Herr Geyer, Sie sind zu einem Zeitpunkt zu Bohnenkamp gekommen, als viele mittelständische Unternehmen nach der großen Wirtschaftskrise ihre Wunden leckten.

Christoph Geyer: 2009 war auch für Bohnenkamp kein leichtes Jahr. Mit Einbußen in der Größenordnung von 15 Prozent sind wir allerdings besser über das Jahr gekommen als manch anderer. Unsere Grundauslastung konnten wir fast halten, das ist im Nachhinein betrachtet ein sehr gutes Resultat und hat verhindert, dass das Unternehmen zu schmerzhaften innerbetrieblichen Maßnahmen greifen musste. Wie es jetzt aussieht (das Gespräch hat Anfang November stattgefunden, d. Red.) haben wir gute Chancen, auf das Niveau des Bohnenkamp-Rekordjahres 2008 schon jetzt zurückzukehren. Zumal wir auch noch in den eigentlich eher schwachen Monaten November und Dezember über Aufträge verfügen, weil Gerätehersteller bereits ihre Produktion fürs Frühjahr 2011 aufgenommen haben und diese von uns als Erstausrüstungslieferant bedient werden.

NEUE REIFENZEITUNG: Die letzten Jahre des Unternehmens waren auch dadurch gekennzeichnet, dass für die Bohnenkamp AG ein Stiftungsmodell entwickelt wurde. Ist das zu Ende entwickelt?

Christoph Geyer: Das Modell ist für die Ewigkeit angelegt! Aber Spaß beiseite, Eignerfamilie und Aufsichtsrat haben im Jahre 2009 ein Stiftungsmodell auf die Beine gestellt, das einmalig sein dürfte, in dieser Region auch in der Größenordnung. 49,5 Prozent der Unternehmensanteile liegen bei der „Friedel und Gisela Bohnenkamp Stiftung“, die sich primär um das Thema Bildung kümmert. Während andere Stiftungsmodelle von den Zinsen eines Stiftungskapitals zehren, fließen bei uns jedes Jahr 49,5 Prozent der Unternehmenserlöse in die Aktivitäten der Stiftung. 49,5 Prozent der Anteile liegen bei der Familie Bohnenkamp, die also wie bisher ihre Dividende erhält, aber aufgrund fehlender Stimmrechte keinen Einfluss auf das operative Geschäft nehmen kann. Dieses Modell sichert dem Unternehmen einerseits eine langfristige Zukunft und gibt den Mitarbeitern Sicherheit. Andererseits bewirkt die Namensnennung Bohnenkamp im Zusammenhang mit zahlreichen sozialen Projekten im Raum Osnabrück, dass wir alle stolz auf unser Unternehmen sein und daraus Motivation ableiten können. detlef.vogt@reifenpresse.de 

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