Langsam kommt die Winterreifenpflicht. Dafür aber gewaltiger?
So wie es aussieht, kommt die von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer für Deutschland angekündigte Winterreifenpflicht jetzt wahrscheinlich ab Anfang November. Denn am 5. kommenden Monats wird dem Bundesrat wohl eine entsprechende Vorlage zwecks Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) zur Abstimmung vorgelegt, nachdem dies – anders als ursprünglich erwartet – bei der letzten Sitzung der Länderkammer Mitte Oktober noch nicht der Fall gewesen ist.
Dem Verordnungsentwurf ist zu entnehmen, dass der bisherige Paragraf 2 Absatz 3a der StVO rund um die an die Witterungsverhältnisse anzupassende Kfz-Ausrüstung inklusive der in diesem Zusammenhang besonders hervorgehobenen „geeigneten Bereifung“ bzw. des dabei ebenfalls erwähnten Frostschutzes im Scheibenwaschwasser durch einen neuen Passus ersetzt werden soll. Er lautet wie folgt: „Bei Schneeglätte, Schneematsch, Reifenglätte oder Glatteis darf ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren werden, deren Laufflächenprofil, Laufflächenmischung oder Aufbau für die genannten winterlichen Wetterverhältnisse ausgelegt sind (Winterreifen).“
Gleichzeitig will man offenbar die Bußgelder für Verstöße gegen diese Vorschrift erhöhen. Für das Fahren ohne Winterreifen bei winterlichen Wetterverhältnissen möchte man zukünftig 40 Euro kassieren und 80 Euro, wenn der Übeltäter dadurch zusätzlich noch zur Verkehrsbehinderung wird. Dies entspräche einer Verdoppelung der bisherigen Sätze. Als Winterreifen sollen dem Gesetzesentwurf zufolge in Anlehnung an die Verordnung 661/2009 des Europäischen Parlamentes alle mit dem M+S- oder Schneeflockensymbol markierten Reifen aufgefasst werden. Wörtlich heißt es, den in dem zu ändernden Passus der StVO genannten Anforderungen an Winterreifen würden „alle Reifen gerecht, die mit einem M+S- oder Schneeflockensymbol gekennzeichnet sind oder als Allwetter- bzw. Ganzjahresreifen bezeichnet werden“. Wenn der Bundesrat den Vorschlag bei seiner nächsten Sitzung abnickt, dann könnte die Winterreifenpflicht tatsächlich noch in diesem Jahr an den Start gehen.
Ob die neue Regelung in der jetzigen Formulierung der Weisheit letzter Schluss ist, darf aber guten Gewissens bezweifelt werden. Denn gemäß der Verwendung des Wörtchens „oder“ in obiger Beschreibung der Anforderungen an einen Winterreifen würde es ja vollkommen ausreichen, wenn ein Produkt von seinem Hersteller als Allwetter- bzw. Ganzjahresreifen deklariert wird – theoretisch bräuchte der Reifen dann wohl nicht einmal eines der beiden branchenüblichen Symbole aufzuweisen. Auch dass jeder M+S-markierte Reifen automatisch zum Winterreifen gemacht wird, kann nur als suboptimal bezeichnet werden. Schließlich sind bekanntermaßen Reifen im Markt erhältlich, die beispielsweise schon allein aufgrund ihrer Profilierung von jedem Fachmann eindeutig als Sommerreifen identifiziert werden, aber trotzdem das M+S-Symbol auf der Seitenwand tragen.
Und solchen „Pseudowinterreifen“ hat der Österreichische Automobil-, Motorrad- und Touringclub (ÖAMTC) schon im vergangenen Jahr nach entsprechenden Tests die Eignung für winterliche Straßenverhältnisse abgesprochen. In Österreich werden M+S-markierte Reifen zwar ebenfalls als Winterreifen angesehen, in unserem Nachbarland wird darüber hinaus aber wenigstens noch eine Mindestprofiltiefe von vier Millimetern vorgeschrieben. Alles darunter gilt automatisch als Sommerreifen – und zwar unabhängig davon, ob der Reifen ursprünglich tatsächlich einmal ein „echter“ Winterreifen gewesen ist. Von einer solchen Regelung ist in dem Verordnungsentwurf zur neuen Winterreifenpflicht hierzulande nichts zu finden, dabei sollte jedem, der sich mit der Winterreifenthematik befasst, eigentlich bekannt sein, dass die der Profillamellierung zuzuschreibenden Haftmechanismen bei Unterschreiten des Limits von vier Millimetern drastisch an Wirksamkeit verlieren. Aber vielleicht wird bei dem Entwurf ja noch nachgebessert. christian.marx@reifenpresse.de
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