Lkw-Absatzzahlen in fünf Jahren wieder auf Vorkrisenniveau
Nach dem Krisenjahr 2009 steuert die weltweite Lkw-Industrie bis 2015 auf einen geschätzten Jahresgewinn von bis zu sieben Milliarden Euro zu, ist einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company zu entnehmen, die den Markt für Nutzfahrzeuge über sechs Tonnen Nutzlast analysiert. Die positive Ertragsentwicklung wird dabei auf vier Trends zurückgeführt: Neben konjunkturellen Erholungseffekten könnten die Hersteller auf weiteres Marktwachstum insbesondere in den Schwellenmärkten bauen, heißt es beispielsweise. Zusätzlich sollen sie von Kostensenkungen durch globale Plattform- und Gleichteilstrategien sowie von sich entspannenden, allerdings stark schwankenden Rohmaterialmärkten profitieren. „Nach ihrer historisch schwersten Krise hat die Nutzfahrzeugindustrie die Talsohle durchschritten“, sagt McKinsey-Partner Bernd Heid, leitender Autor der Studie. „Nach unseren Berechnungen kann die Branche schon in fünf Jahren bis zu sieben Milliarden Euro Gewinn pro Jahr verbuchen, das sind 7,5 Milliarden Euro mehr als im Krisenjahr 2009“, ergänzt er. In den etablierten Märkten profitiere die Lkw-Industrie von auf die Krise folgenden Erholungseffekten durch erhöhtes Transportaufkommen, bessere Finanzierungsmöglichkeiten und die Ersatzbeschaffung für ältere, im Unterhalt teurere Nutzfahrzeugflotten. Allein dieser Effekt werde sich in den nächsten Jahren mit bis zu 6,5 Milliarden Euro im Gesamtgewinn (Profit Pool) der Industrie niederschlagen.
Über diesen Erholungseffekt hinaus kommt der Studie zufolge den Nutzfahrzeugsparten in Westeuropa, Nordamerika, Indien und Brasilien das strukturelle Wirtschafts- und Marktwachstum zugute, das sich positiv auch auf den Nutzfahrzeugabsatz auswirkt. „Wir gehen davon aus, dass die Verkaufszahlen in fünf Jahren bereits wieder die Verkaufszahlen des Vorkrisenjahres 2007 erreichen. Diese Volumeneffekte und das strukturelle Marktwachstum tragen weltweit in der Branche in fünf Jahren etwa ein bis 1,5 Milliarden Euro zum jährlichen Gesamtgewinn der Branche bei“, erläutert Heid. Dabei verlagere sich der Schwerpunkt der Zuwächse zunehmend in die Schwellenmärkte. Die stärksten Wachstumsraten erreicht demnach die indische Lkw-Industrie, die mit etwa 380.000 Einheiten im Jahr 2015 die US-amerikanischen Absatzzahlen erreichen und die westeuropäischen überflügeln soll. Obwohl vorhergesagt wird, dass Indien und China gemeinsam in fünf Jahren knapp 50 Prozent des globalen Absatzes erzielen werden, werde ihr Umsatzanteil trotz der hohen Stückzahlen allerdings nur bei rund einem Viertel des Weltmarktes liegen, heißt es. Zur Begründung dessen wird darauf verwiesen, dass in Indien ebenso wie in China einfache und deutlich günstigere Fahrzeuge überwiegen, selbst wenn sich dies bereits ändere: Auch in den Schwellenmärkten zeigt die McKinsey-Analyse eine Verschiebung der Nachfrage hin zu höherwertigen Lkw mit verbesserter Motorentechnologie und höheren Nutzlasten.
Durch den Ausbau der globalen Rohstoffkapazitäten können die Lkw-Hersteller mit einer Entlastung auf der Rohmaterialpreisseite rechnen, ist ein weiteres Ergebnis der Studie, die daraus eine Stärkung der Ertragssituation der Branche um weitere 1,5 bis zwei Milliarden Euro ableitet. Dieser Nettoentlastung stehe aber eine deutlich höhere Preisvolatilität gegenüber, welche die Hersteller zwinge, Fähigkeiten und Expertise im Bereich des Rohmaterialmanagements aufzubauen, um auf diese veränderten Marktbedingungen reagieren zu können. Durch Allianzen, Konsolidierung und Plattformstrategien – meist von etablierten Spielern getrieben – könne die globale Nutzfahrzeugindustrie zudem Skaleneffekte insbesondere bei den entwicklungsintensiven Technologien und Komponenten wie zum Beispiel im Motoren- oder Getriebebereich erzielen, wodurch die Nutzfahrzeugindustrie ihre Gesamtgewinne in den nächsten fünf Jahren um weitere 0,5 bis eine Milliarde Euro steigern könne. „Dies wird die Globalisierungsanstrengungen der Zulieferindustrie weiter beflügeln“, sagt Heid. „Allerdings macht die gleichzeitig erhöhte Gesamtstückzahl je Komponente die Herstellung von Nachahmerprodukten im Graumarkt attraktiver“, meint er unter Verweis darauf, dass dies die Hersteller zugleich vor neue Herausforderungen im als lukrativ bezeichneten Ersatzteilegeschäft stelle.
Diesen vier Trends, die den globalen Profit Pool erhöhen, stünden allerdings auch Faktoren gegenüber, die Druck auf die Margen ausübten. Als Beispiel genannt wird die Verschärfung der Emissionsnorm für Stickoxide und Feinstaub bei schweren Lkw, die allein durch Umstellung von Euro-5- auf Euro-6-Norm zusätzliche Mehrkosten auf der Motorenseite in Höhe von bis zu 5.500 Euro je Lkw verursachen soll. Unter Berücksichtigung der gesamten weltweiten Veränderungen bei den Emissionsnormen rechnet McKinsey basierend darauf auf eine zusätzliche Belastung von etwa sechs Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren für die Branche hoch. Die darüber hinaus geforderten Verbrauchs- und damit Kohlendioxideinsparungen verlangen der Industrie laut der Studie bis 2015 Investitionen – in Verbrauchsoptimierungen, alternative Kraftstoffe/Antriebe etc. – von durchschnittlich 3,5 bis 4,5 Milliarden Euro ab. „Durch die Maßnahmen zur Reduzierung von Stickoxid-, Feinstaub- und Kohlendioxidemissionen erarbeiten sich die Hersteller in den etablierten Märkten jedoch zugleich einen technologischen Vorsprung und Vorteile in der Verbrauchseffizienz“, erklärt Heid. „Mit diesem Wettbewerbsvorteil können sie den Markteintritt von preisaggressiven Schwellenmarktherstellern in die Triademärkte derzeit noch verhindern“, ist er überzeugt. Langfristig werde der zunehmende Wettbewerb aus Schwellenmärkten wie Indien oder China die Margen der etablierten Hersteller allerdings zunehmend belasten. „Konzentrierten sich die Schwellenmarktanbieter in den vergangenen Jahren zunächst auf ihre heimischen, stark wachsenden Märkte, drängen diese im zweiten Schritt nun immer mehr in Richtung Export in etablierte Märkte“, so Heid, nach dessen Worten der negative Effekt auf den jährlichen Gesamtgewinn der Industrie in den kommenden fünf Jahren 0,5 bis eine Milliarde Euro beträgt. cm
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