Synthesekautschuk von Lanxess für die Reifenindustrie

In vier der 13 Geschäftseinheiten des Spezialchemiekonzerns Lanxess (Leverkusen) spielt die Reifenindustrie eine herausragende Rolle als Kundengruppe. Die Sparte Rhein Chemie stellt unter anderem den Reifenherstellern Additive – Kautschukzusätze und Trennmittel – zur Verfügung, bewegt sich in einem weltweit etwa 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz (2010) messenden Umfeld und ergänzt aktuell die sieben bestehenden auf der ganzen Welt verteilten Produktionsstandorte um ein neues Werk in Dschersinsk (Russland), das im nächsten Jahr den Betrieb aufnehmen soll. Die Sparte Rubber Chemicals stellt unter anderem den Reifenherstellern Vulkanisationsbeschleuniger zur Verfügung, bewegt sich in einem weltweit etwa 2,5 Milliarden Euro Jahresumsatz (2010) messenden Umfeld und hat sieben Produktionsstandorte weltweit. Herausragend im Lanxess-Portfolio sind allerdings die synthetischen Kautschuke, wobei das Unternehmen je nach Spezialeinsatz für sich einen Platz unter den größten drei Anbietern der Welt reklamiert. Die beiden Geschäftseinheiten „Butyl Rubber“ und „Performance Butadiene Rubber“ gehören im Konzern zum Geschäftsfeld der sogenannten „Performance Polymers“, stehen jeweils für einen Jahresumsatz von einer halben Milliarde Euro (geschätzt für 2010) und sind als Zulieferer der großen Reifenhersteller unverzichtbar, weil Lanxess ein globaler Anbieter von Premiumprodukten steht. Ohne synthetische Hochleistungskautschuke wären Pkw-UHP- und die rollwiderstandsoptimierten „grünen“ Pkw-Reifen nicht denkbar. Bei Nutzfahrzeugreifen dominieren zwar nach wie vor Naturkautschuke, aber auch da sind Synthesekautschuke auf dem Vormarsch, nicht zuletzt weil im Speditionsgewerbe das Thema Treibstoffverbrauch und infolgedessen Reifenrollwiderstandsoptimierung ein Megathema ist.

Butyl Rubber

Die Business Unit Butylkautschuk von Lanxess wird von dem gebürtigen Australier Ron Commander (60) geleitet. Die Jahreskapazität der beiden bestehenden Fabriken in Zwijndrecht (Belgien) und Sarnia (Kanada) wird mit 400.000 Tonnen beziffert. Nach zwei Kapazitätsausweitungen in Sarnia in 2007 und 2008 erfolgt aktuell ein Ausbau der Kapazitäten in der Fabrik bei Antwerpen um 14.000 Jahrestonnen und soll im übernächsten Jahr abgeschlossen sein. Größtes Projekt ist allerdings der Neubau einer Butylkautschukfabrik in Jurong Island (Singapur) für ein Investitionsvolumen von etwa 400 Millionen Euro; das Werk soll im ersten Quartal des Jahres 2013 mit etwa 200 Arbeitskräften in Betrieb gehen, ist auf eine Kapazität von 100.000 Tonnen jährlich ausgelegt (Ausbau ist möglich) und soll vor allem den fernöstlichen Markt bedienen. Beide Investitionen – die in Zwijndrecht und in Singapur – lassen einen Umsatzzuwachs von mehr als 330 Millionen Euro erwarten, so sie denn den vollen Betrieb aufgenommen haben.

Die Größe des Weltmarktes für Butyl Rubber wird von Lanxess für dieses Jahr mit einem Umsatz von 2,2 Milliarden Euro taxiert. Als Weltmarktführer hinsichtlich der Kapazitäten gilt ExxonMobil Chemicals, allerdings weist Commander darauf hin, dass der US-Konzern nie konkrete Zahlen zur Tonnage genannt hat. Mit einigem Abstand hinter Lanxess finden sich aus Russland Nizhnekamskneftekhim (Nr. 3 in der Welt) und Sibur sowie der chinesische Konzern Sinopec.

Etwa 900 Mitarbeiter zählt diese Geschäftseinheit. Wobei Lanxess die Anteile an Standard- Butylkautschuken für die Reifenindustrie gezielt zurückfährt: 84 Prozent des Umsatzes entfielen noch 2008 auf die Reifenhersteller, in diesem Jahr dürften es 76 Prozent sein. Der Grund dürfte darin liegen, dass zu den strategischen Ausrichtungen des Konzerns gehört, sich in allen Segmenten auf die Premiumprodukte zu fokussieren, und das sind in diesem Falle die Halobutylkautschuke Bromobutyl und Chlorobutyl. Zwar scheuen Ingenieure, von völliger Diffusionssicherheit zu sprechen, für das Elastomer Butylkautschuk und erst recht Halobutylkautschuk kann jedoch ein hohes Maß an Undurchlässigkeit von Luft, wie in einem preumatischen Reifen nun mal unerlässlich, vorausgesetzt werden. Darüber hinaus schützen Butylkautschuke den Stahlcord von Reifen vor Feuchtigkeit. Während „Regular Butyl“ in Schläuchen von Reifen Verwendung findet, ist Halobutylkautschuk die richtige Lösung bei Innerlinern.

Die weltweite Nachfrage nach Standard-Butylkautschuken bleibt in den nächsten Jahren bestenfalls konstant, dürfte aber eher leicht sinken. Die Nachfrage nach dem höherwertigeren Halobutylkautschuk wird jedoch deutlich zunehmen und auch das Portfolio bei Lanxess beeinflussen in Richtung eines Verhältnisses 15 zu 85 Prozent zu Gunsten des höherwertigen Produktes. Wachstumstreiber werden die Märkte Indien und China sein, die bislang noch von schlauchlosen Lkw-Diagonalreifen dominiert sind und in denen eine Welle der Radialisierung bevorsteht. Und wo keine Schläuche mehr benötigt werden, da kommt es auf die mit Halobutyl hergestellten Innerliner an. Lanxess schätzt den Anteil an Halobutyl in Pkw-Reifeninnerlinern (neben Katalysatoren, Additiven usw.) auf 45 Prozent entsprechend durchschnittlich 300 Gramm pro Stück, den bei Lkw-Reifen gar auf 57 Prozent entsprechend durchschnittlich 1,5 Kilogramm pro Stück. Hervorragende Perspektiven.

Für Lanxess vor allem, wenn das Projekt „Gevo“ von Erfolg gekrönt wird: In diesem Frühjahr war eine Minderheitsbeteiligung in nicht genannter Größe an dem amerikanischen Biokraftstoff- und Biochemiehersteller Gevo Inc. (Denver/Colorado) für zehn Millionen US-Dollar bekanntgegeben worden mit dem Entwicklungsziel, Isobuten aus erneuerbaren Ressourcen herzustellen. Durch diese Zusammenarbeit soll eine alternative Zugangsmöglichkeit für die Beschaffung von Isobuten, einem wichtigen Rohstoff für die Herstellung von Butylkautschuk, verfolgt werden. Isobuten wird üblicherweise in Steamcrackern produziert, die Erdölderivate als Rohmaterial nutzen. Als Alternative dazu entwickelt Gevo ein Fermentierungsverfahren, in dem Mais-Biomasse zur Herstellung der organischen Verbindung Isobutanol eingesetzt wird. Lanxess und Gevo wollen Isobuten mittels Dehydrierung von Isobutanol herstellen. Allerdings ist das Projekt noch in einer recht frühen Phase, wenn sich auch das Dehydrierungsverfahren im Labor bereits bewährt hat. „Vor dem Hintergrund volatiler Rohstoffpreise und der Konsolidierung in der petrochemischen Industrie ergibt sich für uns durch diese Investition und Kooperation eine Erweiterung unserer zukünftigen Versorgungsoptionen“, so Axel C. Heitmann (51), Vorstandsvorsitzender von Lanxess. „Diese Investition unterstreicht zugleich unser Engagement im Bereich „Grüne Chemie“, das für alle Stakeholder zunehmend wichtiger wird.“ Statt des petrochemischen Derivates Butadien, das Lanxess für die Herstellung von Synthesekautschuk bezieht, also Zucker, Stärke und Zellulose als Ausgangsmaterial für ein Chemieunternehmen? Ron Commander hat einen Sitz im Gevo-Vorstand.

Performance Butadiene Rubber

Im Gegensatz zu den Innerlinern aus den Geschäftsfeld seines Kollegen Commander könne man die Materialien der von ihm geführten Geschäftseinheit „Performance Butadiene Rubber“ (PBR) sehen, so Dr. Joachim Grub (51): und zwar die Lauffläche und die Seitenwand. Diese Lanxess-Geschäftseinheit stellt Polybutadien- (vor allem das Hochleistungsprodukt Neodymium-Polybutadien) sowie im Lösungspolymerisationsverfahren Styrol-Butadien-Kautschuke (S-SBR = „Solvent-SBR“) und sogenannte „General-Purpose-Kautschuke“ (ESBR = „Emulsions-Styrol-Butadien-Rubber“) her. Die Jahreskapazität der Fabriken in Dormagen, Port Jérôme (Frankreich), Orange (USA) sowie der drei brasilianischen Werke Triunfo, Cabo de Santo Agostinho und Duque de Caxias wird mit 800.000 Tonnen bei einer Mitarbeiterzahl von etwa tausend beziffert. Bis Anfang 2012 laufen Expansionsprojekte für 20 Millionen Euro in Dormagen, Orange und Cabo de Santo Agostinho für Neodymium-Polybutadien, um die Kapazitäten insgesamt um 50.000 Jahrestonnen zu erhöhen, sowie Modernisierungen für S-SBR in Port Jérôme. Allein diese Maßnahmen verheißen jährlich höhere Umsätze in der Größenordnung 70 Millionen Euro und steigende Profitabilität. Darüber hinaus ist eine völlig neue Fabrik für Nd-PBR (Neodymium-Polybutadien-Rubber) mit einer Jahreskapazität von 100.000 bis 150.000 Tonnen projektiert, eine endgültige Entscheidung steht noch dieses Jahr an, als Standort aber kommt wohl nur Asien in Frage.

Die Größe des PBR-Weltmarktes in 2010 wird auf elf Milliarden Euro taxiert, im Gegensatz zum eher oligopolistischen Markt für Butyl Rubber hat Lanxess eine ganze Reihe von Wettbewerbern, sieht sich aber sowohl bei PBR/S-SBR als auch bei Nd-PBR klar als Weltmarktführer. Wobei Konzerne wie Bridgestone, Goodyear, Michelin oder Sibur Synthesekautschuke auch für den Eigenbedarf der Reifenwerke produzieren.

Die Hinwendung zu „grünen“ Reifen kommt dem PBR-Portfolio entgegen, denn die fortschrittlichen Technologien Neodymium-Polybutadien-Rubber und Solvent-Styrol-Butadien-Rubber verfügen über Leistungseigenschaften, die zur Herstellung von energieeffizienterer Reifen bei Beibehaltung der Sicherheit benötigt werden. Das ab 2012 in Kraft tratende Reifen-Labelling in der EU ist dabei so etwas wie ein „Sechser im Lotto“, zumal ähnliche Regelungen in Japan auf freiwilliger Basis bereits gelten bzw. in Ländern wie den Vereinigten Staaten oder Südkorea bereits initiiert sind und man davon ausgehen kann, dass sich die großen Schwellenländer wie Brasilien, Indien oder China mittel- bis langfristig nicht mit Produkten bescheiden werden, die denen in den entwickelten Ländern zur Verfügung stehen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass S-SBR/PBR geeignet erscheinen, in die Naturkautschuk-Phalanx der Lkw-Reifenrunderneuerung einzubrechen.

Moderne Produkte wie Nd-PBR helfen darüber hinaus, den Abrieb zu verringern, S-SBR-Kautschuke senken in Hochleistungsreifen nicht nur den Rollwiderstand, sondern verbessern zugleich die Haftung auf nasser Straße. Lanxess erwartet daher Wachstumsraten im Zeitraum 2011 bis 2015 bei den Verkäufen an die Reifenindustrie in der Europäischen Union (EU 15) von knapp über und in den USA von knapp unter zwei Prozent, in den BRIC-Staaten sogar von 9,5 Prozent. Lanxess hat die geforderten Produkte zur rechten Zeit am richtigen Ort. detlef.vogt@reifenpresse.de

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