Aluminiumräderherstellerbranche ist immer noch stark fragmentiert
Der Bauxit als entscheidendes Aluminiumerz stammt vielleicht aus Australien, Guinea oder Jamaika. Angelandet wird das Erz dort, wo es unter hohem Energieeinsatz zu Aluminium weiterverarbeitet werden kann, beispielsweise in Island wegen der herausragenden Möglichkeiten der geothermischen Nutzung, in Bahrain weil Öl dort günstig ist oder in Südafrika wegen der dort reichlich vorhandenen Kohle. Weiterveredelt, das heißt mit der nötigen Legierung versehen, wird das Aluminium von Großkonzernen in Ungarn bei Alcoa oder in Norwegen bei Norsk Hydro, aber auch bei einem Mittelständler wie Trimet in Hamburg, der einen Ofen „Peter Wilhelm“ nennt, die Vornamen des geschäftsführenden Gesellschafters der Borbet-Gruppe.
Rund ein Viertel der Herstellungskosten von Aluminium entfällt auf die Energie, sodass es häufig eine Korrelation des Aluminiumpreises mit dem Ölpreis gibt. Gehandelt wird Aluminium vor allem an der London Metal Exchange (LME), aber auch an der New York Mercantile Exchange (COMEX). Weil Aluminiumkosten Fixkosten sind, die überall auf der Welt in etwa gleich sind, hat jedenfalls diesbezüglich kein Land weltweit Vorteile, auch die Chinesen kaufen prinzipiell Aluminium auf dem Weltmarkt zu den gleichen Konditionen wie andere auch, es sei denn eine Regierung subventioniert den Import des Rohstoffes durch besondere Zolltarife.
Was unterschiedlich ist, sind natürlich die Lohn- und Energiekosten. Und da gibt es schon eine Differenz, die letzten Endes die EU-Kommission im August bewogen hat, eine Untersuchung zu initiieren, ob ein Antidumpingverfahren gegen chinesische Hersteller von Aluminiumfelgen (Unterlagen liegen dieser Zeitschrift vor) opportun sei, das zu Strafzöllen führen könnte. Also ein Blick auf die Kostenstruktur bei chinesischen Aluminiumradherstellern (Quelle: eine Studie von „ResearchInChina“): Die Rohmaterialkosten schlagen mit 55 bis 60 Prozent zu Buche und die Arbeitskosten mit vier bis fünf Prozent, die Rohmaterialkosten in entwickelten Ländern hingegen mit 50 Prozent und Arbeitskosten mit 15 bis 20 Prozent. Ist das so dramatisch gerade angesichts des Transportnachteils, den China-Exporte gen Europa haben, dass sich allein deswegen die Gewichte in der weltweiten Aluminiumräderfertigung hätten verschieben müssen?
Einerseits ist das Verhalten der China-Hersteller, sich Europa zuzuwenden, geradezu logisch. Denn der in den Jahren für sie zuvor so lukrative US-Markt war weggebrochen und es lag daher nahe, Warenströme umzuleiten (was aufgrund der unterschiedlichen technischen Anforderungen in den USA und Europa sowie der abweichenden Stylingtrends nur sehr bedingt möglich ist). Andererseits sei aber auch darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren zunehmend chinesische Ware den Weg nach Europa und auch nach Deutschland gefunden hat – selten unter eigener Marke, aber hiesige Anbieter/Marken lassen in zunehmendem Maße gerne in China nach ihren Vorgaben fertigen. Nicht zuletzt deutsche Teilnehmer des Ersatzmarktes (Autec, DBV, ProLine und andere) haben chinesische Radhersteller hoffähig gemacht. Die Entscheidung der Brüsseler Behörden steht noch aus.
Die Gewichte in der globalen Verteilung der Aluminiumfelgenproduktion verschieben sich. Die (noch) an die hundert chinesischen Aluminiumradhersteller haben laut „ResearchInChina“ im Jahre 2001 erst etwa 3,5 Millionen Aluminiumfelgen exportiert, zwei Jahre später die 10-Millionen-Schwelle durchbrochen und in 2008 den Wert von 2001 verzehnfacht. Angesichts der Überkapazitäten in der globalen Aluminiumräderherstellung hat die automobile Welt auf diese Flut nicht gewartet. Es muss Verlierer unter den Produzenten gegeben haben, die kamen überwiegend aus Nordamerika. Auch in Europa gab es zwar in den letzten zwei, drei Jahren Marktbereinigungen, aber keinen oder kaum Kapazitätsabbau: Entweder wurden vorhandene Kapazitäten von Wettbewerbern (Speedline durch Ronal oder ATS durch Uniwheels zum Beispiel) übernommen oder Unternehmen (Beispiel Borbet) bauten neue auf; Werksschließungen wie bei Fundo in Norwegen, Borbet in Frankreich oder bei Hayes Lemmerz in Belgien wirkten da eher wie der berühmte „Tropfen auf den heißen Stein“, Entspannung brachten sie jedenfalls nicht.
Eine Branche in Bewegung
Nachdem auch die Preise für Aluminium aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise zusammengebrochen waren, erholten sie sich Ende 2009 und haben die 3-Monats-Notierung von 2.200 US-Dollar je Tonne wieder überschritten. Warum das wichtig ist? Wirtschaftlicher Erfolg eines Herstellers von Aluminiumrädern lässt sich überhaupt nicht an einer langfristigen Umsatzentwicklung ablesen: Geht der Umsatz runter, so liegt das überwiegend an gesunkenen Rohstoffpreisen, das Unternehmen kann dennoch sehr profitabel gewesen sein; vielleicht mussten nicht alle günstigen Einkaufspreise direkt beim Kunden Automobilhersteller abgeladen werden. Schießt der Umsatz nach oben, so liegt das überwiegend an gestiegenen Rohstoffpreisen, das Unternehmen kann tief in die Verlustzone gerutscht sein; vielleicht hat der Kunde Automobilhersteller nicht alle materialbedingten Mehrkosten akzeptiert. Der pure Blick auf Umsatzzahlen eines Aluminiumräderherstellers sagt herzlich wenig über dessen Erfolg oder Misserfolg und gibt auch nur sehr bedingt Hinweise, wohin sich die gesamte Branche entwickelt.
Hatte bis vor wenigen Jahren auch noch Ford eine eigene Herstellung von Aluminiumfelgen, so ist aktuell Toyota der einzige unter den großen Autobauern, der diesen Teil der Wertschöpfungskette im eigenen Hause (in Japan und Kanada) hält. Übrigens: Bei Stahlfelgen leisten sich von den westlichen renommierten Automobilherstellern noch Volkswagen (Deutschland) und Ford (Belgien) eine hauseigene Fertigung. Autark ist weder Toyota noch sind es Volkswagen und Ford bei den jeweiligen Produkten. Gelegentlich wird bezweifelt, ob die entsprechenden Fertigungen dauerhaft beibehalten werden oder einem Zulieferer „angedient“ werden.
Die Märkte verändern sich, sie passen sich an. Der Alurädermarkt Nordamerika ist zusammengebrochen, selbst in der Erstausrüstung wittern die Anbieter von Stahlrädern Morgenluft. Statt weiterer Steigerungsraten bei Aluminiumrädern geht es darum, die Anteile gegen die Anbieter viel billigerer, manchmal sogar leichterer und irgendwie auch nicht mehr unbedingt hässlicher Stahlräder zu verteidigen. Das „American Iron and Steel Institute“ verweist darauf, dass die „Big Three“ (General Motors, Ford, Chrysler) die Ausrüstungsquoten mit Aluminiumfelgen signifikant zurückgefahren haben und nennt die Kosten als wesentlichen Treiber – und das obwohl die Verbraucher gutaussehende Räder wollen. Das Material sei dabei weitgehend egal. Gesucht werden also Räder, die billig sind und gut aussehen – eine Einladung für Stahlradanbieter (Fumagalli/ehemals ArvinMeritor, heute eine Tochtergesellschaft der Iochpe-Maxion in Brasilien) und gestylte Stahlfelgen oder solche mit hübscher Radabdeckung.
Der lange Zeit überragende Erstausrüstungslieferant von Pkw-Aluminiumgussfelgen Superior Industries hat darum kräftige Einbußen hinnehmen können, die sich also nicht allein mit dem Rückgang der Produktionszahlen bei den „Big Three“ erklären lassen – einen ernsthaften Wettbewerber, der dem Unternehmen bereits „auf die Pelle rückt“, hat Superior zwar (noch) nicht in den USA. Genannt seien dennoch Alcoa mit Pkw-Schmiedefelgen sowie unter „ferner liefen“ Hayes Lemmerz mit Mexiko-Fertigung und Enkei mit Lieferungen an die Transplants der Japaner Toyota, Nissan und Co. Nichts anderes stellen die Lieferungen von Ronal (aus Mexiko) und Borbet (aus Alabama) an Mercedes, BMW und künftig Volkswagen in den Vereinigten Staaten dar. Wobei die genannten deutschen Automarken aufgrund ihres Premiumanspruches höhere Erstausrüstungsquoten mit Aluminiumfelgen haben (werden) als die amerikanischen Automarken. Wenn sich die Geschäfte von Borbet und Ronal wie gewünscht entwickeln und sie stärker von den „Big Three“ akzeptiert werden, muss sich Superior allerdings Gedanken über die Zukunft machen. Denn die Europäer lassen sich nicht so leicht „wegbeißen“ wie Amcast oder American Racing mit produktionstechnisch rückständigen Fabriken, die Europäer sind technologisch auf der ganzen Welt Benchmark.
Vor rund zehn Jahren war die Aluminiumräderwelt für Superior und Hayes Lemmerz noch in Ordnung, sie führten den Weltmarkt mit zusammengenommen etwa 25 Prozent an. Auf einer Anfang 2003 in dieser Fachzeitschrift veröffentlichten Liste standen 25 (!) Hersteller weltweit mit einer Jahreskapazität von jeweils einer Million Räder, der Markt war also höchst fragmentiert. Seit der Jahrtausendwende bis heute haben sich die globalen Kapazitäten auf etwa 175 Millionen Pkw-Aluminiumgussräder in etwa verdoppelt, der Markt allerdings ist fragmentiert wie damals. Unternehmen wie AWI oder Amcast sind ausgeschieden, Namen wie Montupet oder BBS sind durchgereicht worden oder wie American Racing und Tiger/S&M von der Liste verschwunden. Kleiner ist die Liste dadurch nicht geworden, denn andere sind an ihre Stelle getreten, sehr wohl aber gab es kräftige Auf- und Abstiegsbewegungen. Zweistellige Weltmarktanteilszahlen hat heute keiner mehr. Mit jeweils mehr als sechs Prozent dürften Enkei (Japan), Ronal (Schweiz), Borbet (Deutschland) und Superior (USA) bei einem Ranking ganz oben stehen. Nennenswert noch CMW (Japan), Hayes Lemmerz (USA), Lioho (Taiwan), Wanfeng (China), Dicastal (China), Uniwheels (Schweiz) und Topy (Japan). Alle anderen Anbieter dümpeln bei den Weltmarktanteilen im Eins-Komma-Bereich bei gegossenen Aluminiumfelgen. detlef.vogt@reifenpresse.de
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