Devulkanisation ist reif für die Markteinführung
Das mechanisch-chemische Devulkanisationsverfahren von Sekhar Research Innovations (SRI) ist jetzt reif für die umfassende Markteinführung. Wie Gopinath B. Sekhar, Firmengründer und CEO des malaysischen Unternehmens, im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG betont, habe man die „Labor- und Entwicklungsphase“ des als revolutionär beschriebenen Verfahrens zur Wieder- und Weiterverwendung von Altreifenmehlen nun abgeschlossen. Die erste Produktionsstätte in Malaysia, in der jährlich bis zu 27.000 Tonnen des sogenannten „SRI Compound Masterbatch“ als Rohstoff für Neureifenmischungen gefertigt werden können, läuft jetzt. Und in Kooperation mit einem malaysischen Reifenhersteller sind erste LLkw-Reifen auf Basis der SRI-Mischungstechnologie gefertigt worden; sie sind auf der Straße im Einsatz. Für die Einführung dieses „Weltproduktes“, so Sekhar weiter, wolle man in Europa und den USA mit Lizenznehmern zusammenarbeiten und hoffe darauf, vonseiten der Neureifen- und Runderneuerungsindustrie bei der Markteinführung unterstützt zu werden – intensive Tests bei vielen Herstellern weltweit liefen derzeit.
Bisher habe es kein Verfahren gegeben, mit dem kostengünstig und in großen Mengen devulkanisierter Gummi gefertigt werden konnte, auch wenn viele Unternehmen sich an dem Problem der Aufspaltung der durch die Vulkanisation entstehenden Schwefelverbindungen versucht haben, ohne dabei auch den eigentlichen Kautschuk in seinen Eigenschaften weitgehend zu zerstören. Dieses Problem sei laut Gopinath B. Sekhar nun gelöst. Anstatt Altreifen als Sekundärbrennstoff in der Zementindustrie oder als Zusatz zum Bitumen im Straßenbau oder einer sonstigen minderwertigen Anwendung zu vergeuden, könnten mit der Recyclinglösung Sekhars erstmals kostengünstig große Mengen wiederverwendbarer, devulkanisierter Kautschuk gefertigt werden, die wiederum als Ausgangsmaterial in Kautschuk verarbeitenden Betrieben wie einer Reifenfabrik genutzt werden. „Wir haben eine Lösung“, so Sekhar weiter, „die den Altreifen zu einem wertvollen Rohstoff für die industrielle Produktion von Premiumgummiprodukten wie Neureifen oder Runderneuerungsmaterialien macht.“
Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG mochte der Erfinder Gopinath B. Sekhar zwar nicht in die Details des Devulkanisationsverfahrens gehen, außer dass es sich dabei um ein mehrstufiges mechanisch-chemisches Verfahren handelt, bei dem hauptsächlich in einem selbst entwickelten „Devulkanisationsmodul“ unter Beifügung eines sogenannten „Aktivators“ ein Rohstoff für neue Gummigrundmischungen entsteht. Und das Verfahren bzw. die Idee dazu stamme nicht aus „dem Reifen-Gummi-Umfeld“. Wenigstens sechs bis acht Patente seien auf das gesamte Verfahren und die dahinter stehende Technologie angemeldet. Das bei der Sekhar-Devulkanisation entstehende Material sei „sehr vergleichbar“ mit den Materialien – Masterbatches –, die in der hochwertigen Reifenfertigung zum Einsatz kommen.
Wie groß der Anteil des „SRI Compound Masterbatch“ an einer Neureifenmischung sein kann, ohne dass diese ihre Eigenschaften verändert, sei nicht pauschal zu beantworten, erklärt Sekhar. Das hänge einerseits ganz entscheidend von dem Eingangsmaterial ab, also von den zu 0,4 Millimeter großem Gummimehl verarbeiteten Altreifen. Welche Produkte, Fabrikate und Bestandteile (Raumehl aus der Runderneuerung) werden recycelt? Andererseits hänge dies natürlich auch von dem Ausgangsmaterial ab, in dem das „SRI Compound Masterbatch“ genutzt wird. Bekanntlich bestehen Reifen aus bis zu einem guten Dutzend verschiedener Gummimischungen (Lauffläche, Unterbau, Seitenwand, Wulst, Innerliner etc.), die alle ihre eigene Funktion im fertigen Reifen zu erfüllen haben. „Sie können bis zu 100 Prozent unserer Mischung nehmen und daraus einen funktionierenden Reifen machen“, betont Sekhar, bescheinigt aber, dass dies logischerweise die (vorgegebenen) Eigenschaften eines Kunden-Neureifens verändern würde. Der Grund: Für das Ausgangsmaterial werden komplette Altreifen mit all ihren verschiedenen Gummimischungen und von verschiedenen Herstellern zu Gummimehl verarbeitet. Folglich sei der Sekhar-Masterbatch als Füllstoff in einer mit eigenständigen Eigenschaften versehenen Neureifenmischung und nicht als deren Ersatz gedacht. Darüber, wo die Grenze der Beimengung liegt, ohne dass die ursprünglichen Eigenschaften des späteren Reifens verändert werden, mochte Sekhar nicht spekulieren. 30 Prozent jedenfalls könnten wenigstens als unbedenklich angesehen werden.
Aktuell laufen in Malaysia bereits Feldversuche, nachdem Mitte September in Port Klang, einem Seehafen nahe der Hauptstadt Kuala Lumpur, die erste Devulkanisationsanlage des Unternehmens in Betrieb genommen wurde. Die modular aufgebaute Anlage könne bei voller Auslastung bis zu 27.000 Tonnen jährlich vom „SRI Compound Masterbatch“ fertigen; aktuell entstehe dort eine Tonne pro Stunde. Sekhars erster Kunde ist Everthrough Rubber Products, Malaysias größter Schlauch- und Wulstbandhersteller, der seit Neuestem auch in der Reifenfertigung aktiv ist und LLkw-Reifen auf Basis des „SRI Compound Masterbatch“ gefertigt hat. In den folgenden Wochen sollen hier erste Ergebnisse des Feldversuches vorliegen, rechnet man dabei allerdings mit keinen bösen Überraschungen.
Während also in Malaysia die ersten Reifen auf der Straße unterwegs sind, ist man in Europa und andernorts in intensiven Verhandlungen mit führenden Reifen- und Materialherstellern, die den neuen Rohstoff von Sekhar Research Innovations bereits seit einigen Monaten testeten. Dass aber die Innovation aus Malaysia auch dort für den weltweiten Markt umfassend gefertigt wird, sieht Erfinder Sekhar nicht. Vielmehr möchte er in vielen Regionen weltweit lieber ein Netzwerk an Lizenznehmern aufbauen, die dann wiederum ihre regionalen Märkte mit dem „SRI Compound Masterbatch“ versorgen sollen. Ob die Lizenznehmer, denen „eine geringe Lizenzgebühr und eine Umsatzbeteiligung“ abverlangt werde, gleichzeitig auch in der Herstellung des Eingangsmaterials, also des Gummimehls, involviert seien, sei zweitrangig. Gerade in entwickelten und industrialisierten Regionen wie Europa oder Nordamerika gebe es genügend Anbieter, die einen hochwertigen Rohstoff für die Sekhar-Devulkanisation liefern könnten.
Einer erfolgreichen Markteinführung stehe Sekhar zufolge nichts mehr im Wege. „Wir sind so weit, jetzt kann es losgehen“, so der Unternehmensgründer gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG. Die Investitionskosten für mögliche Lizenznehmer hielten sich ebenfalls in Grenzen, habe man in Malaysia doch lediglich 4,8 Millionen Euro in die Anlage investiert. Darüber hinaus weist Sekhar darauf hin, dass das Verfahren „modular“ aufgebaut sei, folglich auch eine Anlage mit einer Jahreskapazität von rund 10.000 Tonnen eingerichtet werden könnte. Erst Mitte Oktober konnte Sekhar Research Innovations ein Abkommen mit dem renommierten Malaysian Rubber Board unterzeichnen, worin sich dieser zur Unterstützung der Sekhar-Innovation bereit erklärte. arno.borchers@reifenpresse.de
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