Nexen profitiert auch in Europa von wachsender Erstausrüstung
Nexen Tire konzentriert sich bei seiner Wachstumsstrategie künftig nicht mehr nur auf die profitableren Ersatzmärkte, sondern liefert mehr und mehr Reifen auch direkt ans Band der großen Automobilbauer. Obwohl dies aktuell ausschließlich koreanische Hersteller in Korea betrifft, ergeben sich daraus doch auch direkte Konsequenzen für den europäischen Markt, denn viele dieser Autos werden aus Korea nach Europa exportiert. Nun muss sich der drittgrößte Reifenhersteller Koreas um die Erweiterung seiner Strukturen in Europa kümmern, um für das Nachlaufgeschäft gewappnet zu sein. Gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG erläutert John-Bosco Kim, Geschäftsführer der Nexen Tire Europe GmbH, warum der Hersteller gelassen auf die kommenden Jahren blicken kann.
Nexen Tire gehört seit jeher zu den Reifenherstellern, die auch dank ihrer besonderen Hingabe für UHP-Reifen fest auf den Ersatzmärkten verwurzelt waren, was dem koreanischen Unternehmen bei Analysten regelmäßig gute Bewertungen eintrug. Ebenfalls gute Bewertungen gibt es mittlerweile aber auch dafür, dass es Nexen Tire in den vergangenen Jahre offenbar gelungen ist, das Image der „ewigen Nummer drei“ in Korea abzustreifen, obwohl der Hersteller nach Marktanteilen natürlich weiterhin Hankook und Kumho nicht das Wasser reichen kann. Dennoch: Nexen Tire hat in der jüngsten Vergangenheit produkt- und imageseitig dermaßen zugelegt, dass Kia, Hyundai, Ssangyong und GM-Daewoo sich mittlerweile zunehmend auf Reifen der Marke Nexen verlassen, und dies nicht nur bei ihren Nischenmodellen. Heute liefert der Hersteller bereits mehr als jeden zehnten seiner Reifen – es werden jährlich rund 22 Millionen Reifen im Heimatland sowie in China gefertigt – in die Erstausrüstung in Korea.
Dies kann durchaus als Ritterschlag für ein Unternehmen gesehen werden, das seit Jahren auch große Anstrengungen auf den europäischen Markt konzentriert. Der Kia Soul etwa fährt zu 70 Prozent, die Geländewagen von Ssangyong zu 50 Prozent auf Nexen-Reifen durch Europa. Erst im Jahr 2008 lieferten erstmals koreanische Automobilbauer ihre Autos auf Nexen-Reifen nach Europa aus, während zeitgleich auch der Marktanteil in der heimischen Erstausrüstung für Nexen Branchenreports zufolge auf über zehn Prozent anstieg. Dies spreche „Bände über Nexens F&E-Fähigkeiten“, lobte etwa die Deutsche Bank. Koreanische Hersteller in Europa – oder etwa in China – beliefert Nexen Tire aktuell noch nicht.
Die großen Erfolge in der Erstausrüstung werden nun auch dazu führen, dass Nexen sich intensiv um die Erweiterung seiner Strukturen in Europa kümmert. Ein wesentliches Beispiel dafür ist die organisatorische Infrastruktur, wie John-Bosco Kim im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutert. Derzeit sind neun Mitarbeiter für die Nexen Tire Europe GmbH mit Sitz in Eschborn bei Frankfurt tätig. Wie der Geschäftsführer erklärt, habe Nexen erst kürzlich einen neuen Vertriebsmitarbeiter für den italienischen Markt eingestellt, der in der Region Mailand zum 1. Januar ein Büro beziehen soll, wie eines derzeit bereits in London unterhalten wird. „Wir haben unsere Umsätze in Italien ausgebaut“, so Kim, „und wir sind in Deutschland und Großbritannien sehr zufrieden.“ Bisher wurden die Umsätze mit Kunden in Italien exklusiv durch die in Deutschland ansässige Gesellschaft betreut. Ein weiteres Beispiel dafür könnte auch die Errichtung eines eigenen Lagers in Europa sein, aus dem heraus der Bedarf in Saisonspitzen abgefedert werden könnte. Es gibt zwar aktuell nichts Konkretes oder Offizielles dazu. Weiter steigende Absätze in Europa könnten dies aber durchaus notwendig erscheinen lassen, nicht zuletzt, um die Dienstleistungen für anspruchsvolle Neuwagenkunden bieten zu können, die diese in der Regel verlangen. „Bei uns steht nichts still und wir versuchen, die besten Lösungen für unsere Kunden zu finden“, ergänzt Jürgen Wägner, Sales- und Marketingdirektor der europäischen Nexen-Tochter, der zusammen mit Giusi Da Silva und Robert Sindicic auch für den deutschen Markt zuständig ist.
Bisher war ein solches Lager in Europa eigentlich auch nicht notwendig, leistet Nexen Tire doch beinahe ausschließlich Auftragsproduktion für seine Kunden – Produktion, entweder der eigenen Marken Nexen und Roadstone oder aber als Hersteller von Eigenmarken für Großhändler weltweit. Da die Nachfrage aus aller Welt, insbesondere auch aus Nordamerika und Europa, die Produktionskapazitäten in Korea (17 Millionen Pkw-Reifen) und in China (sechs Millionen Pkw-Reifen) komplett auslasten, war es in der Vergangenheit gelegentlich zu Engpässen gekommen: Es wurden nicht die kompletten Bestellungen zugeteilt, auch wenn Nexen Tire seinen Kunden in Europa nicht viele Reifen schuldig blieb, so Kim. Dennoch ist es dem Unternehmen eigener Aussage zufolge gelungen, in 2009 in Europa rund sechs Millionen Reifen zu vermarkten, was mehr als einem Viertel der Jahresproduktion entspricht.
Der Ruf der Märkte wurde in Seoul, wo die Nexen-Zentrale ansässig ist, offenbar erhört. Ende September kam nämlich die Ankündigung, Nexen Tire wolle in den kommenden Jahren rund 600 Millionen Euro in die Errichtung einer neuen Produktionsstätte investieren, die mit einer Kapazität von einmal 20 Millionen Reifen „die größte Pkw-und LLkw-Reifenfabrik der Welt“ werden könnte. Die Überraschung dabei: Während viele Unternehmen Produktionsstätten nicht an ihren angestammten Hochlohnstandorten neu errichten, entscheidet sich Nexen Tire ganz bewusst für einen Standort im Heimatland Südkorea und setzt damit ein Ausrufungszeichen hinter seine Ambitionen. Der erste Bauabschnitt der neuen Fabrik in Changnyung (Provinz Gyeongnam südöstlich von Seoul) soll in der zweiten Jahreshälfte 2012 fertiggestellt sein und dann rund fünf Millionen Pkw- und LLkw-Reifen fertigen können. „Unser Geschäft wächst dramatisch an“, sagt John-Bosco Kim, und nennt noch einmal die heimische Erstausrüstung, das Wachstum in Europa und in Nordamerika (allein dort vermarktet Nexen Tire knapp 30 Prozent seiner Produktion) als Begründung für die geplante Megainvestition in Korea.
Damit jedoch nicht genug. Auch die Pkw-Reifenfabrik in China (Qingdao, Shandong-Provinz) soll in den kommenden Jahren deutlich erweitert werden. In 2012, wenn die neue Korea-Fabrik die Serienproduktion aufnimmt, soll auch die Fabrik in China auf eine Kapazität von rund zehn Millionen Einheiten ausgebaut worden sein. Alle dafür notwendigen Anschlüsse, Gebäude etc. habe man direkt bei Errichtung der Fabrik vorgeplant. Innerhalb der kommenden knapp drei Jahre wird Nexen Tire seine Jahresproduktion also um rund 40 Prozent – von derzeit 23 auf 32 Millionen Reifen – erweitern.
Dass die Veränderungen im Konzern die Situation natürlich auch in Europa und somit in Deutschland verändern werden, steht für die Vertreter von Nexen Tire Europe in Eschborn fest. Einerseits werde, so die Hoffnung, künftig jedwede Nachfrage nach Nexen- bzw. Roadstone-Reifen (macht etwa ein Drittel der Produktion aus) ohne Zuteilungsprobleme bedient. Parallel zum Ausbau der Erstausrüstung und der Produktionskapazitäten wird Nexen Tire sicherlich auch in seine F&E-Kapazitäten investieren. Ob und wann auch ein Europäisches Technikzentrum kommt, will zwar offiziell niemand beantworten. Doch oben skizzierte Entwicklungen legen entsprechende Investitionen früher oder später nahe, zumal auch europäische Erstausrüstungskunden – nicht nur die hier fertigenden Koreaner wie Hyundai oder Kia – auf der Check-Liste von Nexen Tire auftauchen dürften.
Zu solchen Veränderungen passt natürlich immer auch ein genaues Hinsehen, was das eigene Image der Marke betrifft. Die Marke Nexen, die übrigens erst mit der Umbenennung des Unternehmens von Woosung Tire in Nexen Tire vor zehn Jahren ins Leben gerufen wurde, biete „Sicherheit, Qualität und Komfort“, betont John-Bosco Kim. Man sehe sich mit seinem Produkt zwar aktuell noch zwischen dem Budget- und dem Standardmarktsegment. Durch die weiter verbesserten Strukturen, ein umfassenderes Marketing sowie moderne, marktkonforme und qualitativ hochwertige Produkte werde die Marke Nexen aber künftig weiterentwickelt und wird sich künftig mehr und mehr zur Premiummarke des Unternehmens entwickeln. Aktuell werden bei Nexen Tire die beiden Marken Nexen und Roadstone als weitestgehend gleichwertig betrachtet und gehandelt. Auch wenn die Marke Nexen in den Mittelpunkt der Marktbemühungen steht, wolle man natürlich die Quasi-Zweitmarke Roadstone auch „weiterhin unterstützen“.
In der jüngsten Vergangenheit hat Nexen Tire sein Produktsortiment nicht unerheblich überarbeitet und kann heute über ein modernes Sortiment verfügen. Der neue UHP-Reifen „N9000“ etwa gehört dazu, der in diesem Jahr auf den Markt kam und in 16 bis 20 Zoll angeboten wird; er biete eine „maximale Performance“, wie es dazu im Nexen-Katalog heißt. Oder aber der ebenfalls zum vergangenen Sommer eingeführte „N8000“, der ein noch breiteres Sortiment zwischen 16 und 20 Zoll, allerdings mit einem etwas weniger sportlichen Anspruch, abdeckt. Bei Winterreifen gehören der „Winguard“ und der „Winguard Sport“ fest ins Sortiment des koreanischen Reifenherstellers.
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